Internethandel setzt
Geschäfte unter Druck

Noch ist Österreich ein Land der Geschäfte. In keinem anderen europäischen Land ist die Dichte an Verkaufsfläche so hoch wie hier. Der starke Fokus auf Filialen ist in Zeiten des Internethandels aber ein zunehmendes Risiko, das rückläufige Marktanteile und geringere Renditen beschert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Händler sich langsam an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Und es auch müssen.

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Shopping - Internethandel setzt
Geschäfte unter Druck

Amazon, Zalando und eBay hinterlassen Spuren im stationären Handel Österreichs: Fast drei Viertel (73%) der Handelsunternehmen passen ihr Vertriebsmodell in den nächsten drei Jahren an. Jeder Zehnte (9%) möchte sein Unternehmen sogar vollkommen neu erfinden.

Das sind Ergebnisse des Retail Barometers Österreich, den Contrast EY, die Strategieberatungsmarke der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY Österreich, gemeinsam mit dem österreichischen Handelsverband erstellt hat. Dafür wurden 106 Entscheidungsträger von Handelsunternehmen und über 500 Konsumenten in Österreich befragt.

„Viele Retailer müssen sich die Frage stellen, ob sie mit ihrem Geschäfts- und Vertriebsmodell die Zielgruppe der stark onlineaffinen 15- bis 30-Jährigen, die spätestens morgen ihre Kunden sein werden, überhaupt noch attraktiv sind. Der heimische Handel muss den Wandel noch stärker annehmen und sich für diese neue Welt rüsten“, sagt Martin Unger, Partner Contrast EY und Sector Leader Consumer Products & Retail bei EY Österreich.

Amazon dominiert weiterhin

Kopfzerbrechen bereitet heimischen Retailern der steigende Wettbewerbsdruck durch den Siegeszug der sogenannten „Digital Champions“ wie Amazon oder Zalando. Genau die Hälfte (50%) der heimischen Händler rechnet damit, dass digitale Angreifer stark an Marktanteilen gewinnen. Mehr als ein Viertel (27%) erwartet hingegen keine wesentlichen Änderungen durch den Aufstieg von Online-Händlern. 23 Prozent gehen selbstbewusst sogar von Zugewinnen für den klassischen Handel durch die Digitalisierung aus.

Dazu Martin Unger: „Digitale Angreifer verschärfen den Wettbewerb im Handel massiv. Die neuen Mitbewerber erobern immer mehr Marktanteile in einem stagnierenden oder nur leicht wachsenden Markt. Das führt zu einem starken Verdrängungswettbewerb. Dennoch scheint die Hälfte der österreichischen Händler die Gefahr dieser neuen Mitbewerber zu übersehen. Der Wettlauf zwischen etablierten Händlern und digitalen Herausforderern hat längst begonnen – aber viele haben offenbar den Startschuss noch nicht gehört. Die alles entscheidende Frage ist: Lernen die Retailer schneller ‚digital‘ oder die Digital Champions schneller ‚retail‘? Momentan haben die Digital Champions die Nase vorne. Wer keine klare Strategie und attraktive Omnichannel-Lösungen hat, wird im Wettlauf mit Amazon, Zalando und Co auf der Strecke bleiben.“

Im Moment gibt Amazon klar den Ton im österreichischen Online-Handel an. Der US-Versandriese hat die mit Abstand stärkste Marke und wird spontan von 69 Prozent der Befragten als erste Anlaufstelle für Online-Einkauf genannt. Zum Vergleich: Die zweit- und ex aequo drittplatzierten Anbieter Zalando sowie Thalia bzw. H&M kommen gerade einmal auf vier bzw. je zwei Prozent. Diese Markenpräsenz spiegelt sich auch in der Marktstärke wider.

Online-Shopping in Österreich etabliert

Obwohl die Umsätze im heimischen Online-Handel im internationalen Vergleich nur einen geringen Anteil am gesamten Kuchen ausmachen, zeigt sich auch hierzulande ein klarer Trend in Richtung Online-Shopping: Bereits 4,3 Millionen Österreicher (80%) zwischen 15 und 60 Jahren kaufen regelmäßig – also zumindest ein Mal pro Quartal – online ein. Mehr als jeder Zweite (57%) erledigt seine Einkäufe sogar zumindest monatlich bei Online-Händlern.

Als wichtigste Gründe für den Online-Einkauf nennen die Österreicher die gezielte Suche nach Produkten bzw. die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten (je 55% „sehr wichtig“) sowie höheren Komfort (49%) und größere Auswahl (47%). Die vermeintlich größeren Preisrabatte bei Online-Händlern rangieren nur auf Platz fünf (40%).

Das Einkaufsverhalten der Österreicher spielt sich fast zu gleichen Teilen in beiden Welten ab: 59 Prozent informieren sich häufig oder überwiegend im Internet und kaufen auch online. 58 Prozent – und damit fast gleich viele – bewegen sich sowohl bei der Suche als auch beim Einkauf häufig oder überwiegend offline in Geschäften. Der „Beratungsdiebstahl“, also die Information in der Filiale mit darauffolgendem Kauf im Internet, wird hingegen oft überschätzt: Nur 15 Prozent der Kunden wenden diese Praktik regelmäßig an, während sich umgekehrt 51 Prozent online informieren, um ihr Geld dann im Geschäft auszugeben.