"Man"

Man könne von 150 Euro im Monat leben, "wenn man die Wohnung auch noch bekommt", sagte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Wer ist "man"?

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Man könne von 150 Euro im Monat leben, "wenn man die Wohnung auch noch bekommt", sagte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein kürzlich in einem Interview. Mit "man" meint sie offensichtlich nicht sich selbst: Die Ministerin verdient im Monat 17.511 Euro - an einem Tag also fast vier Mal so viel, wie andere in einem Monat brauchen sollen. Seit Tagen wird mit einer absurden Ernsthaftigkeit öffentlich herumgerechnet, ob das geht, mit 150 Euro im Monat auszukommen. Mehrfach wurden in Medienberichten die Berechnungen der Schuldnerberatung zitiert, die in einem Budgetbeispiel davon ausgehen, dass eine Person monatlich 1.416 Euro zum Leben braucht. Rechnet man die Wohnkosten weg, bleiben 834 Euro. 354 für Nahrungsmittel (inklusive Snacks), 38 Euro für Körperpflege und Reinigungsmittel, 130 Euro für soziale und kulturelle Teilhabe usw. Die Schuldnerberatung meint es gut mit den Menschen. Viele, die sich jetzt als Rechen-und Überlebenskünstler aufspielen, nicht. 38 Euro für Körperpflege, muss das wirklich sein? Beim Einkaufen muss man halt auf Sonderangebote schauen, und Obst und Gemüse müssen ja auch nicht unbedingt sein.

Die Antwort auf die 150-Euro-Frage ist ganz einfach: Nein! Natürlich nicht! Und das weiß auch die Sozialministerin, selbst wenn sie sich wahrscheinlich nicht genau überlegt hat, wie viele Kilo Billignudeln man für 150 Euro kriegt und in welchem Discounter das Stück Seife am wenigsten kostet.

Die eigentliche Botschaft, die Hartinger-Klein verbreitet, lautet: Es gibt Menschen in diesem Land, die es nicht verdient haben, menschenwürdig zu leben. Egal, ob mit 150, 200 oder 300 Euro im Monat. Während wir für uns einen gewissen Lebensstandard als selbstverständlich voraussetzen, gibt es andere, denen ein Leben in bitterster Armut zuzumuten ist.

Die Konsequenz der Fantasiezahl der Ministerin wäre: keine Hygieneprodukte oder Kleider kaufen. Keine Zeitung, kein Fernsehen, kein Kino konsumieren, kein Handy und kein Haustier haben. Von Zigaretten oder Alkohol ganz zu schweigen. Gerade nicht verhungern halt.

Viele Beobachter werten Hartinger- Kleins 150-Euro-Aussage als weiteren Fauxpas, als neuerlichen Ausfall der notorischen Fettnäpfchen-Ministerin, und spekulieren über ihren Abgang. Hartinger weg, alles gut? Für die Regierungskommunikatoren wahrscheinlich ja. Aber in der Sache wird sich nichts ändern. Es geht nicht um die 150 Euro. Es geht nicht um Beate Hartinger- Klein. Es geht um die beklemmende Ideologie, die die Ministerin mit ihrer Aussage preisgegeben hat. Und um die Gedanken, die seit einigen Tagen in unseren Köpfen arbeiten: Wenn "man" will, kann "man" sicher günstiger leben. "Man". Die. Nicht wir.

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Kommentare

evaluator

"Man", das sind DIE, nicht wir. Damit ist eigentlich alles über rechtspopulistische Politik gesagt

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