Amour fou

von Christoph Lehermayr © Bild: News/Ian Ehm

Welch weiche Stimme. Und welch Kraft doch darin lag. Er sprach frei, ganz ohne Teleprompter, und trotzdem so klar. Frankreichs Medien überschlugen sich förmlich in ihren Sympathiebekundungen. Ihr Herz gehört dem Neuen, der in Lyon seinen Wahlkampfauftakt hinlegte: Emmanuel Macron, 39 Jahre alt, einst Wirtschaftsminister unter Präsident Hollande und nun die große Hoffnung auf dessen Nachfolge.

Ende April findet Europas entscheidendste Wahl in diesem Jahr statt. Und bei der geht es um alles. Wieder einmal. Nach Brexit und nach Trump gleicht die EU einem Boxer, der angezählt im Ring taumelt. Da ein blaues Auge, dort mit Blessuren übersät, hängt er in den Seilen und weiß nicht, wie viele Schläge er noch übersteht. Die Frau, die zum finalen Knockout ansetzen will, ist Marine Le Pen, Chefin des rechten Front National. Sie möchte Präsidentin werden und dann das Volk über Euro und EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. Alle Umfragen geben ihr beste Chancen, in die Stichwahl am 7. Mai zu gelangen. Bleibt nur noch die Frage, wer ihr dort als Gegner entgegentritt.

Die Favoriten dafür fallen förmlich von selbst aus dem Ring. Erst der glücklose Präsident Hollande, der aus Schmach über seine Amtszeit gar nicht mehr antreten mag. Dann Ex-Präsident Sarkozy, der vor lauter Korruptionsverfahren mehr vor Gericht verloren hat als im Élysée-Palast. Sein Ersatz als Spitzenkandidat der Konservativen, François Fillon, gab lange den tugendhaften Bonvivant. Bis herauskam, dass er Gattin Penelope und zwei seiner Kinder über Jahre auf Steuerzahlerkosten scheinbeschäftigt haben soll. Quel malheur! Verbleibend als Bastion gegen Le Pen: ein paar wackere Linke, deren Charme die Grenzen der eigenen Basis wohl kaum überschreiten dürfte - und eben Monsieur Macron.

Der ist anders, will weder links noch rechts sein, sein Programm von den Bürgern ausarbeiten lassen und sich ganz ohne Partei zu deren Fürsprecher krönen. Im Gegensatz zu Le Pen zeichnet er das Bild eines positiven, zuversichtlichen Landes, das an Europa glaubt. Sonst weiß man nicht viel über ihn. Dass er früher Investmentbanker war, wird ihm im Wahlkampf zwar kaum ein Vorteil sein. Doch sonst wirkt seine Weste weiß. Bis eine von Russland gesteuerte Schmierkampagne begann. Zuvor schmunzelten die Franzosen darüber, dass Macron seine um 24 Jahre ältere einstige Französischlehrerin geheiratet hatte. Eine verrückte Liebe, l'amour fou, so was verfängt an der Seine. Und nun hieß es von Kreml-Medien, er führe ein Doppelleben und sei schwul. Macron lachte, dementierte und machte einfach weiter. "From Russia with love" funktioniert vielleicht in Moskau, nicht aber bei den Franzosen, die sich ihre neue Amour fou nicht so leicht austreiben lassen.

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