Transparenz schafft Glaubwürdigkeit

Medien leiden an Vertrauensverlust. Um Glaubwürdigkeit (zurück)zugewinnen, braucht es vor allem journalistische Schritte. Eine Grundlage dafür ist aber Offenheit in eigener Sache: Eigentümerschaft, Weltbild und Absicht sind klar zu deklarieren

von Medien & Menschen - Transparenz schafft Glaubwürdigkeit © Bild: Gleissfoto

Die staubtrockene Nachricht für Börsianer liest sich so: MFE hat seinen direkten Aktienanteil an P7S1 auf 26,58 Prozent erhöht. Etwas Licht in dieses Dunkel bringt die Erklärung, dass MFE MediaForEurope und P7S1 ProSiebenSat. 1 abkürzt. Eine weitere Ausleuchtung, wie über Derivate bereits 28,87 Prozent gehalten werden, was in der Hauptversammlung - ohne Stimmrecht für unternehmenseigene Anteile - noch mehr Gewicht bedeutet, verwirrt hingegen wegen Details. Also ist es besser, zu vereinfachen: Das Familienunternehmen von Silvio Berlusconi - CEO ist Sohn Pier Silvio - will Europas zweitgrößten TV-Konzern kontrollieren, dem auch Österreichs stärkste Privatsendergruppe mit Puls 4 und ATV gehört. In Anbetracht der Biografie von Italiens greisem Ex-Premier wirkt das als Bedrohung der Demokratie. Was Bayerns Ministerpräsident Markus Söder alarmiert, wird von Österreichs Politik ignoriert.

Unterdessen ist vollkommen unklar, wohin sich der stärkste einzelne ORF-Herausforderer ServusTV nach dem Tode seines Gründers, Red Bull-Macher Dietrich Mateschitz, entwickelt. Sein Sohn Mark Mateschitz hat offenbar nur die Anteile, aber nicht das wahre Sagen geerbt. Die knappe Mehrheit des Konzerns gehört einer thailändischen Unternehmerfamilie. Ein Spiegelbild dieser Unsicherheit ist oe24.tv bzw. die dahinter steckende Mediengruppe Österreich, wo Wolfgang Fellner und sein Bruder Helmut die Geschicke an ihre Kinder Niki und Alexandra übergeben. Ticken die beiden wie die Väter?

Diese Frage stellt(e) sich bei jedem Generationswechsel in Österreichs Mediendynastien. Sie vollziehen sich in Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich und Wien bei den Verlegerfamilien Russ, Dasch, Cuturi und Bronner innerhalb eines langen Zeitraums in von außen kaum einsichtiger Verantwortungsverschiebung. Ungeachtet aller Redaktionsstatute und journalistischer Unabhängigkeit ist die inhaltliche Kontinuität ihrer Produkte ebenso personenabhängig wie bei Fernsehsendern. Aber es gibt zumindest ein minimales Hilfsmittel fürs Publikum, um zu erahnen, wie der Hase läuft: Impressum sowie Offenlegung der Besitzverhältnisse und Blattlinie von Zeitungen.

Die Art, wie diese gesetzlichen Pflichten erfüllt werden, wirkt dann zwar verwirrend bis nichtssagend, aber das Ganze ist ein Fingerzeig, wohin die Reise gehen muss: Transparenz in eigener Sache ist der erste und dadurch grundlegende sowie wichtigste Schritt, um Vertrauen zu erlangen bzw. wiederzugewinnen. Das gilt nicht nur für die Angebote aus öffentlich-rechtlichen Häusern mit parteipolitisch besetzten Aufsichtsgremien. Wenn private Medienunternehmen sich scheuen, Besitzverhältnisse und prinzipielle Absichten deutlich zu deklarieren, verpassen sie die Basis-Chance auf Glaubwürdigkeit.

In freien bis sozialen Marktwirtschaften ist nichts daran auszusetzen, dass sich hier von Mateschitz bis Berlusconi oder in den USA von Amazon-Eigner Jeff Bezos (Besitzer der "Washington Post") bis Telekom-Milliardär Carlos Slim (A1-Mehrheitsgesellschafter und Großaktionär der "New York Times") Medien-Spielbeine zulegen. Doch es sollte immer ganz klar sein, wie viel Einfluss sie auf die Inhalte nehmen können und wofür solch meinungsbildende Produkte stehen. Diese Form der Transparenz in eigener Sache ist global bis lokal unterentwickelt. Hier könnten und müssten die Gesetzgeber ansetzen, um die Kontrollfunktion von Medien in Demokratien zu bewahren und zu stärken.

Solche Vorschläge gelten vielen Experten als naiv, praxisfern und undurchführbar. Dennoch sei hier gefragt, was Österreich und die Europäische Union daran hindert, einen verpflichtenden Raster zur Selbsteinordnung für Informationsträger zu entwickeln. Die Erstellung einer solchen Matrix, die einerseits einfach genug fürs allgemeine Verständnis und andererseits ausreichend detailliert für echte Aussagekraft ist, sollte wahrlich keine Hexerei sein. Sie gegen jene Lobbys durchzusetzen, denen die Verschleierung von wirklichen Verhältnissen ein Anliegen ist, dürfte hingegen geradezu Zauberkunst benötigen. Ein Ausweg aus diesem Zwiespalt von Anspruch und Wirklichkeit wäre das freiwillige Vorpreschen all jener Medien, deren Hauptinteresse die eigene Glaubwürdigkeit ist. Dadurch sollte es sich von selbst verstehen, dass sie nichts über sich zu verbergen haben.