"Pirat" Pantani wurde Opfer einer tiefen Depression

Nach Dopingvorwürfen immer tiefer in Krisen geschlittert Luttenberger erinnert sich den an Ex-Teamkollegen

Der Tod von Marco Pantani hat das Ausmaß der menschlichen Tragödie um den italienischen Radstar erst offenbart. Der 34-Jährige, der in einem Zimmer des Hotels "Le Rose" in Rimini tot aufgefunden worden war, litt schon seit Jahren an einer tiefen Depression. Der "Pirat", wie ihn seine Fans nannten, war ab Juni 1999 in den Sog einer persönlichen und beruflichen Krise geraten - schwere Dopingvorwürfe und mehrere Gerichtsverfahren hatten die Karriere des Giro- und Tour de France-Siegers von 1998 zerstört.

"Das Leben hatte er schon früher verloren", schrieb am Sonntag die Zeitung "Corriere della Sera" und nahm Bezug auf den Giro d'Italia 1999, bei dem der vor dem Gesamtsieg stehende Pantani vor der vorletzten Etappe wegen eines zu hoher Hämatokritwertes, der ein möglicher Hinweis auf EPO-Doping ist, disqualifiziert worden war. Bei der Tour de France 2000 feierte der damalige Liebling der Tifosi, dessen Markenzeichen die unbändige Angriffslust in den Bergen war, mit zwei Etappensiegen seine letzten großen Erfolge.

Doch dieser Triumphe durfte er sich nicht lange freuen. Im Oktober 2000 begann in Forli ein Doping-Prozess wegen Sportbetrugs (1995 war nach einem Rennunfall ein sehr hoher Hämatokritwert festgestellt worden), der für Pantani mit einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung endete. Vergebens versuchte Pantani sich danach aufzuraffen, Comeback-Versuche blieben aber Stückwerk. "Es war in den letzten Jahren oft so, dass er auf einer Startliste gestanden ist, aber kurzfristig abgesagt hat", sagte Peter Luttenberger, der seine Profikarriere an der Seite Pantanis im Carrera-Team begonnen hat.

Beruhigungsmittel fürs harte Training
Irgendwann begann der Radprofi aus Cesenatico massiv Beruhigungsmittel einzunehmen, immer seltener konnte er sich zum harten Training motivieren. Im Juni 2002 verurteilte ihn die Disziplinarkommission des italienischen Radsport-Verbandes zu einer achtmonatigen Sperre wegen Dopings, weil während des Giro 2001 in seinem Hotelzimmer Spritzen mit Insulinspuren gefunden worden waren. Die Strafe wurde wieder aufgehoben, doch Pantani erholte sich nicht mehr - der 14. Gesamtrang im Giro 2003 war das letzte sportliche Aufflackern nach einer großen Karriere.

Luttenberger erinnert sich an Pantani
Luttenberger hatte Pantani zu dessen Glanzzeiten als "Lebemann" kennen gelernt. "Er war viel auf Parties, viel mit Freunden unterwegs", erinnert sich der Steirer, der Jahre später auch um die depressiven Phasen Pantanis wusste. Die ständigen Investigationen wegen Sportbetrugs hätten dem Italiener arg zu schaffen gemacht, sagt Luttenberger. "Alles ist über die Medien ausgetragen worden. Obwohl nie Doping bewiesen werden konnte, sind die Untersuchungen immer weitergegangen, auch über die Gesetze hinaus. Da wollten sich Kommissare wohl Medienpräsenz sichern", erklärte der frühere Tour de Suisse-Sieger und sprach wie viele frühere Kollegen Pantanis von einer Tragödie.

Ein Opfer der Justiz
Eddy Merckx ging in seinen Aussagen einen Schritt weiter als Luttenberger. "Pantani hat sicher Fehler gemacht. Aber er ist die Beute der italienischen Justiz geworden, die ihn nicht mehr losgelassen hat. Das hat ihn völlig zerstört", erklärte das belgische Radsport-Idol.

Pantanis Zustand verschlechterte sich Mitte 2003, im Juni verbrachte er einige Wochen in einer Nervenheilanstalt in der Villa Teolo (Veneto), wo er Gerüchten nach nicht nur wegen Depression, sondern auch wegen Drogenkonsum behandelt wurde. Im September wurde er mangels sportlicher Perspektive von seinem Arbeitgeber, dem Team Mercatone Uno, suspendiert.

"Ich habe mein Rad immer bei mir, aber den Radsportler Pantani kann man vergessen", betonte Pantani, der stark zugenommen hatte, im Herbst gegenüber einer Lokalzeitung seiner Heimat. Auch der Freispruch vom Verdacht der Verletzung der Anti-Doping-Gesetze und des Sport-Betrugs im Oktober vor einem Gericht in der norditalienischen Stadt Tione bewirkte keinen Umschwung im Leben des einstigen Lieblings der Massen im radsportverrückten Italien.

Tomba trauert um einen Freund
"Ich wäre schon froh, wenn Pantani sich wiederfinden würde. Er hat einen Neubeginn versucht, ist dann aber in eine noch dunklere Krise geschlittert", sagte Romano Cenni, der Teambesitzer von Mercatone Uno und langjährige Freund des Radstars vor einigen Monaten. Freunde hatten vergeblich versucht, an ihn heranzukommen. "Er war gerade in dem Moment allein, in dem er Hilfe am dringendsten gebraucht hätte", sagte der tief betroffene Alberto Tomba.

(apa/red)