Genug geredet,
genug versprochen

Beratungsstellen für Opfer von Männergewalt sind finanziell am Anschlag und personell unterbesetzt. Das wissen wir. Nicht erst seit ein paar Tagen

von Leitartikel - Genug geredet,
genug versprochen
© Bild: News/ Matt Observe

Die Bestürzung war groß. Der darauffolgende Aktionismus noch ein bisschen größer. Es folgten eine Taskforce und ganz viele Ankündigungen: Strengere Strafen! Mehr Opferschutz! Mehr Frauensicherheit! Ach ja, eine neue, dreistellige Notrufnummer hatte man auch im Angebot. Und einen neuen Schwerpunkt für den Schulunterricht: Das Thema "Gewaltfreie Beziehung" sollte künftig im Ethikunterricht behandelt werden. Damals, als 2019 das "neue" Gewaltschutzpakt verabschiedet wurde. Damals, als das Jahr 2019 gerade einmal 15 Tage alt war und die Statistik bereits vier Frauenmorde zählte. Auch im Jahr 2021 müssen wir wieder über Gewaltschutz reden. Das Jahr zählt gerade vier Monate und bereits neun Frauenmorde. Also initiieren wir einmal mehr einen runden Tisch. Mal wieder wird ein bisschen Geld in Aussicht gestellt. Für richtig viel reicht es in der Regel bei bestimmten Personengruppen - darunter fallen ziemlich oft Frauen, Kinder und Jugendliche -nicht. Mal wieder wird eine Kampagne angekündigt. Mal wieder fallen die altbewährten Stehsätze, garniert mit ganz viel Betroffenheitsrhetorik. Mal wieder lautet die Devise: volle Härte des Gesetzes! Sicherheitsgipfel! Maßnahmenpaket! Garniert wird das alles mit einem Bekenntnis, das wir schon des Öfteren in der Vergangenheit gehört haben -und das sich in der Rückschau als sehr halbherzig herausgestellt hat: "Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist der gesamten Bundesregierung ein Anliegen!" Nein, an politischen Bekenntnissen fehlt es in Österreich wahrlich nicht. Vor allem, wenn es darum geht, Stimmungen abzuholen -und möglichst rasch wieder einzufangen. Erst recht, wenn der mutmaßliche Täter, der "Bierwirt", fast schon ein prominenter Verdächtiger ist. Einer, der sich bereits mit einer Politikerin der Regierungspartei vor Gericht getroffen hat und ein Wegducken also gerade nicht geht.

Gemessen wird die Regierung aber an Maßnahmen. Nicht an den Ankündigungen. Welche Maßnahmen es braucht, wissen jene, die seit jeher Opfer von Männergewalt betreuen. Sie wissen, dass eine Beraterin etwa in Wien jährlich 310 Opfer von häuslicher Gewalt betreut. Wozu also ein neuerlicher "Runder Tisch", um ebenso neuerlich Maßnahmen zu erörtern? Es liegt längst (und seit Jahren) auf dem Tisch, was es braucht bzw. wo es fehlt: Anti-Gewaltprogramme, Unterstützungsmaßnahmen bei Trennungen, Plätze in Frauenhäusern, mehr Beratungsstunden und Angebote für betroffene Kinder. Die Aufstockung von geschulten Polizistinnen, sogenannten Präventionsbeamtinnen, ist ein wichtiger, aber ein kleiner Schritt. Für die vielen anderen Puzzlesteine in der Gewaltprävention braucht es vor allem Geld. Geld, das der aktuellen Regierung beispielsweise bei Werbe-und PR-Ausgaben sehr locker in der Hand und jedenfalls deutlich, sehr deutlich, über dem Budget für das Frauenministerium liegt. Immerhin: Nach einer Nachdenkpause von 24 Stunden hat am Dienstag der Bundeskanzler hier noch mal nachgelegt: "Am Geld wird es nicht scheitern", sagte er am Rande einer Pressekonferenz, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Es ist eine Ankündigung. Mehr noch nicht.

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