"Krone"-Konflikt: Kuhns Entlassung durch Dichand laut Urteil nicht rechtswirksam!

Zustimmung der WAZ wäre dazu notwendig gewesen Kuhn könnte bei vollen Bezügen "spazieren gehen"

Die fristlose Entlassung, die Hans Dichand als Hälfteeigentümer, Herausgeber und Hauptgeschäftsführer der "Kronenzeitung" Ende Jänner seinem geschäftsführenden Chefredakteur Michael Kuhn überreicht hat, war nicht rechtswirksam. Dieses für ihn bittere Urteil des Wiener Arbeits- und Sozialgerichts (ASG) musste der 85-jährige Zeitungs-Zar nun zur Kenntnis nehmen. Die Entlassung war deshalb nichtig, weil Dichand dafür der Zustimmung der Mitgesellschafter bedurft und damit den Sanktus der deutschen Hälfteeigentümerin WAZ benötigt hätte.

Kuhn, langjähriger und verdienstvoller Leiter des Sportressorts, war nach einer Vereinbarung zwischen der WAZ und Hans Dichand im Jänner 2003 als geschäftsführender Chefredakteur installiert worden, weil die WAZ mit Dichands Sohn Christoph als alleinigem Chefredakteur nicht länger einverstanden war. Die "Fristlose" wollte Kuhn nicht hinnehmen. Er brachte dagegen eine Klage ein und erläuterte dazu: "Ich möchte das Haus 'Kronenzeitung' nicht als Entlassener verlassen!"

Wie das ASG nun feststellte, war Dichand zu dem von ihm im Alleingang gesetzten Schritt nicht befugt. Laut Richterin Kerstin Pechart umging Dichand nämlich Kuhns "subjektiven Rechtsanspruch" als "Krone"-Mitarbeiter, wonach in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, die laut Redaktionsstatut als "Sache der Eigentümer" definiert sind, auch sämtliche Eigentümer eingebunden werden müssen. Die Entlassung wäre auf jeden Fall unter diesen Passus gefallen, da - so jedenfalls das Urteil - das Redaktionsstatut in Kuhns Arbeitsvertrag miteingeflossen war.

"Krone"-Anwalt rechnet mit Berufung
Ob die "Krone" gegen die Entscheidung Rechtsmittel ergreifen wird, blieb zumindest offiziell unbeantwortet. Sowohl Hans Dichand als auch "Krone"-Geschäftsführer Wolfgang Altermann waren telefonisch nicht erreichbar. "Krone"-Anwalt Hubert Simon meinte im Gespräch mit der APA, seitens seiner Mandantschaft werde es "keine offizielle Stellungnahme" geben. Auf die Frage, ob mit einer Berufung zu rechnen sei, meinte Simon: "Ich gehe davon aus."

Michael Kuhn, der damit vorerst bis auf weiteres als Chefredakteur mit vollen Bezügen anzusehen ist, kündigte gegenüber der APA an, er werde am Dienstag an seinen langjährigen Arbeitsplatz zurückkehren: "Ich bin bereit, meinen Dienst wieder anzutreten und werde das morgen in der Früh wie in alten Zeiten tun." Per Fax avisierte er Dichand sein Erscheinen: "Ich habe ihn gebeten, mir den Zutritt zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass die nötigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden."

Kuhn: Bei vollen Bezügen "spazieren gehen"?
Da das Urteil ab sofort wirksam ist, ist aus Kuhns Sicht sein Erscheinen weder Jux noch Tollerei. Ein Fernbleiben könnte ihm vielmehr als Setzen eines Entlassungstatbestands ausgelegt werden. Experten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts - darunter Kuhns Anwalt Michael Pilz - halten es für möglich, dass Hans Dichand in seiner Funktion als Hauptgeschäftsführer Kuhn zunächst dienstfrei stellen wird. Dieser könnte dann sozusagen bei vollen Bezügen "spazieren gehen".

Eine Lösung, die Dichand auf Dauer jedoch sehr teuer kommen würde: Der seit Jahrzehnten bei der "Krone" beschäftigte Kuhn soll dem Vernehmen nach allein für die Funktion als geschäftsführender Chefredakteur monatlich 7.775 Euro zusätzlich zu seinem regulären Gehalt ins Verdienen gebracht haben. (apa/red)