Das wird man ja noch sagen dürfen!

In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse rund um das Internet überschlagen -drei Beispiele aus einer eiligen, unreflektierten Welt

von Leitartikel - Das wird man ja noch sagen dürfen! © Bild: Matt Observe

Da ließ ein gewisser Dominik Schrott ein Gewinnspiel im Wahlkampf veranstalten. Das Spiel wurde manipuliert, der Hauptpreis ging an ein Fake-Profil. Dem nicht genug. Schrott soll vor einem Jahr für den von ihm gegründeten Verein Tiroler Kinderwelt 24.000 Euro an Landesförderungen für die Erstellung einer App bekommen haben. Die App gibt es bis heute nicht. Grund genug, dass der ÖVP-Abgeordnete aus allen seinen Funktionen zurücktrat. Er war auch Chef der Jungen ÖVP in Tirol. Das war ein schwerer Schlag für Bundeskanzler Sebastian Kurz. Aber immerhin: Der Mann ist gegangen (worden).

Quereinsteiger machen der türkisen Bewegung derzeit das Leben schwer. Efgani Dönmez wurde blitzschnell aus der ÖVP-Riege geworfen, weil er einen sexistischen Tweet gegen die SPD-Politikerin Sawsan Chebli schrieb, der da lautet: "Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du eine Antwort" und dazu ein blödes Zwinker-Smiley. Der Spruch ist an Respektlosigkeit und Dummheit nicht zu überbieten. Dabei hatte sich Dönmez immer wieder gegen Zuwanderer und ihre verquere Einstellung gegenüber Frauen echauffiert. Dass er selbst auch nicht weiß, was sich gehört, ist in diesem Licht zu betrachten. Seine Entschuldigung kam spät und halbherzig. Und noch immer wartet man darauf, dass er sein Mandat zurücklegt.

Das jetzt zu verniedlichen und zu sagen, es war nach Mitternacht, und da können die Finger schon mal schneller tippen, ist genau der Punkt, den manch Social-Media-Junkie allzu oft vergisst. Hallo! Das ist alles öffentlich. Egal, wann man den Quatsch schreibt. Wenn jemand sich entschließt, in die Politik zu gehen, muss er Verantwortung übernehmen. Das heißt auch, nicht jeder emotionalen Aufregung nachzugeben.

Was früher an den Stammtischen besprochen wurde, muss heute bei manchen täglich, bei anderen stündlich raus. Hauptsache, man/frau kotzt sich öffentlich aus. Einmal drüber schlafen, wenn man besonders verärgert ist, würde nicht schaden. Am nächsten Tag sieht die Welt oft anders aus. Wenn die Erregung in aller Öffentlichkeit schon nicht eine Nacht Zeit hat, sollte man zumindest überlegen, bevor man schreibt. Besonders amüsant ist dann, wenn Hardcore-Twitteranten von Datenschutz und Privatsphäre plaudern, aber nur, wenn es um ihr eigenes Ego geht.

Ein dritter Fall, der mit der eiligen Twitterwelt zusammenhängt, ist Sigi Maurer. Dass die ehemalige Abgeordnete der Grünen jetzt angeklagt wird, weil sie sich über das Netz gegen eine unfassbar hässliche Männeranmache gewehrt hat, mit nicht zu beschreibenden sexistischen Kraftausdrücken, zeigt die verfälschte Wahrnehmung in unserer Gesellschaft. Jetzt klagt also der Täter das Opfer? Und das Opfer, Maurer, muss sich vom Anwalt öffentlich sagen lassen, warum sie die Straßenseite nicht wechselt, wenn sie angetrunkene Männer am Gehsteig sieht. Hallo? Ist das die neue Form des heimatlichen Machismus? Maurer scheute in der Vergangenheit wenig Peinliches, um sich Klicks im Netz zu verschaffen. Das mag man gutheißen oder ablehnen. Jetzt hat sie das Netz einmal gut genutzt -und wird gleich vorgeführt. Man wundert sich, was alles möglich ist. Gleichwohl bleibt die Erkenntnis: Achtung vor dem Twitter-Drang um jeden Preis!

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