Schlechte Zeiten für die Kulturpolitik

Sollte der Wiener SP-Politiker Peter Hanke neuer Kunstvizekanzler werden, könnte das hilfreich sein. Denn die Kulturpolitik hat personell schon stärkere Zeiten erlebt. Im Burgenland werkt sie ruinös.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Mitentscheidungsbefugte Menschen aus meinem Bekanntenkreis werden in ihren Prognosen zusehends konkreter: Die Regierungsbeteiligung der Grünen übersteht den Herbst nicht, worauf, mit dem Wiener SP-Finanzstadtrat Peter Hanke als Vizekanzler, die Große Koalition ihr über Jahrzehnte erprobtes Werk wiederaufnimmt. Das horrible Resultat des roten Parteitags samt Massenflucht der Delegierten sei folgerichtig Kalkül und nicht Taktik gewesen. Auf diese Weise verhinderte man unter anderem zwei Abstimmungen über Anträge der Vorsitzenden: mit der ÖVP keine Koalition einzugehen und (ein anderwärts erprobter Albtraum) die Parteispitze basisdemokratisch wählen zu lassen.

Als Ressort-Autist, der dem Wirken des Kunstvizekanzlers Kogler reserviert gegenübersteht, blicke ich somit etwas hoffnungsfroher in die nähere Zukunft. Und zwar mit der zögernd vorgetragenen Prämisse, dass die von der SPÖ zu den Grünen konvertierte Staatssekretärin Andrea Mayer im Amt und weiterhin dem Vizekanzler verpflichtet bleiben möge. Denn zwar hat das Kunststaatssekretariat während der Pandemie keine dröhnenden Existenznachweise erbracht. Auch hat es die skandalösen Theaterschließungen gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse maximal gedämpft bis zur Unhörbarkeit beeinsprucht.

Aber ohne Rückhalt in einer übergreifend bildungsfernen Koalition hat ein Staatssekretär nicht viel zu wünschen. Und Hanke, der als Geschäftsführer der Wien Holding für die Vereinigten Bühnen, die Stadthalle und das Mozart-Haus verantwortlich war, ist ein unbestrittener Kulturmensch. Er gehört damit einer zusehends verschwindenden Minderheit an. Denn wo die Parteien ihre kulturellen Reserven sonst noch verborgen halten mögen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Josef Ostermayer und Thomas Drozda, die keine üblen Kunstminister waren, haben die Politik verlassen. Drozdas Nachfolgerin als rote Kultursprecherin ist Gabriele Heinisch-Hosek, die schlechteste Unterrichtsministerin der vergangenen Jahrzehnte. Sie fügt sich damit harmonisch ins Duett mit der emeritierten Ballprinzessin Großbauer, die das Amt für die ÖVP verrichtet.

Im Gegensatz zu ihnen ist der Wiener Kulturstadträtin Kaup-Hasler Sachkunde nicht abzusprechen. Aber so wie sie die (kaum noch vom Tanzfestival unterscheidbaren) Festwochen und das Volkstheater einem nicht mehr frischen Zwangsavantgardismus unterworfen hat, wüsste ich das kulturelle Ganze ungern in ihrer Hand.

Für das Volkstheater wäre übrigens idealerweise Maria Happel zur Verfügung gestanden. Sie übernimmt dafür die Festspiele von Reichenau und ist dort an der richtigen Adresse. Dennoch stehe ich nicht an, den Festspielgründern Loidolt meinen Respekt zu bekunden. Beide sind unangenehme Zeitgenossen, die aber Maßgebliches in die Einöde gestellt haben. Der Rechnungshof, den man ihnen in offenbar intriganter Absicht auf den Hals geschickt hat, dürfte ihnen mit kunstfernen Absurditäten zu Leibe gerückt sein. Über diesen bürokratischen Fachdilettantismus haben sich schon Claus Peymann, Gerard Mortier und Helmuth Lohner ereifert. Womit im Fall Reichenau einer absurd überbesetzten Tradition die zweifelhafte Ehre erwiesen wurde.

Was Kulturpolitik im Idealfall vermag, hat uns Erwin Pröll gelehrt. Was umgekehrt eine parvenuhaft ihrer selbst gewisse Kulturpolitik anrichten kann, studiert man gerade schreckerstarrt im Burgenland. Nicht genug, dass die renommierten Haydn-Tage Vergangenheit waren, kaum dass Hans Peter Doskozils burgenländische Zukunft begonnen hatte, bahnt sich nun auch in Mörbisch Verhängnisvolles an. Um Missverständnisse auszuschließen: Der von Doskozil zum Herrn über Mörbisch und das Festspiel von Jennersorf ernannte "Generalintendant" Alfons Haider ist ein guter Künstler und ein feiner Mensch. Aber in Opern-und Operettenbelangen ist er so kundig wie ich im Kickboxen. Und dass für ihn der noch ein Jahr an Mörbisch gebundene Opernsänger und Hochschulprofessor Peter Edelmann proletenhaft aus dem Amt gemobbt wird, sollte sich Haider um seiner selbst willen verbitten. In Mörbisch wird übrigens nächstes Jahr statt der "Lustigen Witwe" ein Musical gespielt. Man wolle sich endlich der Operette entledigen, hatte Doskozil aufatmend zu verstehen gegeben. Nun kann ich (ohne dieser Berufsgruppe pauschal nahetreten zu wollen) verstehen, dass für manches Gendarmenohr "Der König und ich" die lindere Variante ist. Aber dass die Operette an der Komischen Oper Berlin gerade von jungem Publikum überrannt wird und dass Lotte de Beer ihre Volksopern-Intendanz mit vier Operettenpremieren zu eröffnen gedenkt: Das darf ich schon bemerken und bei dieser Gelegenheit auch mein Unverständnis über das Plattmachen der europäischen Operettenhauptgemeinde Mörbisch deponieren.

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