Wie ist Wien? Antwort: Grantig, ängstlich, depressiv

Seelen-Strip: Stadtpsychologin bat 113 Menschen auf die Couch

Wien - das unbekannte Wesen. Was macht seinen Charme aus? Was beschäftigt die Bewohner der Stadt, die dank Sacher-Torte, Lipizzanern und Opernball in aller Welt berühmt ist? Eine Stadt-Psychologin wollte es genau wissen, bat 113 Menschen zum Seelen-Strip. Ergebnis: Das Klischee vom "grantelnden Wiener" stimmt! Außerdem sind sie - so wie die Stadt selbst - ängstlich - und depressiv...

Für die selbst ernannte Stadtpsychologin ist der Befund über den "schwierigen Patienten" überraschend und gleichzeitig deprimierend:

Wien ist...
Dauer-grantig, todessehnsüchtig, ängstlich, Hang zur Winterdepression - so stellt sich für Cornelia Ehmayer das "Wesen Wien" dar. Die Psychologin hat sich in Interviews mit 113 Personen zwölf Monate lang auf die Suche nach dem Körper und der Seele Wiens gemacht. Befragt wurden geborene und zugezogene Wiener, darunter auch Studenten, Politiker, Medienleute und Künstler.

Die Negativ-Urteile in der nicht repräsentativen Studie reichten von "unfreundlich" über "intrigant" bis zu "schlecht angezogen".

Wien als Person: Jogger, Schlapfen, Korsett...
Dargestellt wurde das bei der Präsentation von einer Schauspielerin, die - ausstaffiert von Kostümbildnerin Caterina Czepek - "Wien als Person" repräsentieren sollte. Gekleidet war sie in eine Kombination aus Trainingshose, Badeschlapfen, Spitzenrock und Korsett, am Kopf ein Schleier samt Plastik-Fledermäusen. Ihr ständiger Spruch: "Mir is' wurscht!"

Stadt ist sympathischer als die Wiener
Mit Ausnahme der Einwohner kam Wien aber recht gut weg. "Eigentlich eine wunderschöne Stadt, also abgesehen von der Art der Menschen gibt es eigentlich nur positives", lautet etwa ein Interview-Zitat. Für Ehmayer ist Wien eine Stadt der nebeneinander existierenden Gegensätze. Ambivalenz sei die typische Eigenschaft: "Es macht gerade diese Stadt aus, dass sie in ihrer Widersprüchlichkeit jeden einlädt, sie als typisch zu empfinden."

Den Körper Wiens sieht die Psychologin als kompakt und komprimiert, "ein Dorf in Form einer Großstadt". Positiv vermerkt werden die vielen Orientierungspunkte und die kurzen Wege ins Grüne und in die City. Ein generelle Depression wurde dem "Wesen Wien" nicht attestiert. Auffällig ist die Abhängigkeit von der Jahreszeit: Im Sommer herrsche Fröhlichkeit, im Winter Melancholie.

Veränderung? Nicht erwünscht, weil eh "chancenlos"
Veränderungen in Wien wünscht sich kaum jemand. Ehmayer: "Sehr viele waren sehr zufrieden". Verbesserungen wurden am ehesten Verkehrsbereich gewünscht, gefolgt vom Wunsch nach einem "freundlicheren Umgang", "weniger Grant", "mehr Chancengleichheit" oder "weniger Obrigkeitsdenken in der Stadtverwaltung".

Der Versuch etwas zu verändern ist laut einer befragten Personen ohnehin chancenlos: "Wien wirkt so, dass alle so werden wie die Wiener sind. Daher wird sich in Zukunft in Wien auch nicht viel ändern." (apa)