Werden LKW-Fahrer die ersten
Opfer der Automatisierung?

Selbstfahrende LKW könnten in Österreich theoretisch 70.000 Jobs in Gefahr bringen

Autonome PKW sind längst in aller Munde – von selbstfahrenden LKW hört man seltener. Dabei könnten sie einen noch massiveren Umbruch bedeuten und zehntausende Jobs gefährden. Gleich mehrere Firmen arbeiten mit rasanten Fortschritten daran, in Österreich gibt es bisher vier Teststrecken für die Robo-Laster. Die Wirtschaft zeigt sich gelassen.

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Zukunft - Werden LKW-Fahrer die ersten
Opfer der Automatisierung?

Tesla, Uber, die Google-Tochter Waymo, große Autohersteller wie Daimler, MAN oder Volvo: Fast alle in dem Bereich wichtigen Unternehmen arbeiten derzeit fieberhaft an der Entwicklung selbstfahrender LKW. Bei allen Ängsten vor den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmärkte der Zukunft – in der Transportbranche könnte es damit tatsächlich schon früh ernst werden. Denn die technischen Voraussetzungen für autonome Trucks sind weit gereift. Lasersensoren und Projektoren, die Hindernisse und den Oberflächenzustand erkennen, Kameras und Radargeräte, die die Umgebung analysieren, all das gibt es, wenn auch noch einige Fragen gelöst werden müssen. Experten schätzen, dass die selbstfahrenden Transporter in spätestens zehn Jahren marktreif sein werden.

Automatisierung spart 30 Prozent der Kosten

Der wichtigste Gewinner dieser Revolution wären die Transportunternehmen selbst. Einer Studie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers für den deutschen Markt zufolge würden die durchschnittlichen Betriebskosten eines LKW von 116.000 auf 83.000 Euro im Jahr, also um knapp 30 Prozent, sinken. Den Großteil davon macht das Gehalt des nicht mehr benötigten Fahrers aus, aber auch Treibstoff- und Zeitersparnisse aufgrund der effizienteren Routenführung durch den Computer werden erwartet. Die Fahrer selbst sehen damit einer ungewissen Zukunft entgegen. Allein in Österreich gibt es rund 70.000 Berufskraftfahrer. Müssen sie sich bald um einen neuen Job umsehen?

Wirtschaftsvertreter versuchen zu beruhigen. Stefan Ebner, stellvertretender Geschäftsführer der Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer, sieht in näherer Zukunft keinen großen Verlust von Arbeitsplätzen bevorstehen. Zunächst werde vor allem der Schulungsaufwand für Fahrer steigen, wie sich schon jetzt bei den immer neuen Assistenzsystemen zeige. Bereits sehr bald eine große Rolle spielen könnte aber das "Platooning". Darunter versteht man eine elektronisch miteinander verbundene Kolonne aus zwei, drei oder mehr Fahrzeugen, die sich automatisch immer am ersten LKW orientiert und den gleichen Abstand zueinander hält. So soll das Staupotential gesenkt und durch den geringeren Luftwiderstand der Treibstoffverbrauch reduziert werden.

Erst in 50 Jahren reif für den Stadtverkehr?

In einer ersten Phase werden auch selbstfahrende LKW nur mit einem Fahrer an Bord unterwegs sein, betonen Entwickler. Wie der Autopilot eines Flugzeugs würde der Computer zunächst nur die langen, monotonen Streckenabschnitte (etwa Autobahnen) übernehmen, und bei speziellen Gefahrensituationen wie einer Kreuzung an den menschlichen Fahrer übergeben. Bereits dadurch könnten die Laster deutlich längere Strecken an einem Tag zurücklegen, als es nun aufgrund der strengen Höchstfahrzeiten-Regelungen erlaubt ist. Auch das würde aber natürlich schon den Bedarf an Kraftfahrern reduzieren. Etwas sicherer sind die Jobs jener Fahrer, die vor allem auf kurzen Strecken unterwegs sind. Es wird länger dauern, bis die Computer auch den Stadt- und Zubringerverkehr perfekt meistern.

Den Zeitraum dafür schätzt Ebner auf "40, 50 oder gar 60 Jahre". Bis es soweit ist, werden Langstrecken-Fahrten vermutlich über ein sogenanntes Hub-System abgewickelt werden. Zwischen den Hubs in Großstädten und an Verkehrsknotenpunkten werden die LKW autonom fahren, nur die kurzen Strecken zwischen nächstgelegenem Hub und Abfahrts- bzw. Zielort müssen "händisch" bewerkstelligt werden. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass auch die auf derselben Strecke verkehrenden LKW verschiedener Firmen zu einem Platoon zusammengefasst werden können. Während der LKW autonom im Platoon unterwegs ist, können die Fahrer ihre vorgeschriebenen Pausen oder Ruhezeiten konsumieren.

In Österreich bisher noch nicht erlaubt

Derzeit fehle für das Platooning in Österreich aber noch die rechtliche Grundlage, erklärt Branchenvertreter Ebner. Für LKW sei auf Autobahnen ein Mindestabstand von 50 Metern vorgeschrieben, weshalb die Gefahr bestünde, dass ein PKW sich dazwischen einordne. Und vollautomatisches Fahren ist in Österreich derzeit überhaupt nur auf vier ausgewiesenen Teststrecken erlaubt. Auf einer Salzburger Strecke werden autonome Stadtbusse getestet (auch der Öffi-Verkehr könnte in Zukunft von Automatisierung betroffen sein), auf den anderen drei in der Steiermark und Oberösterreich verkehren bereits selbstfahrende LKW.