Einmal tief durchatmen, bitte

In Österreich reibt man sich gern an Selbstverständlichkeiten auf. Egal, ob Bundeskanzlerin, Rauchverbot oder Fußgängerzone. Irgendwer hat immer was zu meckern

von / Leitarikel - Einmal tief durchatmen, bitte © Bild: News/ Matt Observe

Es geht heiß her in Österreich. Und das liegt nicht nur an der Hitzewelle. Schließlich passieren in letzter Zeit Dinge, die, durch die rot-weiß-rote Brille betrachtet, nahezu unglaublich sind -etwa eine Frau als Bundeskanzlerin (und ja, es ist völlig nebensächlich, wie viele Hundert Euro ihre Markenhandtasche gekostet hat). Oder Dinge, die zumindest nicht wirklich überraschend sind -hohe Siege gegen kleine Fußballzwerge etwa. "Jetzt sind wir wieder wer!", dürfen die Zeitungen endlich schreiben - und die Fußballfans denken. Und ja, es wurde nur Nordmazedonien geschlagen. Wenngleich der Erregungsausschlag der Kommentatoren anderes vermuten ließ. Wir echauffieren uns über Fußgängerzonen wie die Rotenturmstraße in Wien, die gerne (Achtung: Halblösung) als Begegnungszonen ausgewiesen werden, weil man es offensichtlich besonders praktisch findet, wenn Fußgänger, Radfahrer, Taxler, Ladefahrzeuge, Rollerfahrer und parkende Anrainer auf ohnehin nur ein paar Hundert Metern Straße aufeinandertreffen. Auch immer gut für Diskussionen: die scheidende Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Sie lässt sich aktuell in einem ihrer Abschiedsinterviews mit dem Satz zitieren: "Ich merke, wie es mich raus aus Österreich zieht." Das reicht, um die Tasten der Forenschreiber zum Glühen zu bringen; ein "Tschüss und danke für gar nix" ist dabei noch das Netteste, was man ihr mit auf den Weg gibt: Jahreskarte um 365 Euro - ganz okay (der Durchschnittspreis in Europa liegt bei 717 Euro), aber diese ganze Zerstörung von Fahrund Parkspuren zugunsten von Radwegen und Fußgängern. War das wirklich nötig? Blechlawinen am Straßenrand sind anscheinend vertrauter. Und wer braucht schon Bäume und Freiflächen, wenn Tankstelle und Busparkplatz dafür weichen müssten? Lebensqualität wird am Stammtisch gerne geopfert - für Bequemlichkeit. Raus aus der Komfortzone und rein ins Ungewisse? Nein, danke. Das zeigt das leidige Thema Rauchverbot. Jetzt soll es kommen. Endgültig. Ohne Ausnahmen. Auch rasch? Man wird sehen. Schließlich müssen zuvor und ein letztes Mal alle mitreden. Die Wirte -zumindest ihr gewichtiger Standesvertreter - hätten gerne Kompensationszahlungen, damit die Kosten für den Umbau zugunsten von Halblösungen (Stichwort abgetrennte Raucherräume) ersetzt werden. Ja, bitte, warum nicht gleich auch noch präventiv Subventionen für Heizstrahler (der nächste Winter kommt bestimmt), Sitzbänke und Kuscheldecken vor den Gastrolokalen?

Und überhaupt: Wie gehen wir künftig mit den rauchenden Menschenmassen um, die demnächst vor den Lokalen ihrer Sucht frönen? Ehrlich? Gar nicht. Wir setzen jetzt einfach mal um. Entspannen uns und warten ab, was passiert. Denken nochmal kurz darüber nach, dass wir mit dem Thema längst durch gewesen wären, wenn wir das beschlossene Gesetz nicht zugunsten eines Koalitionsfriedens vor einem Jahr gekippt hätten. Und falls uns zwischendurch fad wird, schauen wir in andere Länder. Da gibt es mittlerweile Rauchverbote an Stränden, in Parks, ja, sogar an Tischen im Freien. Ich weiß, Nichtraucher können entscheiden: Gehe ich in ein Raucherlokal oder in ein Nichtraucherlokal? Arbeitnehmer können das nicht. Ganz einfach. Manchmal müssen auch Selbstverständlichkeiten ausgesprochen werden. In Österreich lieber einmal mehr als einmal zu wenig.

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