Gut, dass wir noch
mal geredet haben

Eine Gruppe von Volksschullehrerinnen will in Sachen Ziffernnoten zum Nachdenken anregen - und wird prompt ins Eck gestellt

von Leitartikel - Gut, dass wir noch
mal geredet haben © Bild: News/ Matt Observe

Er genießt. Und schweigt nicht. Und er bleibt seiner Linie treu. Gerade noch lausig auf Ibiza gescheitert, spielt Heinz-Christian Strache längst wieder das, was er am besten kann: die verfolgte Unschuld. Vier Monate nach seinem vollmundig zelebrierten Rückzug aus der Politik will der Ex-FPÖ-Chef eben diese einst steile Politkarriere jetzt wiederbeleben. Noch nicht mit aller Macht, sondern vorerst ganz dezent: mit schwarzem Rollkragenpulli, Autogrammen, dem Queen-Song "Don't Stop Me Now" - und mit drei Unterstützern. Aber auch mit einem ziemlich langweiligen, weil vorhersehbaren Drehbuch im Gepäck. Das sieht nämlich nicht schon jetzt, sondern erst am Aschermittwoch das große Finale -seine Wien-Kandidatur mit einer "Strache-Liste" - im Drehplan vor. Den roten Teppich dafür wird ihm einmal mehr die FPÖ-Abspaltung "DAÖ" ausrollen. Das alles reicht jedenfalls, um dieser Tage einen Spitzenplatz in der innerpolitischen Erregungsskala einzunehmen. Da muss sich eine Gruppe Volksschullehrerinnen (ich nehme mal an, Lehrer gibt es auch an dieser Volksschule nicht) schon ein bisschen mehr anstrengen. Dabei proben sie gerade den Widerstand gegen Obrigkeiten. Und das geht in Österreich bekanntlich gar nicht. Schon gar nicht in der Schulpolitik. Die Lehrerinnen der Lustenauer Volksschule Kirchdorf wehren sich nämlich gegen die Verordnung der einstigen türkis-blauen Regierung, ab der zweiten Klasse wieder verpflichtend Ziffernnoten im Jahreszeugnis einzuführen. Aus Protest gegen das verpflichtende Notensystem werden daher in den dritten Klassen im Semesterzeugnis in der kommenden Woche nur Zweier verteilt (ein österreichischer Mittelweg, schließlich hätten es genauso lauter Einser sein können ). Den Segen der betroffenen Eltern haben sie für diese Aktion; den vom Direktor auch. Letzterer musste deswegen zum Rapport und hätte rein theoretisch seinen Job verlieren können. Man wolle nicht destruktiv sein, sagt der Direktor, sondern noch einmal ein Nachdenken auslösen. Jetzt hat man sich mit der zuständigen Bildungsdirektion auf den gängigen Weg in solchen Sachen geeinigt: Dialog -und der wird (auch wieder in gewohnter Manier) im Sand verlaufen.

Dabei ist Nachdenken immer gut. Und löblich. Aber in der Schulpolitik, wo Ideologien mehr zählen als die Bedürfnisse von Kindern (und ja, auch von den dazugehörigen Eltern), bekanntlich verboten. Die Lehrerinnen, also die, die es wissen müssen, haben einen Kampf gegen Windmühlen aufgenommen. Und gegen Theoretiker, die auch im Jahr 2020 der Meinung sind, mit Standardisierung und Kontrolle (und Sitzenbleiben) Leistung erzeugen zu können. Und sie haben ihn schon wieder verloren, noch bevor irgendwas passiert ist. Applaus brandet dennoch auf -jedenfalls von jenen, die schon immer der Meinung sind, dass verbales Geschwurbel im Volksschulzeugnis nichts verloren hat. Schließlich leben wir in einer Leistungsgesellschaft, da müssen auch schon achtjährige Leistungsträger in spe liefern. Denen zu erklären, dass verbale Beurteilungen nichts mit pädagogischem Kuschelkurs zu tun haben, ist mühsam. Und vergeblich. Der Weg ist einzementiert. Aber gut, dass wir noch mal drüber geredet haben.

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