Die Checkliste für Ihre
Lebensversicherungen

Rund neun Millionen Lebensversicherungen gibt es derzeit in Österreich. Doch nicht jeder Kunde ist damit zufrieden, manch einer zieht im Extremfall auch vor Gericht. Aber wie gut ist Ihre Versicherung?

von
Wirtschaft - Die Checkliste für Ihre
Lebensversicherungen

Lebensversicherung ja oder nein? Der Ruf dieser bei den Österreichern sehr beliebten Absicherungs-und Anlageform hat in den letzten Jahren stark gelitten: Früher als besonders geeignet für die Vermögensbildung bei gleichzeitiger Absicherung von Familienmitgliedern sowie als Möglichkeit für eine Zusatzpension angesehen, ist sie heute ziemlich umstritten. Das hat nicht nur mit einer schwachen Rendite-Entwicklung, sondern vor allem mit zahlreichen Klagen zu tun. Unklarheiten beim Rücktrittsrecht, Streitigkeiten um die ausbezahlten Rückkaufsummen sowie hohe Gebühren bei fondsgebundenen Lebensversicherungen stehen bei den Gerichtsprozessen im Mittelpunkt. Trotz 7.000 Vergleichen im Vorjahr werden aktuell mehr als 900 umstrittene Fälle von Lebensversicherungen behandelt, und bei den fondsgebundenen zeichnet sich eine neue Klagewelle ab.

Aus Sicht der Assekuranzen hat zwar alles seine Richtigkeit, viele Konsumenten sind aber verunsichert. Zudem bastelt die Politik schon seit dem Vorjahr an einer Novellierung des ewigen Rücktrittsrechts. Hier dürfte es in Kürze rechtliche Änderungen für die Kunden geben.

News hat im Folgenden 30 Punkte aufgelistet, die Ihnen einen Überblick zum Thema Lebensversicherung geben und Ihnen helfen sollen, falls Sie Zweifel haben, ob Sie mit Ihrer richtig liegen. Und wenn das nicht der Fall sein sollte, was Sie tun können, um dies zu ändern -und die für Sie beste Variante zu finden.

Wie viele Österreicher haben eine Lebensversicherung?
Derzeit gibt es knapp neun Millionen Lebensversicherungen. Davon sind 1,5 Millionen reine Ablebensversicherungen und 7,4 Millionen Verträge zum Kapitalaufbau und zur Altersvorsorge. 2017 wurden 1,9 Millionen Neuverträge geschlossen; das Prämienvolumen betrug 5,8 Milliarden Euro. Die Versicherungssummen beliefen sich auf 210 Milliarden Euro. An Kunden ausbezahlt wurden im vergangenen Jahr 7,1 Milliarden Euro.

Wer kann von Problemen betroffen sein?
Prinzipiell jeder, der eine Lebensversicherung abgeschlossen hat -egal, ob diese bereits ausbezahlt wurde oder noch nicht. Sowie alle Assekuranzen, die Zores mit etwaigen Fehlberatungen beim Rücktrittsrecht, prämienfrei gestellten Polizzen oder hohen Gebühren bei fondsgebundenen Varianten haben könnten.

Welche Lebensversicherungen gibt es?
Es gibt verschiedene Produkte - von der reinen Ablebensversicherung über Er-und Ablebensversicherung oder fondsgebundene Varianten bis zur Zukunftsvorsorge.

Wie hoch ist der Anteil der fondsgebundenen Versicherungen?
Die Versicherungssummen der fondsgebundenen Varianten machen 20 Prozent bzw. 42 Milliarden Euro aus. Ihr Prämienvolumen betrug im Vorjahr 1,9 Milliarden Euro. In der Vergangenheit wurden fondsgebundene Lebensversicherungen oft als Tilgungsträger für Fremdwährungskredite eingesetzt.

Warum sind fondsgebundene Lebensversicherungen umstritten?
Bei diesen hängt die Höhe der Leistungen in erster Linie von der Wertentwicklung der in einem Fonds zusammengefassten Vermögensanlagen ab. Man ist zwar am Gewinn dieser Vermögensanlage beteiligt, muss aber auch die Verluste tragen, wenn der Fonds schlecht performt. Für jemanden, der auf eine sichere Rendite Wert legt, ist so eine Versicherung nichts.

Was ist der Hauptkritikpunkt?
Abgesehen vom Risiko monieren Konsumentenschützer, dass bei diesen die Gebühren viel zu hoch seien und jedenfalls teurer, als wenn man einen klassischen Fonds bei einer Bank kaufen würde.

Welche Gebühren fallen bei fondsgebundenen Lebensversicherungen an?
Wesentliche Kosten sind Verwaltungskosten für laufende Bestandsführung und Inkasso, Abschlusskosten als Vergütung für den Vermittler bzw. zur Deckung der Kosten der Vertragserrichtung, Risikokosten zur Deckung des Ablebensrisikos, Fondskosten und die Versicherungssteuer, die an das Finanzministerium abzuführen ist.

Wie viele Lebensversicherungen werden vorzeitig aufgelöst?
Gut die Hälfte aller abgeschlossenen Lebensversicherungen werden vor dem Ablaufdatum -meist innerhalb der ersten zehn Jahre der Laufzeit - wieder aufgelöst. Allein im Jahr 2016 betrug das Rückkaufvolumen rund zwei Milliarden Euro.

Was ist der Grund dafür?
Die Gründe sind meist privater Natur; beispielsweise wenn nach einer Scheidung das familiäre Vermögen aufgeteilt wird.

Worauf muss ich bei einem Abschluss einer Lebensversicherung achten?
Die Versicherung sollte den individuellen Bedürfnissen angemessen sein. Der Versicherungszweck ist besonders wichtig: Es macht einen großen Unterschied, ob ich eine Altersvorsorge in Form einer lebenslangen Rente will oder eine Kreditabsicherung in Form einer Ablebensrisikoversicherung benötige. Sie sollten sich daher folgende Grundsatzfragen stellen: Wie ist der persönliche Bedarf? Welche Leistungen sind mir wichtig? Wen möchte ich absichern? Welche Prämienhöhe ist für mich dauerhaft leistbar? Wie risikobereit bin ich? Wie lange möchte ich investieren bzw. welche Pläne habe ich? Welche Zusatzversicherungen wären als Ergänzung sinnvoll?

Wie hoch sollte die Versicherungssumme sein?
Bei der Höhe der Versicherungssumme einer Ablebensversicherung gilt es, gut zu überlegen. Sie sollte ausreichend hoch gewählt werden, damit die Hinterbliebenen nicht in finanzielle Bedrängnis kommen. Bei einer Ablebensversicherung zur Besicherung eines Kredits sollten Sie sich an der Höhe des Kredits orientieren. Vor Abschluss ist auch zu überlegen, wie hoch eine -auf jeden Fall -leistbare Prämie ist.

Welche Laufzeiten gibt es und welche ist am sinnvollsten?
Die Mindestlaufzeiten betragen meist nur wenige Jahre. Die Höchstlaufzeiten sind unterschiedlich geregelt. Einige Versicherungen haben Limits bei den Laufzeiten von 25 oder 30 Jahren, andere nicht. Daneben gibt es meist zusätzlich ein "Höchstendalter". Das ist jenes Alter, das zum Ende der Laufzeit maximal erreicht sein darf. Es beträgt häufig 75 Jahre. Es ist in den meisten Fällen günstiger, von vornherein eine längere Versicherungsdauer zu vereinbaren. Zwei Verträge hintereinander sind häufig teurer, da Sie beim zweiten Vertrag aufgrund des dann höheren Lebensalters in eine höhere Prämienstufe fallen.

Was sind die drei wichtigsten Punkte, auf die ich achten muss?
Ganz wichtig ist, darauf zu achten, dass die Versicherung den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht und die Prämienhöhe so gewählt wird, dass sie auch dann bezahlt werden kann, wenn etwas Unvorhersehbares eintritt. Achten Sie auch auf die Versicherungsdeckung: Wann wird aus welchem Grunde was ausbezahlt? Welche Möglichkeiten habe ich, die Versicherungsleistung zu beziehen: z. B. einmalige Kapitalleistung oder lebenslange Rente? Welche Risiken habe ich im Vergleich zu den Entwicklungschancen?

Was versteckt sich im Kleingedruckten?
Eine Versicherungspolizze hat in der Regel zahlreiche Seiten. Die darin aufgelisteten Bedingungen sind unbedingt genau zu beachten, da es sich um eine wesentliche Vertragsgrundlage mit allen möglichen Details handelt. Im Kleingedruckten von Finanzprodukten verbergen sich unzählige Kostenpunkte, die in Angebotsvergleichen nicht berücksichtigt werden müssen. Bezahlt werden müssen sie trotzdem.

Wie hoch ist die Versicherungssteuer?
Die Versicherungssteuer bei Lebensversicherungen beträgt in der Regel vier Prozent. Sie kann sich im Fall der Auflösung vor der Mindestlaufzeit des Vertragsabschlusses -je nach Lebensalter zehn oder 15 Jahre -auf elf Prozent erhöhen.

Wie hoch sind weitere Gebühren?
Die Kosten sind produktabhängig. Die vollständigen Vertragsunterlagen sollten detailliert Auskunft darüber geben.

Was ist das Rücktrittsrecht - und wie funktioniert es?
Das ist ein Element des Konsumentenschutzes, das vor übereilten Entscheidungen schützen soll. Ein Rücktritt vom Versicherungsvertrag kann im Grunde formlos ausgeübt werden, aus Gründen der Belegbarkeit empfiehlt es sich aber, einen Rücktritt vom Vertrag schriftlich zu erklären. Normalerweise beträgt das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen 30 Tage.

Wie umfassend muss eine Beratung über das Rücktrittsrecht sein?
Als Kunde haben Sie über ihr Rücktrittsrecht informiert bzw. belehrt zu werden. Dies erfolgt im Rahmen einer vollständigen vorvertraglichen Dokumentation. Darin sind alle (derzeit sechs möglichen, historisch gewachsenen) gesetzlichen Rücktrittsrechte angeführt. Eine falsche oder fehlerhafte Rücktrittsbelehrung ist so zu behandeln, als hätte gar keine Beratung stattgefunden. Laut einer Entscheidung des EuGH haben Kunden ein lebenslanges Rücktrittsrecht, wenn sie über das Rücktrittsrecht nicht richtig aufgeklärt wurden. In Österreich wird derzeit hinter den Kulissen heftig um eine Neugestaltung des lebenslangen Rücktrittsrechts gerungen.

Was ist der Rückkaufswert?
Das ist jener Betrag, den der Kunde bei vorzeitiger Vertragsauflösung erhält. Je früher der Vertrag gekündigt wird, desto niedriger der Rückkaufswert im Vergleich zur Summe der einbezahlten Prämien. Ein Rückkauf ist in der Regel ein teures Unterfangen und sollte nur gemacht werden, wenn Sie das Geld unbedingt benötigen.

Wie errechnet sich der Rückkaufswert?
Das ist produktabhängig. Im Wesentlichen wird das vorhandene Kapital des Kunden unter Berücksichtigung eines angemessenen Abschlages für die vorzeitige Beendigung des Vertrages ausbezahlt. Die genauen Regelungen dazu finden sich in den Vertragsunterlagen zu den jeweiligen Produkten. Bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge ist ein Rückkauf innerhalb der ersten zehn Jahre nicht möglich.

Wann macht ein Ausstieg Sinn?
Aus den genannten Gründen nur dann, wenn ich mir die Prämie, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr leisten kann oder das Geld dringend brauche.

An wen wende ich mich, wenn ich mich unsicher fühle?
Die Arbeiterkammer bietet Hilfesuchenden umfassende Beratung (auch online) an, führt aber keine Klagen durch. Ähnliches gilt für den Verein für Konsumenteninformation (VKI), der im Vorjahr einen Generalvergleich mit den meisten Versicherungen geschlossen hat. Geht es um die Überprüfung Ihrer Polizze bzw. um konkrete rechtliche Schritte gegen Versicherungen, bieten Prozessfinanzierer wie Advofin oder Cobin Claims Unterstützung an.

Der VKI hat sich mit den Versicherungen verglichen - warum?
Wegen falscher oder fehlerhafter Beratung beim Rücktrittsrecht hat der VKI im Herbst des Vorjahres für rund 7.000 Kunden im Rahmen einer Sammelklagenaktion substanzielle Mehrerlöse erzielt. Im Gegenzug wurde mit fast allen heimischen Versicherungen vereinbart, von weiteren Schritten abzusehen, da diese im Zuge eines Rahmenvergleichs sozusagen eine Branchenlösung umgesetzt haben.

Was hat der Vergleich gebracht?
Einen namhaften zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Vor dem Vergleich wurde davon ausgegangen, dass die Kunden im Schnitt bei einem Rücktritt bis zu 8.000 Euro mehr herausholen konnten, als von den Versicherungen zugestanden wurde.

Sind damit alle Probleme erledigt?
Nein. Alle jene Kunden, die sich nicht der Sammelklage angeschlossen haben und etwaige Probleme haben, sind von dem Vergleich nicht erfasst. Zudem ist auch beim VKI noch eine Klage gegen jene drei Versicherungen, die sich dem Vergleich nicht angeschlossen haben (Skandia/FWU, Nürnberger, Clerical Medical/Scottish Widows), denkbar.

Was brauche ich für eine Klage?
Dafür sind die entsprechenden Unterlagen zur Versicherung, sprich: die Polizze, notwendig.

Was tue ich, wenn ich keine Polizze mehr habe?
Das ist insofern kein Problem, da die Versicherungen die Unterlagen zu ihren Kunden sieben Jahre lang aufheben müssen.

Was kosten mich die rechtlichen Schritte?
Prozessfinanzier wie Advofin oder Cobin Claims berechnen für die Durchführung einer Klage samt Anwalts-und Gerichtskosten eine Provision von rund 30 Prozent des erzielten Betrages. Bei Cobin Claims gibt es auch eine Variante, bei der man nach einer Beratung für 72 Euro die rechtlichen Schritte auch eigenständig durchführen lassen kann.

Wie viel schaut dabei für mich heraus?
Das hängt ganz vom Einzelfall, der Laufzeit und der Höhe der einbezahlten Prämien ab. Rund 70 Prozent des erzielten Differenzbetrages zum ursprünglichen Angebot der Versicherung bleiben für den Kunden. Eine Garantie, dass die Klage gewonnen wird, gibt es freilich nicht.

Wie lange dauert eine Klage?
Im Schnitt können Sie davon ausgehen, dass die Angelegenheit innerhalb eines Jahres erledigt ist.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 21/2018) erschienen.