Ein Urteil mit Folgen: Selbständiger Berater klagte auf Anstellung - und bekam Recht

Präzedenzurteil des OGH gegen Finanzdienstleister In Österreich arbeiten 4.000 selbständige Berater

Ein selbständiger Berater der MLP hat auf Anstellung geklagt und vor dem OGH Recht bekommen. Jetzt könnte Finanzdienstleistern eine Klagsflut drohen.

Ein Urteil mit Folgen: Selbständiger Berater klagte auf Anstellung - und bekam Recht

So wirklich zufrieden war Georg Zenker mit seinem Job als Berater bei der MLP AG ohnehin nie. Der Grazer träumte von mehr Eigenständigkeit, doch verdiente er bei der Österreich-Tochter des deutschen Finanzdienstleisters gut, und Consulter sein wollte der damals frischgebackene Absolvent der WU Wien auch schon immer. Also hielt er durch – fast dreieinhalb Jahre.

Haftung statt Boni
Als Zenker das Unternehmen 2007 verlassen wollte, stieß er unerwartet auf Widerstand: „Die Firma war mir Beraterhonorare schuldig, wollte aber nicht zahlen.“ Zudem drohte man ihm, dass im Fall spät auftretender Folgen von Fehlberatungen er dafür haften müsse – und nicht das Unternehmen. „Von Bonifikationen war plötzlich auch keine Rede mehr“, sagt Zenker, dem nach mehreren gescheiterten Gesprächen mit seinem Chef der Geduldsfaden riss. „Ich musste mich an Angestelltenregeln halten, war weisungsgebunden. Aber die Vorteile eines Angestelltenverhältnisses, zum Beispiel das 13. und 14. Monatsgehalt oder die Mitarbeitervorsorgekasse, blieben mir vorenthalten“, sagt Zenker, der Anfang 2008 Klage am Landesgericht Graz einbrachte. Zenker, heute Geschäftsführer der Salzburger Beratungsfirma Bogen & Partner Wealth Managers GmbH, sollte nicht nur dort Recht bekommen, sondern nach Berufung gegen das Urteil seitens der MLP AG auch vor dem Grazer Oberlandesgericht – und schließlich vor dem OGH. Jetzt will er seine Ansprüche geltend machen.

Klagsflut programmiert  
Der FORMAT vorliegende Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. August 2009 sorgt in der Branche bereits für heftigen Wirbel. Denn dort steht schwarz auf weiß, dass der selbständige Berater ein Recht auf Anstellung hatte: „Das Berufungsgericht hat (…) ein unselbständiges Arbeitsverhältnis des Klägers bejaht. (...) Zum einen erschöpfte sich die Tätigkeit des Klägers (…) keineswegs in den vom WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz, Anm.) geregelten Agenden (…) Zum anderen lassen sich wesentliche, für eine unselbständige Tätigkeit des Klägers sprechende Kriterien (Anwesenheitspflichten, Eintragung des Einlangens am und Entfernung vom Arbeitsplatz, Meldung von Außendiensttätigkeiten, Urlaubsbekanntgaben etc.) in keiner Weise auf verpflichtende Bestimmungen des WAG zurückführen.“

Richtungsweisendes Urteil
Auf Anfrage sagt MLP-Sprecher Jan Berg: „Bei der aktuellen Entscheidung des OGH handelt es sich lediglich um einen Einzelfall, der keinerlei Auswirkungen auf die übrigen MLP-Berater hat.“ Zenkers Anwalt Arno Likar bezeichnet das Urteil hingegen als richtungsweisend: „Damit ist endgültig klargestellt, dass sogenannte selbständige Berater als Dienstnehmer im Sinn des Angestelltengesetzes qualifiziert werden können.“ Der OGH-Beschluss droht für die im Zuge der Finanzkrise ohnehin schon zu zweifelhaftem Ruf gelangte Branche tatsächlich zum Stolperstein zu werden: Laut Angaben der WKO arbeiten derzeit rund 4.000 selbständige Berater für in Österreich tätige Finanzdienstleister ( siehe Tabelle ). „Mit Klagen auf Basis des OGH-Urteils ist zu rechnen. Freie Dienstnehmerverhältnisse sind für Arbeitgeber generell riskant, weil es massive Unterschiede etwa bei Urlaubsansprüchen gibt“, sagt Arbeitsrechtlerin Sieglinde Gahleitner.

Nachzahlungen absehbar
„Es ist anzunehmen, dass sich auch Sozialversicherung und Finanzamt auf Basis des seit 26. August 2009 rechtskräftigen Urteils mit Forderungen an die MLP wenden“, ergänzt Likar. Im Klartext: Die Sozialversicherung kann Dienstgeberbeiträge nachträglich einfordern und das Finanzamt auf Steuernachzahlungen pochen (zum Beispiel für Mitarbeitervorsorgekassen, Urlaubs- und Sonderzahlungen, das 13. und 14. Monatsgehalt). Sämtliche Ansprüche dürfen seit Bestehen des jeweiligen Unternehmens gestellt werden. Für viele Finanzdienstleister könnte das zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen.

Von Silvia Jelincic, Mitarbeit: Harald Prosch