Made in Italy - aber genäht
von chinesischen Arbeitern

4 "Made in"-Fakten, die Sie überraschen könnten

Mitten in Europa, in der italienischen Stadt Prato, herrschen Arbeitsbedingungen wie in Bangladesch und das in chinesischen Fabriken. Das klingt verwirrend? Dabei ist die traurige Wahrheit ganz simpel.

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Textilindustrie - Made in Italy - aber genäht
von chinesischen Arbeitern

1. "Made in Italy"

Die italienische Stadt Prato hat als Textilhochburg eine historische Tradition. In den 1980ern hat sich das Bild der Stadt allerdings drastisch zu verändern begonnen: Zahlreiche chinesische Migranten haben sich dort niedergelassen und nach und nach Textilfabriken aufgekauft. Rund 4.000 Textilfabriken sollen mittlerweile in Prato in chinesischer Hand sein. Sie haben die italienischen Hersteller verdrängt.

Hier liegt Prato:

Tausende chinesische Arbeiter - viele davon halten sich illegal in Italien auf - nähen in diesen Fabriken rund um die Uhr Billigkleidung und das für Billiglöhne. Die Sicherheitsstandards sind oft mangelhaft. Im Dezember 2013 sind in einer solchen Textilfabrik sieben Menschen durch einen Brand ums Leben gekommen. Drei Verantwortliche wurden dafür 2014 zu Strafen von bis zu acht Jahren Haft verurteilt. Aufgehalten hat dieser Vorfall die "Made in China"-Produktion mitten in der Toskana nicht. Die Behörden sind angesichts der hohen Rate an Fabriksöffnungen und -schließungen nahezu machtlos. Somit darf die Billig-Ware aus Prato weiterhin das Label "Made in Italy" tragen, auch wenn sie eigentlich aus einer chinesischen Nähmaschine stammt.

2. "Made in Europe"

"Made in China"-Produkte sind nicht mehr so billig wie man vielleicht denkt: Der BCG Global Manufacturing Cost-Competitiveness Index zeigt, dass eine Herstellung in China nur noch um 4 Prozent billiger ist als eine in Amerika. Und was vielleicht überraschender ist: Sogar in Europa gibt es Länder, die heutzutage billiger produzieren lassen beziehungsweise ihre Arbeitskräfte schlechter bezahlen als es in China der Fall ist.

Eine Untersuchung der NGO "Clean Clothes Kampagne" aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass die Arbeitsbedingungen beziehungsweise Löhne in osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Kroatien teilweise nicht besser sind als jene in China oder Indonesien. Viele der Textilarbeiter in diesen Ländern, die unter anderem für namhafte Marken produzieren, leben unter der Armutsgrenze und müssen einen zweiten Job annehmen um zu überleben.

3. "Made in India"

In Indien spielt ein etwas anderes Thema eine Rolle: die Missstände bei der Ledererzeugung. Laut Experten herrschen hier teils unerträgliche Arbeitsbedingungen. Bereits 2012 wies der Verein für Konsumenteninformation in seinem Magazin auf einen der "schmutzigsten Industriezweigen der Welt" hin. "Zu 80 bis 85 Prozent wird noch immer mit Chrom gegerbt, obwohl es weniger umweltschädliche Methoden gäbe", schrieb der VKI. Und rund 40 Prozent der Gerbereiarbeiter würden an Hautkrankheiten, Asthma oder anderen durch Chemikalien bedingten Krankheiten leiden.

In einer Studie der Kampagne "Change Your Shoes" aus dem Jahr 2016, die von den Organisationen "Südwind" und "Inkota" veröffentlicht wurde, ist erneut auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der indischen Schuh- und Lederproduktion hingewiesen worden. Die Arbeiter erzählten von Löhnen weit unter dem existenzsichernden Niveau, unfreiwilligen Überstunden, unzureichendem Schutz vor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken und Diskriminierung. Für die Studie wurden 232 Arbeiter aus vier verschiedenen Schuhfabriken befragt, darunter auch die 38-Jährige Kamakshi: Sie berichtete, "dass viele ArbeiterInnen durch das lange Stehen an Arthrose und Gelenkschmerzen leiden."

Zudem haben Tierschützer bereits öfters darauf hingewiesen, dass in Indien Tierquälerei in der Lederindustrie auf der Tagesordnung steht.

4. "Made in Myanmar"

Im Schatten der großen Produzenten wie Indien, Bangladesch und China befindet sich Myanmar, das gerne einmal übersehen wird, aber dennoch eine nicht unbedeutende Rolle in der Bekleidungsindustrie einnimmt. Mittlerweile haben laut der "Clean Clothes Kampagne" aufgrund der niedrigen Löhne sogar Fabrikbesitzer aus China und Südkorea ihre Produktion nach Myanmar verlagert.

Die Arbeiter, die auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Städte ziehen, leben dort meist in Slums ohne Strom oder fließendes Wasser, wie die NGO berichtet. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei nur 2,48 Euro am Tag. Laut einem Bericht des "Centre for Research on Multinational Corporations" (SOMO) ist auch Kinderarbeit gang und gäbe.