Der Künstler ist nicht das Werk

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Der österreichische Puppenmagier Nikolaus Habjan etabliert sich zügig als europäische Größe. Seine Kreationen werden am Burgtheater, am Zürcher Schauspielhaus, an der Bayerischen Staatsoper und - eine reizvolle Perspektive, da der dortige Intendant 2019 an die "Burg" wechselt - am Münchner Residenztheater geschätzt. Arbeitet er in alter Verbundenheit im heimatlichen Graz, reist ihm auch das deutsche Feuilleton hinterher. So wie im aktuellen Fall, der Uraufführung des Theatertextes "Böhm", den Habjan mit Paulus Hochgatterer konzipiert hat. Böhm, Karl, geboren 1894 in Graz, war Wiens letzter Operndirektor im Nazi-Reich und nach dessen Zusammenbruch sein eigener Nachfolger: ein seltener Fall bruchlosen Übergangs, während andere - etwa Furtwängler oder Oswald Kabasta, der 1946 mangels beruflicher Perspektive Selbstmord beging -ihre Verstrickungen büßten. Nach Habjans triumphaler Premiere, so las man in einem deutschen Eleganzblatt, sei Böhm nun vom Sockel gestoßen. Das aber stelle ich in Abrede: Ich habe Böhm noch erlebt und mehr als jeden anderen Dirigenten bewundert. Sein Mozart überdauerte alle Stildiktate, "Elektra" oder "Frau ohne Schatten" hat ihm keiner nachdirigiert, seine "Meistersinger" sind ein Wunder an ironischer Distanz. Auch Wagner, Goethe, Richard Strauss, Ernst Jünger waren zweifelhafte Charaktere. Aber nur Dilettanten verwechseln den Künstler mit seinem Werk.

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