Her mit den Hobbyköchen, aber flott

Wer über Fachkräftemangel jammert, muss seine Hausaufgaben machen. Erst recht, wenn man als Vorzeigeland im Tourismus gelten will

von Leitartikel - Her mit den Hobbyköchen, aber flott © Bild: News/ Matt Observe

Jetzt, wo wir schon mitten im Schlamassel stecken, könnten wir auch gleich kurzen Prozess machen. Ein Blick nach Shenzhen, in das Silicon Valley von China, kann dabei helfen. Hier gibt es nämlich Roboter. Viele Roboter. Auch solche, die servieren können, Cocktails mixen. Und natürlich kochen. Tausend Mal kocht so ein Roboter auf Anweisung eines Kochs ein Gericht. So lange, bis die Software so ist, wie das Gericht sein muss. Für ein feines Wiener Schnitzel sollte das allemal reichen. Netter Nebeneffekt für den Arbeitgeber: Diese kochenden Roboter werden nie müde. Sie raunzen nicht. Sie stellen keine Forderungen, fragen nicht nach der Auszahlung von Überstunden oder einer halbwegs hübschen Mitarbeiterwohnung. Nebeneffekt für den Gast: Das Schnitzel schmeckt immer gleich. Egal, wie es um Können, Ausbildung oder Laune des Kochs bestellt ist. Klingt gruselig? Ist es.

Wir haben es in der Hand, es anders zu machen. Sie wissen schon, mit echten Menschen und so. Die Frage ist, ob wir wollen. Oder ob die Protagonisten im Tourismusland Österreich nicht doch lieber auf die Devise "weiter so wie bisher" setzen. Schließlich hat das bis jetzt super funktioniert. Im Zweifel (und im Fall von heimischem Personalmangel) steckte man in der Vergangenheit den ungarischen Gastarbeiter in Lederhose bzw. Dirndl. Doch Pech gehabt: Weiter so wie bisher geht gerade nicht. Bis zu 30 Prozent haben der Branche den Rücken gekehrt. Also diskutieren wir über Zumutbarkeitsbestimmungen, Mobilität, Sanktionen beim Arbeitslosengeld und jede Menge Druck, Arbeitslose zu einem Job zu bewegen -insbesondere im Tourismus. Durchaus eine berechtigte Diskussion angesichts von mehr Arbeitslosen als offenen Stellen. Ob sie das gewünschte Ergebnis bringt, ist fraglich. Augenauswischerei trifft es eher. Die Diskussion zeigt zudem: Im Tourismus gerät gerade einiges ins Rutschen. Jetzt, da auch das Motto gilt: "Vermittlung vor Qualifizierung". Also her mit den Hobbyköchen für die professionelle Gastronomie. Und überhaupt: Ein bisschen Tellerschupfen, das wird ja wohl jeder auf die Reihe bekommen.

All jene jungen Leute, die sich gerade auf den Tourismusschulen des Landes und in den Lehrbetrieben für einen Job in der Branche bereit machen, dürften sich angesichts dieser mitschwingenden geringen Wertschätzung ihrer Ausbildung verwundert die Augen reiben. Eine Wertschätzung, die in dieser Branche schon immer überschaubar war. Die bei der Ausbildung (selbst renommierte Betriebe halten es nicht für nötig, Bewerbungsschreiben für Praktika zu beantworten) anfängt und bei den ewigen Wehklagen endet. Ob sich daran etwas ändert? Wohl kaum. Auch wenn wir gerade feststellen, dass uns die Facharbeiter fehlen, die wir übrigens im großen Stil, aber mit mäßigem Erfolg, wie die Abbruchquoten zeigen, ausbilden.

Ein Beispiel mit Symbolcharakter: Die Tourismusschule Modul der Wirtschaftskammer Wien zählt zu den renommiertesten Schulen für Gastronomie und Tourismus im Land -seit über 100 Jahren, heißt es auf der Homepage. Das Schulgebäude stammt aus dem Jahr 1975, die Ausstattung der Lehrküchen entspricht schon lange nicht mehr dem heutigen Stand. Schön, dass man im Jahr 2021 drauf ommt. 2023 ist Änderung in Sicht. Nein, kein Neubau. Der ist zu teuer. Die Tourismuselite des Landes wird künftig in einem Zubau am WKO-Campus am Gürtel unterrichtet. Es sind diese kleinen Puzzlesteine, die das Große und Ganze ergeben und zeigen, dass der Wille, es anders zu machen, nicht sonderlich groß ist. Erst recht jetzt, da offensichtlich jeder, der gerade keinen Job hat, im Tourismus arbeiten kann - und soll.

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