Abschauen erlaubt,
aber nicht erwünscht

Kinder, Karriere, Gleichberechtigung - hierzulande soll am besten alles so bleiben, wie es ist. Man könnte dieser Tage aber auch beeindruckt nach Finnland schauen

von Leitartikel - Abschauen erlaubt,
aber nicht erwünscht © Bild: News/ Matt Observe

Sanna Marin ist 34 Jahre alt. Sie ist Mutter einer sehr kleinen Tochter. Und sie ist seit dieser Woche die jüngste Regierungschefin der Welt. Eine Sozialdemokratin noch dazu. Alles in allem ein unglaublicher Vorgang. Vor allem die Tatsache, dass Sanna jung ist, Mutter ist. Und eben Chefin. Sie selbst findet daran nichts Besonderes. Aber wir offenbar schon, auch wenn wir demnächst das Jahr 2020 schreiben. Verhalten tun wir uns in manchen Fragen wie in Zeiten, die viele von uns nur vom Hören-Sagen kennen -jüngster Regierungschef (und den haben wir demnächst ja wieder -liebe Grüße nach Finnland, wo das allen wahrscheinlich herzlich egal ist) hin oder her. Wir applaudieren uns tagelang für die Einführung des Papamonats (vier Wochen, also quasi ein längerer Urlaub), haben es geschafft, 2010 ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld zu etablieren, aber ansonsten wollen wir im Idealfall bitteschön alles so belassen, wie es schon immer war. Währenddessen zeigen andere Länder, wie es gehen kann. Zwölf der 18 Posten in Marins Kabinett werden von Frauen besetzt; ihre Fünf-Parteien-Koalition wird von fünf Frauen angeführt. Im globalen "Gender Gap"-Bericht des Weltwirtschaftsforums, der die Gleichstellung der Frauen analysiert, steht Finnland auf Platz vier, nach Island, Norwegen und Schweden - eben auch, weil die Rahmenbedingungen passen. Während es in Finnland normal ist, dass Mann und Frau gleichermaßen arbeiten und ja, auch auf einen Rund-um-die-Uhr-Kindergarten (sechs dieser staatlichen Einrichtungen gibt es in Helsinki) zurückgreifen, werfen wir uns beim kleinsten Ausflug in jenseits der Normalarbeitszeit ausgedehnten Jobtätigkeiten genüsslich den Begriff Rabenmutter (den Rabenvater gibt es natürlich noch immer nicht) an den Kopf. Während es in Finnland Ganztagsschulen mit kostenlosen Mahlzeiten und Nachmittagsbetreuung gibt, fragt mich hierzulande ein Lehrer mit 30 Dienstjahren auf dem Buckel, ob ich wirklich der Meinung bin, dass die "Zwangstagsschule" die allheilsbringende Lösung ist. Er findet nicht. Ich schon. Ob sie ein Allheilmittel ist? Wohl nicht. Aber sie ist ein Baustein. Und Fremdbetreuung übrigens kein Unwort.

Weit haben wir es jedenfalls nicht gebracht, wenn wir uns bei der Frage (und auch die wird immer nur an die Frauen gerichtet), ob Karriere UND Kinder gleichermaßen gehen, seit Jahren im Kreis drehen. Ja, es geht. Aber schwer. Genauso schwer übrigens, wie überhaupt (Vollzeit-)Job und Kind(er) unter einen Hut zu bringen sind. Während wir also noch an der Startlinie für einen Hauch von zukunftsweisender Familienpolitik Aufstellung nehmen, denkt Sanna Marin laut über die 24-Stunden-Woche nach: "Warum sollte das nicht der nächste Schritt sein?"

Aber natürlich werden auch hierzulande große Baustellen in Angriff genommen. Weißer Rauch stieg dieser Tage aus dem Rathaus Klosterneuburg auf, wo Bund und Gemeinde den ganz großen Durchbruch vermeldet haben - ein eigenes Kfz-Kennzeichen für Klosterneuburg, weil "TU" für Tulln, wie einst vorgesehen, das geht ja gar nicht. Ab April 2020 also KG. Das steht (standesgemäß) für Klosterneuburg; nicht für Kindergarten.

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