Warum Gedrucktes
Zukunft hat

Die neue Generation von Verlegern rede zwar noch vom Wert der Zeitungen, baue ihre Unternehmen aber um in reine Technologiefirmen.

von Gerfried Sperl © Bild: News

Michael Fleischhacker, ehemaliger Chef der "Presse" und des kurzzeitigen Onlineauftritts der "Neuen Zürcher Zeitung", hat 2014 in einem "Nachruf" den Tod der gedruckten Zeitung proklamiert. Heute leitet er ein "Red Bull"-Onlineportal, dessen Inhalte wie Schwerpunkte einer Tageszeitung wirken und dessen Titel sich an Lateinprofessoren richten. Vom Tod der Zeitung ist nicht mehr die Rede.

Wenn sie trotzdem sterben sollte, dann deshalb, weil immer mehr Journalisten auf Wunsch ihrer Vorgesetzten vor dem Online-Diktat kapitulieren. Der Effekt: Zeitungen sind zum Zeitpunkt ihres täglichen Erscheinens nur noch gestaltete Druckvarianten der Online-Texte vom Vortag. So wird die klassische Tageszeitung tatsächlich nicht überleben. Wenn sie keinen Mehrwert bietet, wenn sie ihre haptischen und theatralischen Vorteile nicht nützt, wird sie untergehen. Bei näherem Hinsehen kann man das, auch in Wien, bereits besichtigen.

Die Magazine und Wochenzeitungen sind nicht, vor allem wegen ihrer Erscheinungsweise, in dieser fatalen Klemme festgezurrt. Bestes Beispiel ist "Der Spiegel", dessen Online-Ausgabe wie eine Tageszeitung agiert. Ähnlich "Die Zeit". In Österreich probiert "News" diesen Spagat, freilich mit deutlich geringeren Ressourcen.

Sogar "Newsweek", das neben "Time" im 20. Jahrhundert die westliche Publizistik aus amerikanischer Sicht geprägt hat, musste sich korrigieren. 2012 wurde Print eingestellt und durch eine Online-Ausgabe ersetzt. Bereits zwei Jahre später wurde wegen gesunkener Relevanz der Marke das gedruckte Magazin wiederbelebt. Der britische "Economist" hat diesen Fehler nicht gemacht. Er ist nach wie vor ein Print-Bollwerk.

Während in Westeuropa Online-Zeitungen ohne Print-Hintergrund kaum reüssieren, blühen sie in den USA nicht nur wegen ihrer optisch innovativen Auftritte, sondern auch durch gut recherchierte Enthüllungsgeschichten und feuilletonistischer Qualitäten. Die "Huffington Post" war in den USA bahnbrechend, in Deutschland ist sie ein Flop, weil sie sich hier ohne Print-Hintergrund nicht durchsetzen konnte. Wer sich Innovativeres erwartet, schaltet im Netz auf "Buzzfeed" oder "Vox", um nur zwei zu nennen.

In Amerika erlebte man in den letzten Jahren in der Publizistik eine Machtverschiebung von den klassischen Verlegerfamilien hin zu Internet-Größen als neuen Zeitungsmagnaten -siehe Jeff Bezos und die "Washington Post". Franklin Foer, Ex-Chef des linken Magazins "The New Republic", nennt es in "The Atlantic" so: "When Silicon Valley took over Journalism".

Die neue Generation von Verlegern rede zwar noch vom Wert der Zeitungen, baue ihre Unternehmen aber um in reine Technologiefirmen. Qualitätsjournalismus werde durch Texte ersetzt, die nur noch Algorithmen gehorchen.

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