Ausgeflötet im
Olymp der Klassik-Welt

Neues von den Wiener Philharmonikern: Wie eine erstklassige Soloflötistin ihre Stelle verlor - und weshalb man diesen Vorgang zumindest kurz diskutieren sollte

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Das Selbstverwaltungsmodell der Philharmoniker ist ein weltweites Unikum. Kein hauptberuflicher Manager lenkt die Geschicke des Elite-Klangkörpers, sondern (derzeit sehr gut in der Gestalt des Geigers Daniel Froschauer) ein Musiker. Auch die millionenschweren Umsätze pilotiert ein Orchestermitglied (gleichfalls ohne Tadel: der Kontrabassist Michael Bladerer) durch die Unberechenbarkeiten der Wirtschaftswelt. Anders in der Staatsoper, wo die Philharmoniker an 300 Tagen jährlich das Wirken von Repertoiredirigenten in Schach halten.

Sie sind da als Staatsopernorchester dem Dienstgeber Staatsoper unterstellt, agieren aber auch dort in größtmöglicher Autonomie. Wer Philharmoniker werden will, muss erst auf dem Weg eines strengen Ausleseverfahrens ins Staatsopernorchester aufgenommen werden. Vorgespielt wird anonym hinter einem Vorhang, und in der Kommission sitzen außer dem Operndirektor nur noch Orchestermitglieder, seit sich Franz Welser-Möst vor vier Jahren grollend aus dem Amt des Generalmusikdirektors verabschiedet hat. Diese Kommission tritt auch zusammen, wenn nach zwei Jahren über den Verbleib des Aufgenommenen im Staatsopernorchester - mithin auch über seine Aussichten, Mitglied des Vereins Wiener Philharmoniker zu werden - entschieden wird. Und da ist in diesen Wochen etwas zumindest sorgenvoll Diskutierbares geschehen: Die Soloflötistin Silvia Careddu wurde nicht im Amt verlängert, und den Ausschlag gab eine einzige Stimme. Nun muss man wissen, dass die heute 41-jährige Musikerin zuvor bei den Wiener Symphonikern als Soloflötistin gewirkt hat. Im engeren Umkreis der Oper hört man: Die gebürtige Italienerin habe sich mit dem Umstieg zu den Philharmonikern einen Lebenstraum erfüllt. Tatsächlich wurde sie noch anlässlich des Neujahrskonzerts von Christian Thielemann auf offenem Podium akklamiert, und von einem Konzert unter Alain Altinoglu werden Flötenwunder berichtet.

Man muss sich das vergegenwärtigen: Eine Spitzenmusikerin, in ungefährdeter Stellung bei einem Spitzenorchester, gewinnt gegen erhebliche Konkurrenz ein Probespiel, wird daraufhin abgeworben und zwei Jahre später um die Existenz gebracht. Allerdings nur theoretisch: Das renommierte Orchestra del Maggio Musicale in Florenz unterbreitete der Kollegin soeben via "La Stampa" ein feuriges Angebot.

Silvia Careddu will sich bis zu ihrem Ausscheiden im Sommer nicht zur Causa erklären. Auch die Philharmoniker üben sich offiziell wie inoffiziell in Schweigsamkeit und verweisen auf den Operndirektor als Arbeitgeber. Dominique Meyer bedauert gegenüber News persönlich die Entwicklung, steht aber (selbstverständlich) hinter der Entscheidung der Kommission.

Aber aus den Kellern und Gängen der Staatsoper dringt doch mehr. In einer kleinen Gruppe wie den (derzeit exzellent besetzten) Flöten gibt es immer Rivalitäten und Begehrlichkeiten, die in erster Linie das Amt des Solisten betreffen. Entsprechend groß war manche Enttäuschung, als nach der Pensionierung Dieter Flurys eine auswärtige Kraft - noch dazu ohne Rückhalt in einer internen Seilschaft - das anonyme Probespiel für sich entschied. Nun amtieren in der Kommission die Stimmführer des Orchesters, und gegen Silvia Careddu votierten in erster Linie solche, die schon ge0graphisch am anderen Ende des Orchestergrabens logieren und mit der Flöte wenig Partiturverbindung pflegen. Stärksten Einfluss nimmt natürlich die eigene Instrumentengruppe. Speziell hier wäre es begrüßenswert, wenn sich ausgewiesene Konkurrenten aus dem Entscheidungsvorgang zurückzögen. Ist das Ergebnis dann auch noch dermaßen eng, sollte das Verfahren eventuell nochmals aufgerollt werden. Meine zumindest ich als Laie ohne Innensicht.

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