Volle Kraft für die Oper

Bogdan Rošcic bringt Philippe Jordan als Musikchef der Staatsoper

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

So haben es Menschen mit Durchblick vom designierten Staatsoperndirektor Bogdan Rošcic erwartet: Als erste Personalie seiner 2020 beginnenden Intendanz ernannte er den Schweizer Dirigenten Philippe Jordan - mit seinen 42 Jahren innerhalb der Weltliga ein Junior - zum Musikdirektor. Das hat seine Folgerichtigkeit. Nach 14 Jahren an der Spitze der bedeutendsten Klassik-Labels der Welt - DG, Decca, derzeit Sony Classical - brauchte Bogdan Rošcic nicht lang, um zu erkennen, dass die Staatsoper ein gefährliches Defizit kultiviert: Seit dem unfreundlichen Abgang des Generalmusikdirektors Franz Welser-Möst vor drei Jahren entwickelt sich das musikalische Niveau ins Beiläufige und Durchschnittliche. Damit greift man die Substanz an, denn das Atout der Staatsoper ist die tägliche Präsenz der Wiener Philharmoniker. Die aber brauchen im Übermaß ihrer Verpflichtungen eine kontinuierlich auf Höchststandard arbeitende Verbindungsstelle zur Oper: einen Mitgestalter auf Augenhöhe.

Jordan ist dafür die Idealbesetzung. Er brachte die Pariser Oper als Musikdirektor auf bedeutende musikalische Höhe, ist Wien als amtierender Chefdirigent der Symphoniker verbunden, verantwortete soeben exquisite "Meistersinger“ in Bayreuth - und ist vor allem entschlossen, in der Oper Führungsaufgaben zu übernehmen. Mehr noch: Er wird, wie Rošcic bekannt gab, "als Mitglied der Direktion den gesamten musikalischen Bereich des Hauses leiten und strukturell mitgestalten“. Dass Welser-Möst all das beim Amtsinhaber Dominique Meyer nicht sein durfte, führte letztlich zum Bruch.

Meyer leistet gute Arbeit. Doch dass anno 2020, nach zehn Jahren, ein neuer Blick auf das Ganze nicht verfrüht wäre, wird nur von Meyer-Enthusiasten mit begrenzter Wahrnehmung bezweifelt.

Nun aber scheint es, als geriete die anzustrebende Erneuerung wieder in Gefahr. Branchenweit geht ein realistisches Szenario um: Die amtierende Opernball-Chefin Maria Großbauer, Gattin des soeben nach kurzen drei Jahren vom Orchester abgewählten Philharmonikervorstands, ist als Kulturinstanz prominenter Bestandteil der chancenreichen "Liste Kurz“. Gemahl Andreas Großbauer wiederum setzte sich mit auffallender Leidenschaft für Meyers Vertragsverlängerung ein. Entsprechend schattiert war nach dem bald danach erfolgten Opernball-Avancement seiner Gattin die Optik.

Nun steht Maria Großbauer in ernsten Aussichten, nach der Wahl das Kunstministerium zu übernehmen. Rošcic wiederum wird wegen eines angeblichen Plagiats innerhalb seiner Dissertation bedrängt - die Universität prüft. Es besteht kein strafrechtlicher Tatbestand, und vom Operndirektor wird kein akademischer Grad gefordert.

Doch dass die neue Kunstministerin Rošcic zum Rücktritt drängen und ihren Gönner Meyer zum Verbleib als Krisenterminator bewegen könnte, wird zumindest nicht ausgeschlossen. Maria Großbauer antwortet auf Anfrage beredt lapidar: "Bogdan Rošcic ist im vergangenen Dezember von Kulturminister Thomas Drozda als Staatsoperndirektor designiert worden. Was seine Dissertation betrifft, wird derzeit seine Arbeit geprüft und analysiert. An allen anderen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Jetzt gilt es, den Bericht abzuwarten.“

Dass man dann zwar einen verdienten Operndirektor gehalten, aber einen weltformatigen Musikchef verloren hätte, ist die andere Sicht der Dinge.