"Je mehr wir Niki
haben, umso besser"

Diese Woche startet die Formel 1 in die neue Saison, die jetzt unter Patronanz von Liberty Media steht. Niki Lauda und Toto Wolff erörtern im Doppelinterview, was unter dem Regime der Amerikaner anders ist und was sie von deren Innovationen halten

von Formel 1 - "Je mehr wir Niki
haben, umso besser" © Bild: Wolfgang Wilhelm for Daimler AG

News traf Niki Lauda und Toto Wolff, Motorsportchef des Mercedes-Teams, in Barcelona zum Doppelinterview. Beide waren ob der sich offenbar wieder abzeichnenden Dominanz der Silberpfeile bester Laune. Vor allem Lauda ließ seiner Skepsis gegenüber den Neuerungen in der Formel 1 durch die neuen Eigentümer Liberty Media freien Lauf. Die neuen Startzeiten, das Verbot der Grid-Girls oder kommende Einheitsmotoren stellte er infrage -so wie allerdings selbstkritisch auch sich selbst. Wolff, wie üblich ganz Gentleman, hielt sich mit seinen Antworten sehr zurück und überließ Lauda oft den Vortritt.

Herr Lauda: Sie haben nach zähen Verhandlungsrunden Ihre Fluglinie „Niki“ zurückerobert, die wieder als Ferienflieger abheben wird. Aber wäre als nächster Schritt nicht der Titel „0ffizieller Carrier des Mercedes Formel-1-Teams“ eine Herausforderung?
Lauda: Ich bin mit Toto Wolff schon in engsten Verhandlungen, um sämtliche Charterflüge mit dem Team in ganz Europa mit Laudamotion durchzuführen. Aber leider sind wir uns bis jetzt noch nicht einig geworden, weil Herr Wolff nichts zahlen will (lacht).

Würden Sie, Herr Wolff, denn präferiert mit der Airline des Mercedes-Aufsichtsratvorsitzenden fliegen?
Wolff: Ich bin überzeugt, dass das Fliegen mit der Airline von Herrn Lauda 100 Prozent sicher sein wird und Service und Komfort hervorragend sein werden. Ich würde sogar eine Matratze für meinen Sitz bekommen. Aber wir haben bereits einen Jet-Partner, mit dem wir sehr zufrieden sind.

Lauda: Spass beiseite, ich muss zum Thema Airline etwas erklären. Ich bin bei der „LaudaMotion“ in einer ähnlichen Funktion wie beim Mercedes-Formel-1-Team. Hier bin ich Chairman of the Board, hier gibt es den Toto als Teamchef, bei der Fluglinie einen gewissen Andreas Gruber plus ein Top-Management. Ich werde die Prioritäten auf jene Aufgaben legen, bei denen ich dringender gebraucht werde, egal ob Formel-1-Team oder Airline. Das ist vom Zeitmanagement her leicht zu lösen. Wenn‘s dann einmal rennt, bin ich nur einer, der alles überblickt und nur dann ins Management eingreift, wenn‘s notwendig ist. Operativ werde ich aber nicht aktiv werden.

Sie sind haben gesagt, dass Sie wegen der Herausforderung wieder Airliner geworden sind. Wo ist die denn größer: in der Luft oder auf der Rennstrecke?
Lauda: Auf der Rennstrecke ist sie natürlich größer, der Unterschied ist einfach zu erklären: Im Formel-1-Geschäft bekommst du am Sonntag sofort die Rechnung präsentiert und kannst am Heimflug schon Überlegungen für Verbesserungen anstellen. Das heißt, die Reaktionszeit ist kurz, das finde ich gut. Im Airline-Geschäft ist es etwas ganz anderes, da fliegst du einmal los, musst ein Jahr warten bis deine Bilanz herauskommt, kannst nicht unmittelbar schnell reagieren, wenn sich Dinge ändern. Zum Beispiel wenn der Ölpreis steigt, kannst du das nicht beeinflussen.

Dennoch, die Luftfahrt ist ein zusätzlicher Job. Haben Sie deshalb als Formel-1-Experte bei RTL hingeschmissen ?
Lauda: Nein, das ist mir einfach irgendwann langweilig geworden. Weil wenn bei einem Grand Prix ist nix passiert, kann ich höchstens „weiche Reifen, harte Reifen oder ein Pitstopp, zwei Pitstopps“ kommentieren. Und das hat sich dann als doch zu kleine Herausforderung für mich dargestellt. Das Rennwochenende wurde mir jetzt leichter gemacht.

© Steve Etherington for Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Herr Lauda die gewonnene Zeit nicht für die Formel 1, sondern für das Luftgewerbe aufwendet?
Wolff: Umso mehr wir den Niki haben, umso besser. An den Rennwochenenden war das natürlich eine Doppelbelastung für ihn, beispielsweise wenn wir sitzen mitten in einem Meeting saßen und er auf Sendung gehen musste. Aber die Formel 1 und das Airline-Geschäft kann er sicher parallel betreiben.

Am 25. März geht es in Australien mit der Formel 1 los. Und wann geht die Laudamotion erstmals in die Luft?
Lauda: Sieben Flugzeuge starten auch am 25. März.

Am gleichen Tag also. Auf welchen Event werden Sie stärker fokussiert sein?
Lauda: Natürlich auf den Formel-1-Auftakt in Australien. Da muss ich jede Runde gemeinsam mit dem Toto verfolgen, muss mich ärgern oder freuen, wenn wir die Pole Position geholt haben. Die sieben Flieger fliegen einer nach dem anderen sowieso los und fertig.

Und von wo startet der Jungfernflug?
Lauda: Am 20. März machen wir einen Testflug, weil alle Piloten haben gejammert, wie kompliziert das alles ist, wie schwierig es ist, das neue System aufzusetzen. Deswegen fliegen wir von Wien nach Düsseldorf, eineinhalb Stunden Aufenthalt und wieder zurück. So können wir überprüfen, ob alles klappt, der Crew-Wechsel funktioniert und ob der Tankwagen kommt. Und bis 25. März Fehler ausmerzen, sofern es welche gab, und fliegen normal los.

Von wo geht aber der erste reguläre Flug los und wohin? Und warum schreiben deutsche Medien, dass Ihre Airline schon in Turbolenzen sei bevor sie überhaupt losgelegt hat?
Lauda: Solchen Schwachsinn kommentiere ich nicht. Am 25. März startet die Laudamotion mit sieben Fliegern. Der erste Flug startet ab Düsseldorf.

© Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

Themenwechsel zur Formel 1: Viele vergleichen die Performance von Mercedes in der F1-WM mit den Serien-Weltcupsiegen eines Marcel Hirscher. Was irgendwie naheliegend ist …
Lauda: Der Marcel Hirscher ist ein Ausnahmesportler, den man auf der Welt kein zweites Mal finden wird. Der bricht sich den Haxen, jeder sagt, der ist erledigt, aber der gewinnt zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen und holt den Gesamtweltcup. So einen wirst du nie mehr finden. Ich scheue jeden Vergleich mit dem Marcel Hirscher, weil keiner weiß, was noch in dem steckt. Da können auch wir mit dem Mercedes-Team nicht mithalten.

Andererseits doch, weil Mercedes ist ja auch Seriensieger, mit vier WM-Doppeltitel?
Lauda: Der Unterschied ist, dass er ein Einzelkämpfer ist.

Wieder Fahrer- und Konstrukteurstitel zu holen, wird doch auch in dieser Saison die große Challenge sein?
Wolff: Das ist absolut die Challenge. Wir sind ein Unternehmen mit 1.500 Mitarbeitern, wir vertreten die Marke Mercedes weltweit und haben diese Herausforderung und auch Möglichkeit, einen Teil der Geschichte von Mercedes mitzukreiieren. Wenn man von den Silberpfeilen spricht, fallen einem die Dreißiger- und die Fünfzigerjahre mit Juan Manuel Fangio ein. Und wer weiß – vielleicht ist es so, dass, wenn man in 50 Jahren die Leute nach den Silberpfeilen fragt, werden ihnen auch die Jahre nach 2014 und der Lewis Hamilton und der Niki Lauda und das ganze Team einfallen. Das ist eine schon fast ehrenwerte Verantwortung, die man uns gegeben hat.

Aber das Ziel muss sein, wieder Fahrer- und Konstrukteurs-WM zu gewinnen?
Wolff: Das muss das Ziel sein, aber du musst es mit Demut machen. Weil wenn du hier aufschlägst und sagst, „Wir sind die Allergrößten und wir fahren alles in Grund und Boden", dann hast du schon verloren. Diese Meisterschaften sind wie ein Mount Everest, den wir jedes Jahr aufs Neue besteigen müssen. In den vergangenen vier Jahren wir den erfolgreich bestiegen, aber im Momen

Lauda: Es ist uns vollkommen klar, wir müssen beide Titel zum fünften Mal in Folge holen. Hat das ein Team schon fünfmal zusammen gebracht?

Wolff: Fünfmal hat das Ferrari in der Ära von Michael Schumacher geschafft.

Lauda: Das liegt lange zurück, damals war‘s noch einfacher, also müssen wir‘s jetzt umso mehr zusammen bringen.

© Steve Etherington for Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

Wird sich wieder wie in den vergangenen Jahren alles auf die Big Three, also Mercedes, Ferrari und Red Bull, reduzieren?
Wolff: Ich denke ja, aber man darf Renault und McLaren nicht unterschätzen, die werden einen Sprung nach vorne machen. Und wir alle wollen ja eine Competition, wo auch mehrere Teams siegfähig sind.
Lauda: Diese Saison fährst du nur mehr mit drei Motoren. Das heißt, jeder Motor muss sieben Rennen halten. Deswegen kannst du nicht mehr nur auf Leistung gehen, wie‘s in der Vergangenheit war, du musst jetzt nur auf Standfestigkeit hinarbeiten. Gewinnen wirst du nur dann, wenn du durchkommst.

Reden wir über Lewis Hamilton. Wie ist er drauf?
Wolff: Der Lewis ist wie der Marcel Hirscher beim Schifahren, ein außerordentliches Talent, wahrscheinlich der Beste seiner Generation und ein ganz wesentlicher Bestandteil des Teams.

Halo, der Schutz für die Köpfe der Piloten ist, neu und wird von Fahrern wie Teams verdammt. Wieso?
Lauda: Also ich find‘s eine Katastrophe, man muss sich das einmal am Auto anschauen. Ich bin erschrocken, als ich‘s aus der Nähe gesehen habe. Der Toto überlegt sich jetzt, dem eine andere Farbe als dem Auto zu geben …
Wolff: Ja, aber dann wird‘s noch sichtbarer.
Lauda: Es ist optisch das Ärgste, das es in der Formel 1 gibt. Eingeführt von der FIA aus Sicherheitsgründen und deswegen haben wir‘s zu akzeptieren. Aber für die DNA der Autos, für den Glamour des Sports ist das ein absoluter Rückschritt. Ich verstehe, dass man aus Gründen der Sicherheit etwas machen muss, aber so ein hässliches Ding?.
Wolff: Ich habe gesagt, wenn man mir eine Kettensäge gibt, dann säge ich‘s ab. Das ist nämlich noch immer der erste Eindruck, wenn ich das Ding seh. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, warum der Halo eingeführt wurde

Gab es denn keine anderen Vorschläge?
Lauda: Doch, aber die wurden nicht weiter verfolgt. Eine Kritik muss ich mir noch erlauben: Ich habe das nämlich genau beobachten können, allein wie die Fahrer da ein- und aussteigen in der Box ist eine Herumturnerei, so etwas hab ich überhaupt noch nicht gesehen. Ich hoffe, dass dieser Halo niemals einer Bergemannschaft bei einem Unfall im Wege ist. Wenn etwa der Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung besteht.
Wolff: Darauf sind die Sanitäter trainiert.

© Steve Etherington for Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

Apropos Sicherheit: Der an sich über jeden Verdacht stehende Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost soll in einem Interview „Crashes, natürlich ohne Verletzte“ gefordert haben. Können Sie das nachvollziehen?
Lauda: Ich bin nur so berühmt, wenn ich überhaupt berühmt bin, und das glaube ich schon, weil ich einen Unfall hatte, der im Fernsehen zu sehen war. Aber ich kann nur für mich selber reden: Wenn ich geplant hätte, wie kann ich von jedem Taxifahrer auf der ganzen Welt begrüßt werden, wäre die Antwort: Du musst dich ins Feuer setzen. Also ich verstehe Herrn Tost.

Wie steht‘s überhaupt um die Formel 1? Überall wird gejammert, dass der Sport bald am Stock gehen wird.
Lauda: Es gibt gewisse Dinge, die sind die Leute seit Jahrzehnten gewohnt, wie den Startbeginn um 14 Uhr bei den Europarennen fürs Fernsehen. Da, nach dem Mittagessen am Sonntag, gibt‘s die meisten Formel-1-Zuschauer in Europa überhaupt. Das wurde jetzt auf 15.10 Uhr geändert. Gut, jeder kann tun und lassen, was er will. Ich bin aber gespannt, ob die Zuschauerzahlen steigen werden, weil da wollen wir ja hin, zu mehr Zusehern, nicht gleich bleiben. Oder ob die Fernsehzuschauer das ablehnen. Heute wissen wir das natürlich nicht. Ich wäre das Risiko nicht eingegangen. Es gibt logische Gründe, weil Fernsehstationen in anderen Ländern und ESPN haben das halt entschieden, aber man sieht an der Reaktion der Zuschauer, ob das etwas bringt oder nicht. Man gewöhnt sich logischerweise an alles und man wird auch um 15.10 Uhr, wenn man wirklich interessiert ist, die Formel 1 anschauen. Aber es geht ja nicht darum, die Fans einzufangen, die sind eh da, es geht darum, die Großmutter einzufangen, die daheim sitzt und strickt. Das sind die zusätzlichen Zuseher und wenn die sagen, um 15.10 Uhr möchte ich lieber stricken statt fernsehen, dann hast du die nicht dazu gewonnen. Und ob das gelingt, ist die große Frage.

Woher kommt das?
Wolff: Jetzt sind neue Shareholder in der Formel 1 und die wollen Veränderungen. Aus vielerlei Gründen. Ein neuer Besitzer will halt gleich dem Sport seinen Stempel aufdrücken, beispielweise mit stärkerem Fokus auf den amerikanischen Markt. Uns ist wichtig, dass man dabei auch die Italiener, die Franzosen, die Engländer, die Deutschen und uns Österreicher nicht vergisst, um ein paar zu nennen.

Aber es wird ja verlangt, dass die Kosten gesenkt, die Technik vereinfacht und die Abhängigkeiten von Herstellern und Sponsoren reduziert werden. Ist ein Schritt zurück überhaupt möglich?
Lauda: Die Kluft zwischen den Ferraris dieser Welt und den Privatteams dieser Welt war immer da. Und man hat immer versucht, diese Inbalance zwischen Einnahmen und Performance irgendwie zu regulieren. Aber selbst wenn du dem Letzten das meiste Geld gibst, wird er trotzdem uns nicht schlagen. Weil er es nicht kann. Weil es kommt nicht aufs Geld an, du musst die richtigen Leute haben. Und diese Inbalance etwas zu verbessern, dass dir hinten keiner wegbricht, dagegen hab ich ja nix. Aber du wirst es nie hinkriegen, und der Traum der Amerikaner ist, dass alle gleich sind, aber bei jedem Rennen muss ein anderer gewinnen. Das ist nicht die Formel 1. Die DNA der Formel 1 ist: das beste Auto mit den besten Ingenieuren, mit den besten Motoren und dem besten Fahrer gewinnt. Aber die neuen Eigentümer wollen unterschiedliche Sieger sehen, die manipuliert dorthin kommen. Und manipulieren sollte man nichts in der Formel 1. Der Beste und Schnellste gewinnt. Und das sind dann am Schluss immer nur drei Teams, in dem Fall Mercedes, Ferrari und Red Bull und aus. So war‘s immer.

© Wolfgang Wilhelm for Daimler AG

Verstehen die Amerikaner um Chase Carey eigentlich die Formel 1?
Lauda: Ich hab so oft mit dem Chase Carey diskutiert. Wir reden ja dauernd mit denen, die sind ja mit uns wirklich sehr kommunikativ und gut unterwegs. Das Problem aber ist, die wollen die DNA der Formel 1 vermodernisieren, sicherheitsmäßig veramerikanisieren. Das ist ein Wiederspruch, das geht nicht. Du kannst nicht mehr Sicherheit auf die DNA draufgeben, wenn die Leute laut Tost sagen, sie wollen mehr Unfälle sehen. Diese Gratwanderung – die Amerikaner werden aber meiner Meinung nach immer gscheiter und verstehen immer mehr, worum es geht. Die Idee, die Grid-Girls abzuschaffen, war meiner Meinung der letzte Akt, die DNA zu zerstören. Aber Amerikaner sind halt Amerikaner und wenn die die Frauenprobleme von Hollywood bis Weinstein alle live erleben, dann sagen sie, du, in der Formel 1 dürfen wir damit nix zu tun haben. Deswegen haben sie die Grid-Girls abgeschafft und bringen jetzt junge Buben ins Paddock. Kinder mit Familie ins Fahrerlager.

Sehen wir jetzt ihre Kinder im Fahrerlager?
Lauda: Jetzt wird alles umgedreht, Fußball wird kopiert, wenn die Kicker bei einem Match mit kleinen Buben an der Hand aufs Feld marschieren. Ist ja alles schön und gut, aber ob das die DNA der Formel 1 ist oder nicht doch eher ein Grid-Girl im Dirndl, wie das in Österreich gang und gäbe war, oder wie sonst überall fesche, normal gekleidete Frauen vor dem Start bei den Autos posieren, das ist die Frage. Ich verstehe das nicht, aber vielleicht bin ich zu alt und zu blöd, um die Veramerikanisierung der F1-DNA zu verstehen.

Anderes Thema, aber auch Amerika betreffend: Bei Mercedes ersetzt der US-Modekonzern Thommy Hilfiger den deutschen Klassiker Hugo Boss. Ein Kulturschock für Sie, Herr Lauda, der Sie seit McLaren-Zeiten praktisch Dressman der Marke waren?
Lauda: Ich war noch nie Dressman, weil ich hab immer die gleiche Hose, den gleichen Pullover an. Hugo Boss war ein wirklich ehrwürdiger, längerfristiger Partner, mit dem ich schon bei McLaren zusammen gearbeitet habe. Baldessarini hat das begonnen, ich ziehe die Kappe vor denen, weil die haben über Jahrzehnte meiner Meinung nach einen Super-Job gemacht. Zum Thommy Hilfiger sind wir über den Lewis gekommen. Lewis hat uns vorgestellt, der Toto hat den Vertrag gemacht und ich finde, für unser Mercedes-Team und für uns alle musst du irgendwann einmal neue Dinge bringen und Hilfiger ist etwas anderes als Hugo Boss. Nämlich eine junge, dynamische Modelinie, einfach anders. Unser bester neuer Sponsor, der Leben hinein bringt und mich freuts besonders, weil ich kauf mir immer Hilfiger-Pullover selber. Ich wollte den Toto schon fragen, wen von Hilfiger ich treffen könnte, um zu überlegen, was für die Stewardessen meiner Laudamotion passend wäre. Weil die brauchen ein neues Outfit. Das wäre ein Synergie-Effekt für meine Airline.

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Wird die Formel E eine ernstzunehmende Bedrohung für die Formel 1?
Wolff: Die Formel E ist ein Start-up wie car2go, die Formel 1 hingegen Top wie Mercedes-Benz. Man muss das Start-up machen, weil das könnte die Welt verändern, könnte in 10 Jahren eine Rolle spielen. Gleichzeitig ist die Formel 1 unser Hauptprodukt und steht für den absoluten Großteil unseres Motorsport-Engagements.

Mercedes steigt ja auch nächstes Jahr in der Formel E ein und versetzt damit Gerhard Berger bzw der DTM durch den gleichzeitigen Ausstieg aus dieser Rennformel den Todesstoß?
Wolff: Nein. Man kann sich vorstellen, wie schwer es uns beiden gefallen ist, nachdem der Gerhard diese Rennklasse als Chef übernommen hat, von dem wir glauben, dass er die DTM auch drehen und erfolgreich machen kann – noch immer – weil er Power hat. Aber es war einfach eine Entwicklung, die aufgrund der Entwicklung der Technologie stattfindet. Der Tourenwagensport in Deutschland ist eine interessante Sache, aber er ist ein Nischensport und die Formel E, so wie sie sich entwickelt, kann ein globales Phänomen werden. Sie entspricht dem Zeitgeist und sie ist für unsere Marketingspezialisten die richtige Plattform.

Wie funktioniert eigentlich das Zusammenleben von Aufsichtsrat-Vorstand und Teamchef im harten F1-Alltag?
Lauda: Die Frage haben wir uns noch nie gestellt, wer was ist. Wir hatten am Anfang unseres Generationsunterschiedes, der sich schon so herauskristallisiert hat, dass ich Herrn Wolff schon kannte, denn er war einmal mit meiner Cousine verheiratet. Ich kannte zwar seinen Namen, hab ihn aber selten gesehen, aber meine Cousine hab ich auch nie zu Gesicht bekommen. Dann kam der Herr Wolff einmal zu mir ins Haas-Haus, er muss dringend mit mir reden. Es hat mich gefreut, dass er kommt, dass ich den Mann meiner Cousine kennen lerne. Dann sitzt er da und erklärt mir, er fährt jetzt auf den Nürburgring und versucht, einen Rundenrekord auszublasen. Darauf frag ich: „Meinen, 6 Minuten 58,6 Sekunden?“ Nein, nein, den nicht, er würde mit einem Porsche fahren. Und da hab ich ihn schlicht und einfach gefragt, ob er einen Vogel hat. Und was er sich beweisen will. „Dass ich der Schnellste am Nürburgring bin“, hat er geantwortet. Dir selber, was macht das für einen Sinn?, habe ich ihn gefragt. Das Risiko ist ein Wahnsinn, du holst den Rekord und sagst dann, „ich bin der schnellste Sportwagenpilot der Welt?“ Ich bin der Schnellste gewesen, das wirst du nie schaffen“
Wolff: Ich hab damals gerade eine Midlife-Krise gehabt.
Lauda: Midlife-Krise, so hab ich ihn kennen gelernt. Da sind wir dort gesessen und ich hab ihm höflich gesagt: „Bitte, mach das nicht, das bringt dir nix, bringt niemand was.“ Was ist passiert? Drei Wochen später hat er mich angerufen, er hatte einen so schweren Unfall auf dem Nürburgring gehabt, den er fast nicht überlebt hätte. Reifenplatzer in der Fuchsröhre, das musst einmal zammbringen. Dann hat er zugegeben, dass ich recht hatte. Das war einmal unser Start. Dann haben wir begonnen, bei Mercedes zusammen zu arbeiten. Damals war das ganz anders als heute, da haben wir immer unser Rechthabereien so überdemonstriert, dass wir nur gestritten haben. Wir fanden keinen gemeinsamen Nenner. Jeder blieb bei seinem Approach, kurzum, wir haben uns miteinander schwer getan. Das hat vier Monate gedauert.
Wolff: Weil wir nie jemand Rechenschaft schuldig waren und vom Berichten überhaupt wenig gehalten haben, weil die Entscheidungen sowieso getroffen werden mussten. Dann gab es bei Daimler die clevere Idee, uns beide zusammen zu werfen. Und das war aber die absolut richtige Entscheidung.
Lauda: Und nach der ersten Phase, die ganz normal war, haben wir die Querelen in kürzester Zeit beendet und die letzten Jahre eine absolut perfekte Zusammenarbeit mit dem schnellsten Weg zum Ziel gefunden. Meine Stärken, meine Schwächen – seine Stärken, seine Schwächen sind so gebündelt, dass das ganze Team davon profitiert. Und man sieht ja, dass es funktioniert.

© Steve Etherington for Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

Und dank der harmonischen und erfolgreichen Zusammenarbeit ist kürzlich die Adelung „Halbfreund“ rausgekommen?
Wolff: War das ernst gemeint oder war‘s ein Witz?
Lauda: Nein, das ist ernst, ich würde ihn sogar als Freund bezeichnen, muss ich ehrlich sagen. Wir reden auch über private Sachen mehr, das hat sich so perfekt entwickelt. Man kann sich auf ihn verlassen, wenn er das Telefon abhebt. Ich muss einen Kritikpunkt anbringen. Beim letzten Mal hab ich eineinhalb Stunden gewartet, das war ein Mißverständnis, weil er kein WhatsApp oder kein Strom hatte. Aber ab jetzt sind wir pünktlich in der Früh.
Wolff: Aber auch das ist symbiotisch, weil der Niki ist ein Morgenmensch und ich bin ein Nachtmensch und deswegen ist immer einer von uns on duty. Er legt in der Früh um 6 los, da bin ich noch nicht funktionstüchtig, aber wenn der Niki abends am Bett liegt, übergibt er den Stock an mich.
Lauda: Stimmt, so funktioniert‘s!

Auszüge des Interviews sind bereits in der Printausgabe von News (Nr. 11/2018) erschienen.