Soros statt Rothschild

von Gerfried Sperl © Bild: News

Die Sprach-und Ideologie-Forscherin Ruth Wodak hat die nun auch auf Österreich übergeschwappte Gerüchte-Debatte um den ungarischamerikanischen Milliardär George Soros als "typisches antisemitisches Klischee" bezeichnet. Verbunden werde dies einerseits mit dem Stereotyp weltverschwörerischer "jüdischer Lobbys", andererseits mit dem des "reichen jüdischen Kapitalisten", sagte sie in einem Gespräch mit der Journalistin Irene Brickner: "Früher war Rothschild Zielscheibe, heute Soros."

Sowohl der vom Soros-Stipendiaten zum Soros-Gegner gewandelte ungarische Premier Viktor Orbán als auch die FPÖ-Politiker Norbert Hofer und Johann Gudenus werfen Soros vor, die Flüchtlingsströme nach Deutschland und Österreich seit 2015 "zu steuern", reden von "Gerüchten", deuten wahre Hintergründe aber nur an.

Tatsächlich hat Soros in Diskussionen und Beiträgen für die jährliche Aufnahme von 300.000 Flüchtlingen in den EU-Raum plädiert -allerdings auf der Basis einer "freiwilligen Aufteilung". Für die Verschwörungsküche genügte die Zahl 300.000, um die These von der "Umvolkung Europas" zu stützen. Und dass Soros Geld investiert (hat), ist ebenfalls kein "Gerücht", passt aber ins antisemitische Klischee.

Soros hat u. a. das von der damaligen "Standard"-Chefredaktion Anfang der 90er mitgegründete Zeitungsnetzwerk Project Syndicate finanziert. So konnten Zeitungen in ehemaligen kommunistischen Staaten Texte von Nobelpreisträgern und herausragenden Publizisten veröffentlichen. Seine Open Society (im Sinne des Wiener Philosophen Karl Popper) initiierte die jetzt von der Schließung bedrohte Privatuniversität in Budapest.

Über üble Gerüch (t) e ist freilich schwer zu diskutieren. Leichter wäre das, würden Hofer, Gudenus und Co. auch sagen, woher das Verschwörungsmaterial stammt -aus dem 2016 im deutschen Kopp-Verlag erschienenen Buch "Die geheime Migrationsagenda" der 2017 verstorbenen Journalistin Friederike Beck und vom Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen (Onlineportal "KenFM"). Jebsen tritt häufig im russischen Staatsfernsehen auf, nachdem er 2011 von der ARD entlassen worden war.

Warum die FPÖ gerade jetzt eine Anti- Soros-Kampagne entfacht hat, mag eine Spekulation sein -anzunehmen ist freilich, dass sie die geplante und von der Gemeinde Wien forcierte Übersiedlung der Soros-Universität von Budapest nach Wien verhindern möchte.

Immerhin hat Bundeskanzler Sebastian Kurz öffentlich und deutlich gesagt, er teile die Positionen der FPÖ gegen Soros nicht. Abzuwarten ist freilich, ob er diese Haltung auch tatsächlich vertritt. Denn hinter den Attacken von rechts steht eine andere politische Philosophie als die von Popper und eine andere Demokratie-Vorstellung: die der Abschaffung der in der Kelsen-Verfassung verankerten Gewaltenteilung.

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