Geschichtsstunde,
mal wieder anders

von Leitartikel - Geschichtsstunde,
mal wieder anders © Bild: News/ Matt Observe

Auf diesen Satz mussten wir lange warten. Zu lange. Gelohnt hat sich die Warterei auf den Bericht der „Historikerkommission“ nicht. „Die FPÖ ist eine Partei wie nahezu jede andere“, befindet nämlich der Kopf der Kommission, Wilhelm Brauneder, bei der Präsentation des 32-seitigen „Rohberichts“ Anfang dieser Woche. Bemerkenswerter Nachsatz zu dem insgesamt 1.100-Seiten-Konvolut, das die Vergangenheit der Freiheitlichen beleuchten soll: „Plus, minus. Besonders heutzutage. Besonders durch die demokratische Legitimation …“ Wenn man sich nämlich heute die FPÖ anschaut, sei es nicht wichtig, sich besonders lange
und ausgiebig mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, so eine Argumentation. Na, dann. Augen zu und durch.

Einmal mehr lautet auch in dieser Woche die Botschaft an das Wahlvolk: „Weitergehen! Es gibt nichts zu sehen.“ Jetzt zumindest noch nicht. Vielleicht beim Endbericht, der irgendwann, irgendwie, irgendwo einmal präsentiert wird. Jedenfalls nach der Nationalratswahl im September. Schließlich muss bis dahin noch „endredigiert“ werden. Ach ja, ein „Gütesiegel“ aus Israel hätte man auch noch gerne. Das kann schon mal dauern. Zur Erinnerung: Ein bisschen in der Geschichte zurückleuchten wollte man bei der FPÖ ohnehin schon immer. Das Licht der Taschenlampe musste dann schließlich im Frühjahr 2018 im Zuge der NS-Liederbuch-Affäre in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer („Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“) notgedrungen angeknipst werden. Einmal mehr war man in der Partei mit einem Einzelfall konfrontiert – ein „Sorry“ und „Weiter so“ diesmal nur schwer argumentierbar.

»Für das Stammtischpublikum zählt, was oben draufsteht, und nicht, was drinnensteht«

Heinz-Christian Strache, damals noch FPÖ-Parteichef und Vizekanzler, wollte, nein, musste aufräumen und kündigte eine Historikerkommission an. Diese sollte die „braunen Flecken“ in der Partei aufarbeiten. Schonungslos. Selbstkritisch, tönte er damals. Nun ja, das Ziel wurde verfehlt. Ziemlich deutlich. Lagen die Erwartungen hoch? Vermutlich nicht. Für das Stammtischpublikum zählt ohnehin nur, was oben draufsteht, und nicht, was drinnensteht. Noch im Frühjahr versicherte Kommissionsleiter Brauneder via „Wiener Zeitung“, dass die Verstrickungen mit den Identitären ebenfalls untersucht werden („Man soll dem Thema nicht ausweichen“). Die Ernüchterung folgt. Nein, zu den Identitären könne man nichts berichten – „zu zeitnah, um etwas Historisches darüber zu sagen“. Und überhaupt: „Das besondere Profil der Partei ist einzig und allein auf die lange Zeit in der Opposition zurückzuführen.

Da spricht man eben eine andere Sprache als eine Regierungspartei …“ Verständnis, liebe Wähler! Und nicht so viel Kleinlichkeit, liebe Kritiker! Die Goldwaagen haben in Wahlkampfzeiten ohnehin ausgedient. Und an das Geschwätz von gestern erinnert sich maximal noch das Zeitungsarchiv. Keine Frage, Selbstkritik geht anders. Schonungslose Aufdeckung auch. Der Hinweis, man möge doch bitte das Gesamtbild der Partei sehen und nicht nur die „braunen Flecken“ herausstreichen, ist niedlich. Die Begründung ebenso: „Das erweckt im Ausland einen völlig falschen Eindruck!“ Die im Ausland haben längst verstanden. Die FPÖ noch lange nicht.

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