Sputnik-V: Was steckt hinter dem russischen Impfstoff?

Sputnik-V ist mehr als ein bloßes Vakzin. Es fungiert auch als außenpolitisches Werkzeug des Kreml.

von
THEMEN:
Corona - Sputnik-V: Was steckt hinter dem russischen Impfstoff?

Mit Sputnik-V haben russische Wissenschafter im vergangenen Jahr einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, der nach bisherigem Wissen ähnlich wirksam wie westliche Produkte sein dürfte. Sputnik-V ist aber mehr als ein bloßes Vakzin. Es fungiert auch als außenpolitisches Werkzeug des Kreml, der auf eine intensive und teils aggressive Vermarktung dieser russischen Errungenschaft im Ausland setzt.

Nicht nur staatlich kontrollierte Medien in Russland vermitteln derzeit den Eindruck, dass Sputnik-V in erster Linie das Ausland interessiert. Die überwältigende Mehrzahl an Meldungen beschäftigt sich damit, welcher weiterer Staat gerade eine Notfallzulassung beschlossen hat, wohin Russland den Impfstoff liefert, wo er im Ausland produziert werden könnte und wo - wie am Dienstag in Österreich - gerade verstärktes Interesse bekundet wurde.

Lesen Sie auch: Corona: Was kann welcher Impfstoff? [Überblick]

Von einer großangelegten und wirksamen Kampagne, die die russische Bevölkerung motivieren würde, sich selbst impfen zu lassen, kann indes keine Rede sein. In einer Anfang März veröffentlichten Meinungsumfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums erklärten 62 Prozent der Befragten, sich nicht mit Sputnik-V impfen lassen zu wollen und begründeten dies insbesondere mit der Angst vor Nebenwirkungen.

Obwohl die Anzahl der potenziellen Impfverweigerer laut Lewada-Zentrum zuletzt sogar angewachsen war, setzte auch der russische Präsident Wladimir Putin diesem Trend nur wenig entgegen. Als er sich am 23. März impfen ließ, tat er dies ostentativ unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vermied damit eine mediale Inszenierung, die der Bevölkerung nahegelegt hätte, es ihm nachzutun.

In Russland geimpft...

Laut aktuellen russischen Medienberichten von Ende vergangener Woche waren lediglich in etwa 4 Prozent der Bevölkerung geimpft. Demnach waren es sechs Millionen Russen, davon hatten mehr als vier Millionen die zwei erforderlichen Impfdosen erhalten. Experten sprachen gleichzeitig von der Notwendigkeit, 60 bis 70 Millionen Menschen im Land zu impfen.

Anders als in Russland selbst setzt der Kreml im Ausland auf eine intensive Kampagne, für die formal der Russische Fonds für Direktinvestitionen (RFPI) verantwortlich. Diese staatliche Gesellschaft wird von Kirill Dmitrijew geleitet, der bereits in den letzten Jahren für außenpolitische Spezialaufträge des Kreml etwa in den USA und Saudiarabien verantwortlich war. Unabhängige russische Medien sahen Dmitrijew zuletzt nahezu als Teil der Familie des russischen Präsidenten: Seine Frau Natalja Popowa ist Stellvertreterin von Putins angeblicher Tochter Katerina Tichonowa in einer Moskauer Stiftung, die sich mit wissenschaftlicher Innovation beschäftigt.

»Die sind extrem aggressiv und waren auch bei uns«

Im Zusammenhang mit der Vermarktung von Sputnik-V traf Dmitrijew auch hochrangige ausländische Politiker. Am 5. März führte er etwa in Wien Gespräche mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die zwischenzeitlich zum russischen Angebot führten, eine Million Impfdosen Sputnik-V von April bis Juni 2021 nach Österreich zu liefern.

Russland hat Impfstoffe öffentlichkeitswirksam bereits an mehr als 20 Staaten geliefert, die Rede derzeit ist auch von Zulassungen in knapp 60 Staaten. Um die große internationale Nachfrage befriedigen zu können, müssen freilich noch Produktionskapazitäten insbesondere im Ausland geschaffen werden. Auch daran wird derzeit intensiv gearbeitet. "Die sind extrem aggressiv und waren auch bei uns", beschrieb vergangene Woche Boehringer Ingelheim-Chef Philipp von Lattorff in einem APA-Interview diesbezüglichen Besuch aus Russland.

Dmitrijews Fonds ist aber insbesondere auch für den ausschließlich in englischer Sprache betriebenen Sputnik-V-Twitteraccount verantwortlich, der am Dienstag die Veröffentlichung seiner 1.000 Kurzmeldung feierte. @sputnikvaccine äußert sich auch politisch gegenüber ausländischen Politikern und Beamten. Als sich etwa Anfang März die AGES-Abteilungsleiterin Christa Wirthumer-Hoche, die als Vertreterin Österreichs Vorsitzende des EMA-Verwaltungsrats amtiert, zurückhaltend über Notfallzulassungen von Sputnik-V in einzelnen EU-Staaten äußerte, wurde sie von russischer Seite heftig kritisiert.

Österreich interessiert am Impfstoff

Die Frage von Notfallzulassungen könnte jedenfalls in den nächsten Wochen auch in Österreich relevant werden. Sollte die Regierung ein russisches Angebot annehmen, würde eine erste Lieferung von Sputnik-V im April höchstwahrscheinlich noch vor einer Zulassung des russischen Impfstoffs durch die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erfolgen. Letztere prüft bekanntlich seit Anfang März und plant für Mitte April eine Inspektion der russischen Produktionsstätten. Bis zu einer EMA-Zulassung für die gesamte EU dürfte es laut Medienberichten jedoch noch einige Monate dauern.

Kommentare