Wagners wahrer Wunderklang

Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen"

Im Repertoire der Wiener Staatsoper lässt sich bei Wagner-Aufführungen manches erleben – nur eines nicht: Mediokrität. Nach einer musikalisch und darstellerisch unerträglichen Premiere des "Parsifal" – Alvis Hermanis verlegte das "Bühnenweihespiel" in die Nervenklinik des Otto-Wagner-Spitals, Semyon Bychkov verschleppte die Partitur ohne Sinn – nun Peter Schneiders wundersames "Ring"-Dirigat. Der vor 78 Jahren geborene Wiener Dirigent entfachte an vier Abenden mit den Wiener Philharmonikern wahren Klangzauber.

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Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen" © Bild: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Bereits am "Vorabend", beim "Rheingold", war zu spüren, hier entsteht etwas Sonderbares. Das zögerliche Spiel der Rheintöchter (Ileana Tonca, Stephanie Houtzel, Zoryana Kushpler, besser in der "Götterdämmerung") mit einem undämonischen Alberich (Jochen Schmeckenbecher) und die ordentlich, aber nicht mehr, besetzte Götterwelt (Einspringer Egils Silins als Wotan, Thomas Ebenstein als Froh, die bewährten Damen Mihoko Fujimura als Fricka und Caroline Wenborne als Freia) waren flugs vergessen, als Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime, der Schmied, auftrat. Wie der in Zell am See geborene Tenor die geplagte Zwergenkreatur mimt, in "Siegfried" den verschlagenen, schlauen, gewieften Möchte-Gern-Mörder gibt und dabei die Flexibilität seiner Stimme mühelos aussingt, ist ein Hammer und einer der Höhepunkte dieses "Rings", dessen Kraft sich am Ende des „Rheingolds“ mit dem Einzug der Götter in die Burg Walhall erstmals manifestierte.

Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen"
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Wahre Wunder waberten in der "Walküre" aus dem Graben. Wie Peter Schneider den Auftritt der "Walküre" in zweiten Aufzug zelebriert, ist einer jener Momente, die ein Leben lang im Gedächtnis bleiben und für Schwächen im Ensemble entschädigen. Die liegen bei den Heldentenören. Neben Camilla Nylund als kraftvolle Sieglinde kann sich Robert Dean Smith nur schwer durchsetzen. Sein "Wälse"-Ruf geriet nicht mehr als zu einem "Wälserl". Das Pendant dazu stellte Stefan Vinke. Sein Siegfried im nämlichen Teil und in der „Götterdämmerung“ mutete wie ein Fleischhauergeselle an. Den strahlenden Helden zeigte er weder stimmlich noch darstellerisch, obwohl man ihm sonst keinen Tadel an Schwäche anlasten kann.

Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen"
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Petra Lang ist die "Walküre" unserer Tage. Natürlich, authentisch gelingt ihr der stimmlich und darstellerisch der Wandel vom pfiffigen Reitermädel als Walküre zur erwachenden Frau und zur wilden Rächerin. Ihr "Heil, dir Sonne" erstrahlt in gleißende schönem Klang. Am letzten Abend ließ sich Lang als „indisponiert“ ansagen. Wenn sie, mit aus ihrer Sicht verminderter Stimmkraft, das "Helle Wehr, heilige Waffe" ertönen lässt, ist pures Drama!

Wie sie dann auch noch am Ende die Kraft für die Gewalt-Arie "Starke Scheite" aufgebracht hat, ist beachtlich.
Petra Lang (Brünnhilde) und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Mime) ragten aus diesem "Ring"-Ensemble heraus. Waltraud Meier zeigte bei ihrem Auftritt als Waltraute in der "Götterdämmerung", dass sie noch immer über eine präzise, Stimmführung verfügt. Tomasz Konieczny, der in der "Walküre" und im "Siegfried" für den erkrankten Bryn Terfel eingesprungen war, zeigte den Wotan auf seine eigene, bewährte Art, erfrischend und ergreifend. Falck Struckmann zeigt Hagen stimmlich und darstellerisch dämonisch.

Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen"
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Hervorragend sind die kleineren Partieen beseetzt: allen voran Ain Anger als Fasolt ("Rheingold") und Hunding ("Walküre"), Norbert Ernst ist ein bewährter Loge, Markus Eiche ist ein stimmlich und darstellerisch hervorragender Gunther, Regine Hangler bewährt sich als Gutrune, Monika Bohinec, Stepahnie Houtzeel und Caroline Wenborne stellen ausgezeichnete Nornen. Von den Walküren kann man nichts Schlimmes berichten. Ideal fürs Repertoire erweist sich Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung, an der auch nach bald neun Jahren alles stimmt.

Peter Schneider dirigiert Richard Wagners "Ring des Nibelungen"
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Das Ereignis kommt aus dem Graben, wo Peter Schneider am Pult der Wiener Philharmoniker waltet. Fast mehr als zwei Stunden länger währte diese "Ring"-Serie als die durchschnittliche Aufführungsdauer. Dennoch ging nichts an Spannung verloren, im Gegenteil. Mit wenigen, sparsamen Gesten führte er die Wiener zu Höchstleistungen. Klangzauber entfaltete er bei vor allem dort, wo man ihn nicht von der Partitur in einem hohen Maß erwartet: etwa bei der Nornen-Szene. Gewaltig gerieten der "Feuerzauber", eindrucksvoll Siegfrieds Todesmarsch, den er ohne Generalpause auf Siegfrieds Abschiedsarie folgen lässt. Dann - verklärender Zauber im Finale. Das ist Wagner.