Gutes Geschäft mit der Gesundheit: Halten
Pharmariesen billige Medikamente zurück?

Späte Generika-Einführung kostet jährlich Milliarden EU-Kommission legt sich mit der Pharmabranche an

Wer in Europa Medikamente kauft, darf auf keine Schnäppchen hoffen: Nach einer Studie der EU-Kommission werden jährlich mehrere Milliarden zuviel für Medikamente bezahlt. Was die Konsumenten belastet, ist für die Pharmaindustrie Teil des Geschäfts. Vielleicht aber nicht mehr lange: EU-Kommissarin Neelie Kroes hat der Branche nun den Krieg erklärt.

Gutes Geschäft mit der Gesundheit: Halten
Pharmariesen billige Medikamente zurück?

Der schwere Vorwurf der Wettbewerbshüterin lautet, dass Pharmakonzerne "ganz aktiv versuchen, die Einführung von Generika (gleichwertigen, aber billigeren Präparaten, Anm.) zu verhindern oder zu verzögern". Bei den untersuchten 219 Medikamenten vergingen im Schnitt mehr als sieben Monate, bis billigere Ersatzprodukte für den Markt zugelassen wurden. In diesen Monaten werden für jedes Medikament rund 20 Prozent zu viel bezahlt. Diese Verzögerung bedeute für Europas Konsumenten unnötige Kosten in Höhe von über drei Milliarden Euro pro Jahr.

Zusätzlich gehe die Einführung von Generika gegenüber den 90er Jahren insgesamt zurück: Wurden 1995 bis 1999 rund 40 Ersatzpräparate pro Jahr auf den Markt gebracht, sank diese Zahl nach der Jahrtausendwende auf jährlich 27 Produkte.

Bei der österreichischen Niederlassung des Branchenriesen Pfizer sieht man indes keinen Grund zur Sorge: "Pfizer ist zuversichtlich, dass alle Handlungen in Einklang mit geltenden Wettbewerbs- und Patentrechtsbestimmungen sind." Man werde auch weiterhin mit der EU-Kommission zusammenarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu erhalten, erläuterte Claudia Handl, Pressesprecherin von Pfizer Österreich, gegenüber NEWS.at.

Handlungsbedarf bei EU-Behörden
Diese Zusammenarbeit reicht Wettbewerbskommissarin Kroes aber offenbar nicht: Eine neue Regulierung, die etwa die Patentvergabe für Generika beschleunige, sei erforderlich. Realisierbar wäre beispielsweise die Einführung von Gemeinschaftspatenten, die für die gesamte EU Gültigkeit besitzen, wie Kroes erklärte. Auf diese Weise könnte die Praxis, Patentstreitigkeiten in mehreren Ländern austragen zu müssen, wodurch die Einführung von Generika weiter verzögert werden kann, beseitigt werden.

Unabhängig von der Etablierung von Gemeinschaftspatenten eröffnet Kroes aber auch bereits eine zweite Front gegen die Pharmabranche. Gegen das französische Unternehmen "Les Laboratoires Servier" und mehrere Generika-Unternehmen wurde ein Kartellverfahren eröffnet. Der Vorwurf lautet auf Abschluss wettbewerbswidriger Abkommen. Der Ausgang dieses Verfahrens ist noch gänzlich offen. Der Kampf um billige Medikamente verspricht indes schon jetzt Hochspannung.
(Stefan Meisterle)