Expedition "Nationalpark Hohe Tauern"

Auf den Spuren der Wildtiere

Licht gibt es in der Gatternighütte keines, nur eine Kerze auf einem Schemel neben dem Bett. Um fünf in der Früh, wenn wir von diesem stillen Winkel im Kaponigtal losgehen werden, wird es noch finster sein, also richte ich meine Sachen her, damit ich nur hineinzuschlüpfen brauch’. Dann putz’ ich mir die Zähne an der Kuhtränke, suche das Plumpsklo auf und lege mich nieder. Ausgestreckt auf dem Bett liege ich in der Dachkammer wach und schau zum offenen Fenster mit dem grün-weiß karierten Vorhang, dem Stück Himmel dahinter und dem Streifen Wald, der sich dunkel abzeichnet. Ich höre das muntere Plätschern des Baches und erwarte die Nacht, die Sternennacht ohne Kunstlicht, ohne flimmernde Bilder, ohne Pieps- oder Klingeltöne. Doch bevor es so weit ist, bevor die ersten Sterne auftauchen, bin ich schon eingeschlafen, sieben Stunden später dafür dann bereits hellwach beim ersten Klopfen an der Tür. Ron, der Nationalpark-Ranger, und sein Hund „Shadow“ (er heißt so, weil er immer im Schatten seines Herrn geht) müssen nicht lange auf mich warten. Wir marschieren los. Noch hab ich keine genaue Vorstellung, kein Bild davon, was ein Nationalpark ist.

 Expedition "Nationalpark Hohe Tauern" © Bild: Georg Khittl

Wir folgen dem Lauf des Baches. Die Schritte federn über weichen, moosigen Wiesenboden. Der Bach verschwindet plötzlich und fließt ein Stück lang unterirdisch dahin. Wir kommen zu einer Lichtung, und da liegen große Felsbrocken und Baumstämme, die überwuchert sind von Gräsern, Heidelbeerstauden, Klee und Farnen.

© Georg Khittl

Das Holz ragt zerbröselt aus diesem Sammelsurium unterschiedlicher Blattformen heraus. Lebendiges und Totes existiert nebeneinander. Die Walderdbeeren, die überall am Wegesrand wachsen, schmecken dermaßen intensiv, dass ich mir gut vorstellen kann, wie gut den Kühen die Gräser und Kräuter hier wohl schmecken würden. Doch Kühe gibt es keine. In der Kernzone des Nationalparks greift der Mensch nicht ein – Steinbock, Gams, Bartgeier und Auerhahn sind unter sich. Die Natur ist sich selbst überlassen. Umgefallene Bäume bleiben liegen, Pilze, Käfer und andere Insekten höhlen sie aus und lassen sie irgendwann wieder zu Staub werden. „Das ganze Leben auf der Erde hat so begonnen“, erklärt Ron und zeigt auf einen pistaziengrünen, erbsengroßen Fleck auf einem Felsbrocken: Das sind die ersten Flechten, die „Landkartenflechten“. Wenn sie sich gebildet haben, kommen die grauen Flechten nach.

© Georg Khittl

Und irgendwann wächst Moos darauf, und wenn das Moos wächst, dann kann sich eine Humusschicht bilden, und dann geht das so weiter: Die Humusschicht wird größer, zuerst gedeihen kleine Pflanzen und Gräser darauf, dann folgen Stauden, dann kommen Bäume, und zuletzt die Tiere. „Was ich dir in zwei Minuten hier erzähle, das hat tausende von Jahren gedauert ...“

© Georg Khittl

Während wir weg waren, hat Karoline, Rons Frau, den Holzofen eingeheizt und Wasser zum Kochen aufgesetzt. Als sie uns kommen sieht, ruft sie: „Kaffee?“ Ich nicke nur, nehm’ den Rucksack vom Rücken und lasse mich auf die Bank vorm Haus fallen. Der Tisch ist schon fürs Frühstück gedeckt. Wie angenehm, jetzt nichts tun zu müssen. Nach den ersten paar Bissen Frigga, das ist die Kärntner Eierspeise mit Käse und Speck, kehren die Kräfte allmählich zurück.

© Georg Khittl

www.nationalpark-hohetauern.at

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