Einmal geht noch

Die Gastronomie will öffnen. Richtig und nicht nur ein bisschen. Auch alle anderen stehen bereit. Man kann es ihnen nicht verdenken. Das Testlabor ist eröffnet

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Leitartikel - Einmal geht noch © Bild: News/ Matt Observe

Fast jeder in diesem Land hat einen Plan. Und es scheint so: Je länger alle zusammensitzen, umso gefinkelter und ausgeklügelter wird dieser Plan. Ein paar Beteuerungen und ganz viele Versprechungen hier, noch mehr Hoffnung und Wunschdenken dort. Nur ich bin planlos, ja sogar orientierungslos. Es fällt mir zunehmend schwer, die Dinge einzuordnen und Argumente zu gewichten, eine Meinung zu diesem und eine plausible Antwort auf jenes zu haben. Was ist noch richtig, was schon längst falsch? Ich weiß es nicht. Aber keine Sorge. Ich habe zwar das Händchen für die Einordnung verloren, aber dafür in den letzten Tagen viel Hoffnung gewonnen. Denn jetzt, da sich alle nicht alles, aber doch beeindruckend viel vorstellen können, um aufsperren zu können, habe ich auch in die "Wünsch dir was"-Kiste gegriffen: Osterurlaub, Heimatbesuch, Wochenendtrip, ein Essen zum 18. Geburtstag vom Großen - alles schon gebucht. Zumindest gedanklich. Unter "vorsichtig öffnen" versteht halt jeder etwas anderes, also nehme ich auch die ganze Hand statt nur den kleinen Finger. Vom Gefühl her standen die Zeiten noch nie so gut wie jetzt. Jetzt, da es aufwärts geht. Steigende Inzidenzzahlen? Schnee von gestern. Steigender R-Faktor? Was war das noch mal? Jetzt, da ganz plötzlich ganz schnell alles möglich ist. Wo wir auf dem Weg zum Testweltmeister (wichtig, ganz wichtig) sind und Einschränkungen, die ein Leben in der Pandemie so mit sich bringt, mit links nehmen. "Der Österreicher braucht sein Wirtshaus", ist sich der dazugehörige Spartenobmann sicher. "Lassen Sie uns öffnen, wir können damit umgehen", verspricht er. Aber bitte schön nicht mit "vorsichtigen" Feinheiten wie Sperrstunde um 18 Uhr. Wenn schon Öffnung, dann richtig: 22 Uhr, 23 Uhr. Und ja, natürlich Testkontrolle, Gästeregistrierung - was bis vor Kurzem nicht praktikabel (Schikane!) war, machen wir jetzt mit links. Wir (also die Regierung) haben zwar gerade erst um 3,17 Millionen Euro einen Babyelefanten-Werbespot ausgerollt, um einmal mehr auf das Abstandhalten (zwei Meter!) hinzuweisen, nun kuscheln wir halt alle wieder.

Aber was weiß ich schon von Zusammenhängen in Pandemiezeiten? Vielleicht habe ich auch den entscheidenden Satz in der Kommunikation nicht mitbekommen, schließlich schaut das alles nach einem flotten Strategiewechsel aus -mit einer gehörigen Portion Mut zum Restrisiko. Erst mal nur ein bisschen versuchen, mit dem Virus zu leben, das geht wohl nicht. Erinnern Sie sich noch, wie uns "damals" erklärt wurde, dass man jeden Öffnungsschritt genau beobachten muss? Bloß nichts überstürzen! Und wie lange hat man noch mal die Kinder auf dem Abstellgleis geparkt? Meine Güte, waren wir naiv. Jetzt, da wir wissen, wie es geht. Wo die, die schon gut in Sachen Impfung unterwegs sind, uns zeigen, wie es geht. Also lautet auch bei uns die Devise: wenn schon Wirtshaus, dann richtig Wirtshaus. Wer will es den anderen, etwa den Hoteliers oder Airlines, verdenken, dass sie jetzt auch alle wollen? Nur zu. Das Testlabor ist eröffnet, die Eigenverantwortung bis in die Haarwurzeln gestärkt. Diesmal halten wir uns an alles. Es geht ja um was. Bleibt nur noch zu klären, wer die Verantwortung übernimmt, wenn bald doch nicht mehr viel geht.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gulnerits.kathrin@news.at

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