Guten Morgen, Frau Maier!

Das System Schule soll aufgewertet werden. Ein erster Schritt wäre es, die Ansprache zwischen Lehrer und Schüler dem echten Leben anzupassen.

von Leitartikel - Guten Morgen, Frau Maier! © Bild: News/ Matt Observe

Vier Wochen Schule sind vorbei -und alles wie gehabt, oder? Supplierungen, weil Lehrermangel. Statt Mathe wird halt gezeichnet. Und wie es ausschaut sind Förderstunden, die einst eingeführt wurden, um Lernrückstände aus den Corona-Schuljahren zu schließen, wieder dort gelandet, wo man sie eh am liebsten hat: in der Eigenverantwortung. Wer sich Nachhilfe leisten kann, hat Glück gehabt. Die nächste Schularbeit kommt gewiss. In vier Wochen. Gleich danach starten die Herbstferien. Und weil es so wunderbar in die "Erzählung Schule" passt: Es folgen sieben Wochen Unterricht und zwei Wochen Ferien, bevor nochmals vier Wochen gelernt wird, um mit dem Semesterzeugnis in der Hand neuerlich Ferien zu machen. Ein Dilemma.

Aber heute nicht das Thema. Alles wie gehabt? Nein, weil demnächst wird alles neu. Zumindest ein bisschen hier neu, ein bisschen dort neu. So, wie wir schon immer mit ein bisschen hier und ein bisschen dort geglaubt haben, das Bildungssystem voranzubringen. Es ist uns nicht geglückt. Aber jeder neue Bildungsminister will nun mal zeigen, wie gut sein Besen kehrt. Bevor sich also Schwarzmalerei breitmacht, ist Optimismus angesagt. Vielleicht gibt es irgendwann neue Fächer (Wirtschaft!). Mehr Lehrer. Das System Schule soll nämlich eine Aufwertung erfahren. "Wir brauchen eine neue, positive Erzählung von Schule", sagt Martin Polaschek. "Sehr viele Menschen sehen Schule aufgrund eigener schlechter Erfahrungen als negativ. Dabei ist dort wahnsinnig viel passiert." Der Standort bestimmt den Standpunkt, heißt es. Was wissen folglich wir Eltern schulpflichtiger Kinder schon von der Schule? Nicht viel, interpretiere ich. Im Bildungsministerium weiß man es besser. Ich finde das gut. Und ich finde, man sollte postwendend mit dieser neuen Erzählung beginnen.

Für den ersten Schritt in die neue, schöne Schulwelt braucht es nicht viel. Nur ein bisschen Mut. Und ein bisschen Grundvertrauen, dass deswegen die Welt nicht unter und schon gar nicht Respekt, Anstand und Disziplin verloren gehen: Also weg mit der Ansprache "Herr Professor"/"Frau Professorin"! Einfach so. Aber auch aus gutem Grund. Schließlich gibt es in diesem Land eine ausgeprägte Wissenschaftsfeindlichkeit. Also viel Misstrauen und wenig Verständnis für das, was Wissenschafter so tun. Umso bemerkenswerter ist es, dass wir uns in der Fortführung dieser Erzählung eine Berufsbezeichnung leisten, die im echten Leben nicht hält, was sie auf dem Papier und in der Ansprache verspricht. "Herr Professor"/"Frau Professorin" ist lediglich eine im Lehrerdienstrecht verankerte sogenannte "Verwendungsbezeichnung". Ein neues Lehrerdienstrecht machte übrigens 2013 alle neu eintretende Pädagogen zu Professoren -auch jene an Volksschulen.

»Weg mit der Ansprache 'Herr Professor', 'Frau Professorin'. Einfach so«

Also angenommen, ein Bildungsminister, der etwas auf seine vollmundigen Ansagen hält, würde diesem Titelkult in seiner Neuerzählung von Schule, nämlich von Schule im Jahr 2023, ein Ende bereiten. Was würde passieren?"Unerhört!", würde das wohl die Lehrergewerkschaft finden. Die "Das war schon immer so!" oder "Haben wir keine anderen Probleme?"-Rufer werden prompt folgen. Ja, wir haben andere Probleme. Wir wissen, was schief läuft und belassen am Ende trotzdem alles so, wie es ist. Weil es schon immer so ist. Weil im System Schule selbst ein kleiner Schritt ein Schritt zu viel ist.

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