ORF: Neuer Stil,
alte Usancen

Im ORF fanden in den letzten Tagen Hearings für Jobs statt, die dem Vernehmen nach schon seit Längerem vergeben sind.

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Economy Class - ORF: Neuer Stil,
alte Usancen

Die Öffentlichkeit staunt über ein merkwürdiges Schauspiel: Im ORF fanden in den letzten Tagen Hearings für Jobs statt, die dem Vernehmen nach schon seit Längerem vergeben sind. Nicht die in der Anhörung unter Beweis gestellten Kompetenzen entscheiden nämlich darüber, wer Channelmanager oder Chefredakteur von ORF eins und ORF 2 wird, sondern die Nähe zu einer regierenden Partei.

Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass alle solcherart zum Zug Gekommenen wild gewordene Parteigänger sind, die auf Parteisekretärs-Anruf die "ZiB" in eine b0tmäßige Lobhudelei umbauen. Immer wieder sind parteipolitisch punzierte Journalisten zu Unrecht in Verdacht geraten. Aber es gibt auch Negativbeispiele. Und dazu kommt, dass diese groteske Praktik nicht automatisch den besten Kandidaten die besten Chancen einräumt, sondern zumindest von außen schwer nachvollziehbare Blitzkarrieren im Windschatten politischer Machtwechsel erlaubt. Im Endeffekt schadet sie allen: den qualifizierten Führungskräften, die in den Geruch politischer Willfährigkeit geraten. Den Politikern, die neuen Stil predigen und mit großer Sorgfalt alte Usancen pflegen. Und vor allem der Glaubwürdigkeit des ORF.

Es ist auch an dieser Stelle festzuhalten, was Kritiker seit Jahrzehnten so gebetsmühlenartig wiederholen, dass ihnen schon fast keiner mehr zuhört: Politik raus aus dem ORF. Finger weg vom journalistischen Geschäft. Die Welt staunt über Donald Trumps Verständnis von Pressefreiheit, alteriert sich über Facebook und Co, aber dass im ORF Hearings für Jobs veranstaltet werden, die schon längst vergeben sind? Ist halt so.

Allen Politikern, die sich gerade an dem Irrglauben erfreuen, ihre (Um-)Färbeaktionen brächten à la longue irgendetwas außer Misstrauen und Destabilisierung des starken ORF, den sie so gerne beherrschen wollen, zur Erinnerung: 2006, zur Zeit der ersten schwarz-blauen Koalition, herrschte im ORF der mächtige Chefredakteur Werner Mück. Vor fast auf den Tag genau zwölf Jahren hielt Armin Wolf anlässlich der Verleihung des Hochner-Preises eine Rede, die eine heftige Debatte über politische Einflussnahme auf den ORF auslöste und den Anfang vom Ende des damaligen Systems bedeutete. Wörtlich formulierte er damals, nur wer "das beste, informativste, klügste, spannendste, vielfältigste und insgesamt aufregendste Programm" mache, solle im ORF eine Führungsaufgabe übernehmen, selbst wenn sich die Parteisekretariate dieses Landes jeden Tag darüber ärgerten. Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen.

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Kommentare

Diese Aussagen sind so nebulös, es werden keine Namen genannt, man tappt völlig im Dunkel, wer da gemeint sein kann.
Der Staatskunk war immer schon ein Rätsel für sich und ein undurchsichtiges Geflecht von Fäden, die irgendwer, irgendwann, irgendwo spinnt.

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