Alles klar, Herr Kommissar?

Wird es ein neues "Bologna" geben? Mehr "Amore", ein neues "Bussi, Baby"? Die Erwartungen an Wandas neue Single, "Columbo", sind hoch.

von
MUSIK - Alles klar, Herr Kommissar?

Reinhören in die neue Single "Columbo":


Dass der Erzberg explodiert, wusste er nicht. Man sieht den Schreck im Gesicht von Marco Michael Wanda, er zuckt in seiner braunen Lederjacke zusammen. Für den Videodreh seiner Band Wanda im steirischen Eisenerzer Bergbaugebiet wurden schwere Geschütze aufgefahren. Ein paar Hundert Kubikmeter Erde fallen mit Krach vom Hang, auf ihnen steht mit weißer Kreide "Amore". Also der Titel von Wandas erstem Album aus dem Jahr 2014 und seither jenes Wort, ohne das sich der Hype um österreichischen Pop nicht mehr buchstabieren lässt. Das neue Video sieht beeindruckend aus, es wurde mit Drohnen und auf Booten gedreht, am Ende fliegt Marco Michael Wanda quer durch lila Wolken. Die Single heißt "Columbo", so wie der zerknautschte Kommissar im Trenchcoat. Sie ist der zweite Vorbote zum Album "Niente", das Anfang Oktober erscheint. Zuvor brachten Wanda den Song "0043" heraus, der mit lyrischen Streichern und Orgeln überraschte. Die Erwartungen waren anders, die Wahl sehr mutig. Auf "Columbo" hört man wieder die übergroßen Wanda, die von der Liebe singen: "Am Ende fällt Columbo etwas ein /Lass es unsere Rettung sein."

Reinhören in die Single "0043":


Rettung von Columbo

Wie können zwei Liebende in Zeiten der Unruhe zueinander finden? Darum dreht sich der Song. Im Video sieht man anfangs Paare, die verzweifelt oder verloren wirken. Die Regisseurin Jasmin Baumgartner unterstreicht das noch: "In einer Welt, in der Liebe nicht existieren kann, in dieser Dystopie, die wir zeigen, braucht es die Rettung von außen." Während sich draußen die Nachrichten überschlagen, ist die Welt daheim in Ordnung, wenn eine Serie im Fernsehen läuft. "Diesen Rückzug ins Private nutzt der Neoliberalismus voll aus. Popkultur hat für mich schon lange was mit dem Biedermeier zu tun -spätestens, seit Maurice Ernst von einem Bungalow singt, in dem wir uns alle eine schöne Zeit machen. Das erkenne ich voll an", so Marco Wanda. "Columbo" ist für diesen Zustand ein mindestens so stimmiger Slogan.

Bevor gedreht werden konnte, gab es lange Besprechungen in Bars, Ideen wurden gesammelt, ausgearbeitet und schließlich verworfen. Aber es gab eine Flut von Stichwörtern und blindes Vertrauen zwischen der Band und der Regisseurin. In Wien, in Eisenerz und auf dem nahen Erzberg wurde vier Tage lang gedreht. Das Video verzichtet bewusst auf eine Geschichte. "Es hat kein Narrativ, weil ich daran glaube, dass das Leben nicht entlang eines Narrativs verläuft, für mich ist alles Chaos, und alles passiert gleichzeitig, man kann zwei Wochen zu seiner Mitte finden und zack, plötzlich passiert etwas, und alles löst sich auf", sagt Marco Wanda.

Harte Jubeljahre

Wanda waren lange Vorreiter. Heute gibt es viele erfolgreiche Bands, die stark österreichisch gefärbt singen, mit Sex-Appeal, mit schwarzem Humor oder Euphorie, aber immer im Dialekt - ganz egal, ob diese Buben sich nun Granada, Seiler und Speer, Pizzera & Jaus, Voodoo Jürgens oder Bilderbuch nennen. In nur vier Jahren hat sich eine starke Szene entfaltet, die sogar im Land selbst etwas gilt. Wanda haben in den vergangenen Jahren unzählige Konzerte gespielt, die meisten in Deutschland und ausverkauft, auch in der Wiener Stadthalle. Es ging an die Grenzen, durch die vielen Konzerte auch an die körperlichen, für manche Beobachter sogar an die Grenzen des guten Geschmacks. Textzeilen wurden zerpflückt: Sie wären frauenfeindlich. Dagegen hat sich Marco Wanda immer gewehrt. "Ich lebe in einer sehr harten Realität. Es ist meine Pflicht als Musiker, diese abzubilden. Dass das auf Widerstand aus einer bigotten, linksliberalen, winzigen Elite stößt, ist mir klar."

Marco Wanda interessiert es nicht, zurückzublicken, seine Rückspiegel seien seit Jahren abmontiert, sagt er. Spurlos sind die Jubeljahre nicht an der Band vorbei gegangen: "Auf 'Niente' sind die Zwischentöne drauf, die nie erzählt wurden, die Einsamkeit, das Gefühl, dass wir vier Jahre wie eine Partyflasche herumgereicht wurden. Jeder hat uns leer gesoffen, und jetzt ist wenig Wasser im Brunnen übrig." Beim Verabschieden erzählt Marco Wanda davon, wie alle in der Band ihre depressiven Momente hätten, in dieser Fünfer-Ehe, die eigentlich sehr harmonisch sei. Auf dem Albumcover verblassen die Bandmitglieder. Muss man sich Sorgen machen? Das Cover und der Titel erinnern an die "Unendliche Geschichte". Im Buch von Michael Ende verschluckt das Nichts die Welt Phantásiens, bis Hauptfigur Bastian merkt, dass er selbst es ist, der die Kindliche Kaiserin retten muss. Bedeutet das, dass man als Zuhörer aktiv werden soll? Schön wäre das, sagt Marco Wanda.

Am Schluss des neuen Videos tanzen alle mit allen, sogar Columbo. Ihm fällt am Ende immer etwas ein, trotz der furchtbaren Momente davor, selbst wenn die Amore schon in Scherben zersprungen ist.