Drei sichere Schritte
in die neue Zeit

Die neue Burgtheaterdirektion ist mit drei guten Premieren ins Amt getreten. Und bei den Salzburger Osterfestspielen ist das Erwartete geschehen. Man sollte sie zusperren

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dieser Augenblick ist auch nach ein paar Jahrzehnten im Beruf noch einer der aufregenden: Über einer Theateraufführung hebt sich der Vorhang, und der Kritikerkopf, der bis zu diesem Augenblick voll von Erwartungen und Vorurteilen war, ist frei und gespannt. Tritt gar eine neue Direktion ihr Amt an, walten die Eigeninteressen eines Verliebten: Denn wer das Theater auch nach vielen, oft beschwerlichen Jahren nicht liebt und ihm nicht gutes Gedeihen wünscht, zieht sich besser freiwillig zurück.

Das Burgtheater hat also unter Martin Kušej die ersten Schritte in eine neue Ära gesetzt, und erleichtert ist festzustellen: Die drei Premieren an drei Abenden sind gut, zum Teil hervorragend verlaufen. Gegen Ulrich Rasches Inszenierung der "Bakchen" des Euripides wurde eingewendet, man kenne seinen Stil der monumentalisierten, aufgeheizten, hoch ritualisierten Wortzentriertheit schon aus München. Das Argument schlägt ins Leere: Ein Regisseur hat seine Handschrift, und der Anteil des Publikums, der sich im Ausland Vergleichsmöglichkeiten holt, dürfte verschwindend sein. Theater wird aber für das Publikum und nicht für die Kritik gespielt, mit anderen Worten: Einen großen Regisseur kennenzulernen, ist das Recht des Publikums. Und wäre der Burgtheaterdirektor Peymann einst den Argumenten gefolgt, die sich heute gegen Rasche richten, so hätte Einar Schleef hier nicht mit Elfriede Jelineks "Sportstück" Theatergeschichte schreiben dürfen: Schleef, auf den sich Rasche beruft, hat seinen allseits bewunderten Stil mit dieser Inszenierung gekrönt.

Rasches "Bakchen" sind nicht seine beste, aber eine bedeutende Arbeit, und sie zeigen, wie organisch sich das verbliebene mit dem neuen Ensemble mischt. Nicht zu reden von Kušejs Star Franz Pätzold, der sich hier als Großcharismatiker und Sprachvirtuose erster Ordnung präsentiert. Also: hingehen!

Das gilt noch mehr für die Produktion "Vögel", eine politisch-poetische Boulevardgroteske des Kanadiers Wajdi Mouawad. Federleicht, und doch so schwer wie der unheilvolle Nahost-Konflikt selbst wird da in vier Sprachen -Deutsch, Englisch, Hebräisch, Arabisch - die Geschichte eines Paars erzählt, das nicht für einander bestimmt ist: Er ist ein Berliner Jude, sie Araberin. Doch statt eines drögen Romeo-und-Julia-Derivats sieht man eine wunderbar gespielte Tragikomödie (Regie: Itay Tiran), und die Sprachen mischen sich derart 0rganisch, dass man sich fragt, wie man an der "Burg" so lange ohne Hebräisch leben konnte. Also: ansehen!

Am dritten Abend brachte Kušej seine Münchner Regie der Albee'schen "Virginia Woolf" ans große Haus. Das Stück trägt mit seiner Sexualmoral und seiner buchstabierten Psychoanalyse doch den Hautgout der frühen amerikanischen Sechzigerjahre. Deshalb belässt Kušej es in der Entstehungszeit und inszeniert es in kaltem Licht vor weißen Wänden als starke Versuchsanordnung. Hingehen! Denn zumindest die neuen Schlüsselspieler Bibiana Beglau und Norman Hacker muss man gesehen haben.

Was den Salzburger Osterfestspielen droht, ist nicht der Kommentierung wert, weil es absehbar war. Der Weltdirigent Christian Thielemann muss sich 2022 zurückziehen, und auch der Staatskapelle Dresden, die sich noch opportunistisch von ihm abzusetzen versuchte, hat der beschämende Akt nichts gebracht: Ab 2023 wird man in Salzburg wechselnde Orchester, Ballett, Jazz und die Toten Hosen erleben. Schade um das Geld, das für die Abfederung des Pensionsschocks des dann 73-jährigen Ex-Operndirektors Bachler vergeudet wird. Man hätte die Osterfestspiele schon nach dem Tod ihres Gründers Karajan stilllegen sollen. Diese Einsicht scheint sich jetzt durchgesetzt zu haben. Nur der Bachler'schen Abwicklungsmaßnahmen hätte es dafür nicht bedurft.

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