Torsten Fischer verlegt die Geschichte des Schweizer Nationalhelden aus dem 14. Jahrhundert in eine unbestimmte Gegenwart oder Zukunft . Der Vogt Gessler ist ein Diktator. Gespielt, nein, gekämpft wird nicht in einem Wald, sondern im quasi leeren Raum. Die Botschaft ist angekommen: das Böse kann überall sein. Herbert Schäfer & Vasilis Triantafilopolous haben mit einem Eisengerüst den Rahmen dafür geschaffen, eine Drehbühne, eine Video-Leuchtwand, die Kampfflieger und Bombenangriffe zeigt, das reicht. Das Ambiente ist so kühl, dass es jede Stimmung im besten Wortsinn einfriert.
Dirigent Diego Matheuz war bei der Premiere mit der Partitur mehr als nur gefordert. In fast ständigem forte treibt er die Wiener Symphoniker durch das Notenmaterial. Die Finessen in Rossinis Grand Opéra ersticken im Lärm.
Zwei Stimmen aber überragen alles: Jane Archibald als Mathilde. Meisterhaft bringt die ihre Koloraturen mit ihrem schön gefärbten Sopran zu Gehör. John Osborn ist ein hervorragend Arnold Melchtal, der die hohen Töne erreicht, von einem idealen Rossini-Tenor erwartet werden. Christoph Pohl ist ein wohltönender Bariton, der mit seiner Darstellung des Titelhelden Wilhelm Tell die Nerven schont. Edwin Crossley-Mercer ist stimmlich und darstellerisch fabelhafter Walter Fürst. Marie-Claude Chappuis überzeugt in jeder Hinsicht als Hedwige, Tells Frau. Ante Jerkunica ist ein quengelnder Klischee-Nazi. Anita Rosati überzeugt als Tells Sohn. Der Arnold Schönberg agiert und singt fulminant.