Finanzexperte Otte:
"Ich empfehle Aktien"

Im Jahr 2006 sagte Max Otte die Finanzkrise voraus. Seither ist der Wirtschaftsprofessor und Fondsmanager ein Star in seiner Branche. Im Interview mit News gibt Otte Tipps für die Geldanlage - sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene.

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Wirtschaft - Finanzexperte Otte:
"Ich empfehle Aktien"

Herr Professor Otte, Sie haben 2006 den Crash für 2008 vorhergesagt. Wann droht uns der nächste?
Ich glaube nicht, dass wir wieder so einen großen Finanzcrash sehen werden. Dafür greifen die Notenbanken zu stark ein. Ich rechne vielmehr mit einem Crash auf Raten. Denn in irgendeiner Weise muss es zu einer Schuldenbereinigung kommen.

Klingt auch nicht beruhigend. Wie stelle ich mich da als Anleger sicher auf?
Die Erfolgsstrategie ist ähnlich wie beim Tennis: Nicht der gewinnt, der am elegantesten, sondern der, der am kontrolliertesten spielt. Fehler beim Anlegen vermeiden bringt mehr, als jedem Finanztrend hinterherzuhecheln.

Also zurück zum guten alten Sparbuch und zu soliden Staatsanleihen?
Anleihen gehen derzeit gar nicht! Der Ertrag ist gering, das Risiko zu hoch. Ich frage mich, wieso die Anleihen von Staaten wie Deutschland mit Triple A, also bester Bonität, bewertet werden können, wenn die Staatsverschuldung bei 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. In solche Ratings kann ich doch nicht vertrauen. Ich empfehle daher Aktien.

Auch den risikoaversen Anlegern?
Ja. Kaufen Sie Aktien, dort investieren auch die Reichen und Pensionskassen, und die haben eine starke Lobby, sorgen für Stabilität.

Mit welchen Aktien würden Sie beginnen?
Mit den langweiligsten Papieren. Wenn ich ein Skianfänger bin, wähle ich auch die blaue Piste und schmeiße mich nicht gleich in den Tiefschnee.

»Eine Dividende alleine ist noch kein Gütesiegel«

Was sind langweilige Aktien? Dividendenaktien?
Eine Dividende alleine ist noch kein Gütesiegel. Ein Unternehmen sollte in der Lage sein, die Dividende von Jahr zu Jahr auch noch steigern zu können.

Wie Nestlé oder Procter & Gamble?
Zum Beispiel. Ich kaufe die beiden Werte für meine Fonds zwar nicht mehr, weil sie schon ihren Preis haben und ich teilweise sportlicher fahre. Wem allerdings diese Expertise fehlt, der kann mit diesen Klassikern nichts falsch machen. Sie bieten Jahr für Jahr rund drei Prozent Dividende und langfristig einen moderaten Kursanstieg. Was will man mehr!

Und wenn man doch mehr will?
Dann kann man einen Teil seines Vermögens Fondsmanagern anvertrauen, die chancenreicher veranlagen und dabei das Risiko besser managen. Das können sie schon deshalb, weil sie mit einem größeren Anlagevermögen auch das Risiko besser streuen können. Meine Fonds sind aktuell wieder stärker in Zykliker investiert (besonders konjunkturabhängige Aktien, Anm.) und halten Ausschau nach europäischen Banken. Sie sind derzeit sehr billig und bringen vier bis fünf Prozent Ertrag. Wenig versierte Privatanleger sollten beim Kauf von Einzelaktien hingegen nur auf Qualität setzen.

Was ist Qualität?
Das Unternehmen muss eine Langfristperspektive haben. Das Geschäftsmodell muss passen, es sollte nicht bloß ein Hype um die Aktie sein. Und das Unternehmen sollte in der Lage sein, die Dividende aus den Gewinnen zahlen zu können. Die Ausschüttungen sollten von Jahr zu Jahr auch noch nachhaltig steigen.

Zauberwort nachhaltig. Sind grüne oder ethische Geldanlagen nicht die besseren, krisensicheren Investments?
Ich halte persönlich nichts von diesen Geldanlagen. Daran verdienen doch vor allem die Ratingagenturen, die die Nachhaltigkeit der Produkte attestieren. Das ist Geldschneiderei und Augenauswischerei. Nehmen Sie nur den beliebten "Best in Class“-Ansatz bei nachhaltigen Geldanlagen. Hier wählt man das umweltverträglichste oder sozialste Unternehmen seiner Branche. Ich könnte theoretisch in den humansten Waffenproduzenten investieren oder jenen Ölkonzern ins Portfolio nehmen, der noch am umweltfreundlichsten ist. Das ist doch blanker Unsinn! Auch wenn ich bestimmte Branchen ganz ausschließe. Solange ich Auto fahre, kann ich mir doch auch eine Ölaktie kaufen.

»Auf Rohstoffspekulationen sollten sich Anfänger ohnehin nicht einlassen«

Apropos Öl: Rechnen Sie jetzt mit einem rasanten Preisanstieg?
Der wird schaumgebremst sein. Denn steigt der Ölpreis, lohnt sich das Fracken (spezielle Erdöl- und Erdgasförderung, Anm.) wieder. Das zusätzliche Angebot macht Öl wieder billiger. Auf Rohstoffspekulationen sollten sich Anfänger ohnehin nicht einlassen, die sind viel zu heiß. Wenn Sie schon auf Öl setzen möchten, dann auf die Aktien renommierter Ölkonzerne. Die bieten solide fünf Prozent Dividende.

Was ist mit Edelmetallen?
Gold glänzt immer. Man sollte es sich aber nicht in Form von Wertpapieren, sondern physisch zulegen.

Wie viel davon und zu welchem Preis?
Eine gesunde Risikostreuung wäre, wenn man zehn Prozent seines Vermögens in Gold, 20 Prozent in täglich verfügbares Geld, 35 Prozent in Aktien und 35 Prozent in Immobilen steckt.

Immobilien? Sind die nicht schon zu teuer?
So pauschal würde ich das nicht behaupten. Ich habe mir vor Kurzem auch ein Reihenhäuschen in guter Lager gekauft und es zu 1,5 Prozent günstig finanziert. Das macht Sinn. Sie sollten aber das Objekt selektiv auswählen. Bei einer Immobilie kommt es wie bei einer Aktie auf die Bewertung an. Keinesfalls um jeden Preis und schon gar nicht alles kaufen!

»Wenn man jung ist, ist mieten besser als kaufen«

Für den Eigengebrauch ist eine Immobilie doch immer ein gutes Investment. Man spart sich die Miete.
Das ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Wenn man jung ist, ist mieten besser als kaufen. Junge Menschen können sich selten Wohnungen in Toplagen leisten und kaufen sich unattraktive Objekte in Randlagen ohne Wertsteigerungspotenzial. Da investiert man doch besser sein erstes Geld in Aktien und schafft sich mit den Kursgewinnen dann etwas Anständiges an.

Okay, aber welche Aktien?
US-Aktien sind bereits überteuert, da muss man schon nach Perlen fischen. Ich denke da an die VF Corporation mit Marken wie Wrangler oder North Face. Nicht überbewertet finde ich europäische Aktien.

Woran können Sie das ablesen?
An den Renditeerwartungen des Marktes. Sie liegen für den deutschen Leitindex DAX bei sieben Prozent, beim ATX noch darüber. Somit weit über dem langjährigen Schnitt von drei bis vier Prozent.

Wenn Sie schon einen Crash voraussehen können: Hätten Sie für uns konkrete Aktientipps?
Kartonhersteller Mayr-Melnhof und das Industrieunternehmen Semperit.

Was ist mit den exotischeren Märkten?
Japan schaue im mir für meine Fonds an. Der Markt ist immer noch billig. Interessant sind auch die Börsen Brasiliens und Hongkongs und für jene, die noch mehr riskieren wollen und auf die Aufhebung der Sanktionen spekulieren, auch Russland.

Zur Person: Finanzexperte Max Otte ist Leiter der Instituts für Vermögensentwicklung GmbH (IFVE) und Wirtschaftsprofessor in Graz. Er gilt als Anhänger der US-Value-Investoren Benjamin Graham und Warren Buffett, die in solide Unternehmen mit einem günstigen Kurs-Buchwert-Verhältnis veranlagen. Otte managt den Mitte März 2008 aufgelegten PI Global Value Fund und den neu auch in Österreich zugelassenen Max Otte Vermögensbildungsfonds. Otte veröffentlichte 2006 seinen Bestseller "Der Crash kommt“. Sein jüngstes Werk: "Investieren statt sparen - Anlegen in Zeiten von Niedrigzinsen, Bargeldverbot und Brexit“ (Econ-Verlag).