Mütterschicksal

Vergessen wir den Gender-Pay-Gap. Fangen wir ganz simpel beim "Gap" von Schulferien und Urlaubstagen an - und ziehen daraus zur Abwechslung mal die richtigen Schlüsse.

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Der Blick auf den Schulferien-Plan für das Jahr 2024 macht sicher: Da stimmt was nicht. Dabei startet das Jahr 2024 harmlos mit vier freien Schultagen. Damit sind die Winterferien vollzogen. Es folgen vier überschaubare Schulwochen mit viel Lernstoff und noch mehr Lernüberprüfungen, bevor sich das Land neuerlich in den Ferienmodus begibt: Semesterferien. Und so geht das munter bis Dezember weiter. In Summe kommt die Rechnung 2024 auf 66 Ferientage, die rein theoretisch - und ziemlich oft auch praktisch - mit den Arbeitstagen der in diesem System verhafteten dazugehörigen Eltern in Einklang gebracht werden müssen. Allein die neun Wochen Sommerferien bedeuten in der elterlichen Rechnung 44 Arbeitstage, die es "zu überbrücken", vor allem aber zu betreuen gilt. Dem steht freilich nur ein Bruchteil an kollektivvertraglich vorgesehenen Urlaubstagen gegenüber. Und ja, ich kenne die Gegenargumente: Das war schon immer so! Oder: Wer Kinder (übrigens künftige Steuerzahler) in die Welt setzt, muss sich dessen eben bewusst sein. Oder: Kinder brauchen diese Zeit zur Regeneration. Endgültige Gewissheit schafft der Vergleich. Vor allem jener Vergleich, der in Österreich hoch im Kurs steht - sich nämlich mit jenen Ländern zu vergleichen, wo es noch ärger zugeht. Und siehe da: Die Italiener haben noch viel mehr Ferientage. Also Ende der Diskussion. Das kann man so machen. Das hat man bis jetzt immer so gemacht. Wären da nicht die leidigen Themen wie Arbeitskräftemangel oder eine hohe Teilzeitquote bei Frauen hierzulande, die der Wirtschaft Sorgen bereiten. Hinzu kommt - als logische Folge - das miese Abschneiden von Österreich beim Geschlechtergleichstellungsindex oder beim Gender-Pay-Gap. Aktuell markiert der Equal Pay Day am 31. Oktober symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. An diesem Tag haben Männer das Einkommen erreicht, für das Frauen bis Jahresende arbeiten müssen. Immerhin: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich diese Differenz verbessert. Um einen Tag. Für die empirische Erforschung des Equal Pay Days bekam die US-Ökonomin Claudia Goldin heuer übrigens den Wirtschaftsnobelpreis. Die Einkommenslücke begründet sie damit, dass Mütter in Karenz gehen und unbezahlte Sorgearbeit (auch während der Schulferien) verrichten. Schlechtere Bezahlung allein aufgrund des Geschlechts und weil sich ganz im Gegensatz zur Mutterschaft eine Vaterschaft positiv auf das Einkommen auswirkt.

»66 Schulferientage müssen 2024 mit Arbeitstagen in Einklang gebracht werden«

Während wir also mal mehr oder minder leidenschaftlich über Sinn und Zweck von (Frauen-)Arbeit diskutieren - und am Ende sicherheitshalber alles so belassen, wie es gerade ist -, steht Island (gefolgt von Norwegen und Finnland) zum 14. Mal in Folge an der Spitze des weltweiten Geschlechtergleichstellungsindex des Weltwirtschaftsforums. Am Ziel sehen sich Islands Frauen deswegen noch lange nicht und haben daher vor Kurzem ihre bezahlte oder unbezahlte Arbeit für einen Tag niedergelegt. Die Folge: geschlossene Schulen, Geschäfte, Banken, Spitäler im Notbetrieb.

Österreich landet in diesem Ranking auf Platz 47. Die Antwort der Frauenministerin, die bei uns - typisch Frau eben - zugleich auch Integrations- und Medienministerin ist: Unverständnis über das Ergebnis und Zweifel an der Aussagekraft des Rankings. Aber immerhin haben wir jetzt, im Jahr 2023, den "Turbo" beim Ausbau der Kinderbetreuung angeworfen und erklären bei jeder Sonntagsrede den "Papamonat" als "wichtigen Schritt zu einer partnerschaftlichen Teilung der Kinderbetreuung". Ein Papamonat, der, wohlgemerkt, seit der Einführung im September 2019 immer noch Ausnahme, aber nicht die Regel ist. Damit werden wir ein paar Plätze im Ranking gutmachen. Ganz bestimmt. Bleibt das Gedankenspiel: Was würde wohl ein Streik bewirken?

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