Folgt Kusej auf Kusej? Gegenkandidaten gibt es

Das Thema kam auch im Sommer nicht zur Ruhe, jetzt wird es ernst mit dem Burgtheater: Die Direktion wird ausgeschrieben. Und es gibt tadellose Nachfolge-Optionen.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass das Thema um die wohlverdiente Sommerruhe gebracht wurde, hat mit einem nicht für alle Beteiligten freudvollen Zusammentreffen zu tun. Auf der einen Seite waberte das seriös unterfütterte Branchengerücht, die scheidende Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele, Bettina Hering, stehe in qualifizierten Chancen für die Nachfolge des Burgtheaterdirektors Martin Kusej. Andererseits ist das Salzburger Schauspielprogramm in diesem Sommer derart übertrefflich gelungen, dass sich die Burgtheater-Option erledigt haben dürfte.

Sehr im Gegensatz zur anstehenden Entscheidung, ob Kusej im Frühsommer 2024 weichen muss. Die verbindliche Ausschreibung ergeht jedenfalls demnächst. Manches spricht für die Möglichkeit des Verbleibs: Eine solche Stelle nach einem Durchgang räumen zu müssen, käme der Entgegennahme eines amtlichen Fünferzeugnisses gleich. Zumal Kusej ja angeblich pandemiebedingt zwei Jahre nicht zeigen konnte, was er draufhat. Das stimmt allerdings nicht: Ihm blieb eine halbe Spielzeit Normalbetrieb, wohingegen d e r Staatsoperndirektor sein Amt ein Jahr später unter scheinbar hoffnungslosen Bedingungen antrat. Doch während sich Kusej halblaut maulend in seinen Kärntner Latifundien vergrub und die Verwaltung des pandemischen Untergangs seiner hoch qualifizierten Stellvertreterin Alexandra Althoff überließ, fuhr Bogdan Roscic mit dem Sender ORF III ein furioses Premieren- und Repertoireprogramm hoch.

So schlecht, dass man Kusej frontal demütigen müsste, lief es in der "Burg" aber auch wieder nicht. Also scheint plausibel, was in dieser Zeitschrift Kusejs Nachfolger am Münchner Residenztheater, Andreas Beck, zu bedenken gab: Er selbst und Kusej hätten quasi ein Anrecht auf Erstreckung ihrer (zeitgleich endenden) Verträge um die beiden verlorenen Jahre. Dann könne man weitersehen. Wie das Leben so spielt, erreicht Kusej 2026 das Ruhestandsalter und könnte sich dann entspannter den Verheißungen des Lebens überantworten. Beck, jetzt 57, wäre ein erstklassiger Nachfolger: Er hat in Wien bei Peymann gelernt und das Schauspielhaus in der Porzellangasse zum Glänzen gebracht. Er hat in Basel das Handwerk zur Meisterschaft verfeinert, sein Münchner Spielplan ist ansprechend. Allerdings reist er überwiegend mit eigenem Ensemble, und mag Kusej seine Truppe auch wenig überzeugend formiert haben: Ein neuerlicher Ensembleaustausch wäre dem Haus nicht zuträglich. Hier müsste schon vor Vertragsabschluss klar verhandelt werden.

Auch anderweitig fehlt es nicht an Optionen. Thomas Ostermeier, 53, von der Berliner Schaubühne war seinerzeit erste Wahl und wäre es wieder. Leider hat er das Kunstministerium damals inmitten der Endverhandlungen anrennen lassen, weshalb Kusej erst ins Amt gelangte. Das hat man in Wien wohl nicht vergessen. Verbindlich müsste man den erfolgreichen, von allen Vorwürfen im Umfeld des Finanzskandals gerichtlich exkulpierten Direktor Matthias Hartmann, 59, zurückbitten. Leider Illusion. Aber Sven-Eric Bechtolf, 64, der den Salzburger Festspielen ein erstklassiger Schauspielchef und dem Burgtheater ein großer Schauspieler war? Oder der Schweizer Stefan Bachmann, 56, der an Hans Gratzers Schauspielhaus erste Proben einer glücklichen Regiehand vorgelegt und auch am Burgtheater seine Qualitäten als umsichtiger Verwalter des klassischen Repertoires erwiesen hat? Sein Vertrag in Köln endet 2026.

Nun ist nicht auszuschließen, dass die Staatssekretärin dem Quotendiktat zu folgen gedenkt. Was nicht unbedingt ein Fehler sein muss, wenn man sich vergegenwärtigt, dass etwa die Wiener Kulturstadträtin unter Ignorierung eben dieses Diktats zweifelhafte Kandidaten zu den Festwochen und ins Volkstheater befördert hat, obwohl für letztgenanntes Amt hervorragende Frauen zur Verfügung gestanden wären. Die bereits im Aufsichtsrat des Burgtheaters amtierende Bettina Hering, 62, scheidet wohl aus. Aber die schon erwähnte Alexandra Althoff, 45, die sich aus dem Haus zurückzieht, aber in Wien bleibt?

Oder die Schweizerin Barbara Frey, 59, Intendantin der Ruhrtriennale und der "Burg" auch in dieser Eigenschaft auffallend verbunden. In diesen Tagen hat Schnitzlers "Weites Land" mit ausschließlich in Wien verpflichteten Schauspielern am koproduzierenden Akademietheater Premiere. Im nächsten Jahr soll unter den nämlichen Prämissen weiter zusammengearbeitet werden.

Am Burgtheater wirkt Barbara Frey seit einer Ewigkeit, hat hier ohne Dekonstruktions-Eskapaden Shakespeare, Oscar Wilde in Jelinek-Nachdichtung, Molnars "Liliom" und zuletzt die österreichische Wiederentdeckung "Automatenbüffet" inszeniert. Eine diesbezügliche Überraschung wäre am Ende gar keine.

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