Die beliebtesten
Vornamen 2015

Immer mehr außergewöhnliche Namen vergeben - nicht immer zur Freude der Kinder

Die meisten Kinder wollen so heißen wie alle anderen. 2015 waren vor allem wohlklingende Vornamen angesagt. Aber: Es werden auch immer mehr außergewöhnliche Namen vergeben. Nicht immer tun Eltern ihren Kindern damit einen Gefallen.

von Österreichs beliebteste Babynamen 2015, Statistik Austria © Bild: News/Meridee Stein

Es gibt Tage, an denen es Heinrich Himmer lieber wäre, seine Eltern hätten auf die Familientradition gepfiffen. Und dem erstgeborenen Sohn nicht den Vornamen des Vaters gegeben, den auch schon sein Großvater trug. Zum Beispiel in der vergangenen Woche, als der 38-jährige Lehrergewerkschafter zum Wiener Stadtschulratspräsidenten bestellt wurde und in sozialen Netzwerken die Häme losbrach. Seit ihm in der Jugend bewusst wurde, dass sein Name an eine der berüchtigsten Nazigrößen, Heinrich Himmler erinnert, empfindet er diesen als "Hypothek", erzählt er. Auch wenn es für seine Eltern lediglich darum gegangen sei, eine Tradition fortzuführen. Er werde bei seinen Kindern mit dieser jedenfalls brechen, sagt Himmer.

Viele Eltern geben ihren Kindern mit der Namenswahl absichtlich oder unabsichtlich eine große Bürde mit auf den Weg. Dieses Phänomen besang schon Johnny Cash in "A boy named Sue": Kurz bevor ein Vater seine Familie verlässt, verpasst er seinem Sohn den Rufnamen Sue. Das Kind wird zeitlebens gehänselt und sinnt auf Rache. Als er dem Vater Jahrzehnte später mit gezogener Waffe gegenübersteht, erklärt dieser ihm zufrieden lächelnd, dass er diesen Namen gewählt habe, um seinen Sohn in einer rauen Welt abzuhärten. Er solle lernen, sich zu wehren, auch wenn er ohne Vater aufwachse.

Diese Namen waren auf der Datingplattform Tinder 2016 besonders begehrt. Quelle: Piabo PR GmbH für Tinder
© News/Meridee Stein Die Träger dieser Namen waren auf der Datingplattform Tinder 2016 besonders begehrt

Dass ein ausgefallener Name stark machen kann, weiß Serani Siegel. "Salami, Salami - hier kommt die Salami." An derartige Hänseleien in Kindergarten oder Schule war sie gewohnt. Und sie machten ihr nichts aus. Das Mädchen mit dem eigenwilligen Namen war ein eigenwilliges Kind. Ihren Namen trug die gebürtige Deutsche immer mit Stolz, auch wenn das im tiefkatholischen Bayern nicht nur leicht war. Ihren Vornamen verdankt Serani ihrer Mutter, die ihn in einem Vornamenlexikon entdeckt haben will. Er kommt aus dem Sanskrit und bedeutet Prinzessin. In Indien ist er allerdings ebenso wenig geläufig wie in Deutschland oder Österreich. Um die Standesbeamtin überhaupt dazu zu bringen, den Namen einzutragen, behauptete Seranis Mutter einfach, der Name sei eine Abwandlung des biblischen "Seraphine". Serani ist heute 42, und auch wenn sie mit ihrem Namen immer wieder für Irritationen sorgt, sämtliche Briefe an "Herrn Siegel" adressiert werden und sie vor Jahren sogar einen Einberufungsbescheid zum Bundesheer erhielt: Sie liebt ihren Vornamen. Er ist ihr Alleinstellungsmerkmal, sagt sie.

Trend zum "Besonderen"

Ein Alleinstellungsmerkmal, einen "besonderen" Namen für "besondere" Kinder, durch den der Namensträger aus der Masse hervorsticht und einzigartig wird - das wünschen sich viele Eltern, sagt Dr. Andrea-Eva Ewels von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Zwar wird die Hitliste der beliebtesten Vornamen in Österreich nach wie vor von traditionellen Namen wie Anna, Sophie oder Maria - Lukas, David oder Jakob dominiert, aber außergewöhnliche Namen sind auf dem Vormarsch, sagt Ewels. Während man sich früher bei der Namensvergabe stärker an Institutionen wie Familie, Religion oder Volkszugehörigkeit orientierte, geben nun Individualisierung und Globalisierung den Trend vor. Es werden Namen aus der Antike oder aus zahlreichen unterschiedlichen Kulturen wiederentdeckt, darunter traditionelle genauso wie kreative Namen mit von der Norm abweichenden Schreibweisen. "Die Namenvielfalt ist bereits jetzt sehr groß und der Umfang des Namenschatzes nimmt stetig zu", sagt Ewels. Sind sich Eltern oder Standesämter unsicher, ob ein gewünschter Name überhaupt zulässig ist, wird ein Namensgutachten erstellt. Dabei wird festgestellt, ob es diesen Namen überhaupt gibt und ob er nicht herabwürdigend ist. Dr. Ewels erstellt solche Gutachten und ließ kürzlich Namen wie Napoleon, Findus oder Calibra durchgehen. Abgelehnt wurden hingegen Namen wie M., Zecke oder Weltlicht.

Vor 31 Jahren legten die Standesbeamten ihr Veto gegen den Namen Anjuna ein. Anjunas Eltern waren gern und viel gereist und wollten ihre erste Tochter nach einem der schönsten Flecken der Erde, nach dem indischen Strand "Anjuna Beach" benennen. Als das nicht möglich war, entschieden sie sich für Lena. 25 Jahre später lehnte sich Lena Anjuna gegen die Entscheidung des Standesamtes auf. Nach einem beruflichen Neubeginn legte sie den Namen Lena ab. Seit sechs Jahren ist sie nur noch Anjuna. Und sie liebt es. Natürlich gibt es oft Erklärungsbedarf. Kaum jemand versteht den Namen, den man englisch ausspricht, auf Anhieb. "Aber gerade dadurch setzen sich die Menschen von Anfang an ganz anders mit mir auseinander. Sie fragen noch einmal nach, fragen, woher dieser Name kommt. Man ist gleich im Gespräch."

Nur nicht auffallen

Aber nicht immer tun Eltern ihren Kindern einen Gefallen, wenn sie bei der Namenswahl ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Hänseleien im Kindesalter sind dabei nur eine von mehreren Begleiterscheinungen. Bis ins Erwachsenenalter hinein können fremd klingende Namen Nachteile mit sich bringen. Eine Studie der Marquette Universität stellte fest, dass Menschen mit geläufigen Namen bei einer Bewerbung eher eingestellt werden, als jene mit ausgefallenem Vornamen. Das liegt daran, dass wir eine Information leichter verarbeiten können, wenn wir sie leicht verstehen. Das läuft wiederum darauf hinaus, dass wir diese Information mehr mögen.

»Man sollte bedenken, dass die meisten Kinder nicht auffallen wollen«

"Grundsätzlich sollte man bedenken, dass die meisten Kinder nicht auffallen wollen", sagt der deutsche Namensforscher Knud Bielefeld. "Sie wollen nicht aus der Masse herausstechen sondern sich in ihren Freundeskreis einordnen." Christine Grünwald zum Beispiel. Christine heißt eigentlich Christl, aber so wollte sie nie heißen. Schuld an ihrem Namen waren die Puppen ihrer Mutter. Als kleines Mädchen hatte die alle ihre Puppen Christl getauft und sich zeitlebens auch eine "echte" lebendige Christl gewünscht. Als 1945 in den letzten Kriegstagen in Wien ein Mädchen zur Welt kam, war klar, wie es heißen würde. Mit ihrem Namen konnte sie sich allerdings nie identifizieren. Sie wollte einen "normalen" Namen haben. Einen, der sie nicht immer klein aussehen ließ, der keine Abkürzung ist und einen eigenen Namenstag hat. So beschloss Christl in der Mittelschule, sich fortan Christine zu nennen. Und das tut sie bis heute. Nur der Pass erinnert sie noch an die "kleine Christl" von früher. Dass Kosenamen wie Lilli oder Leni wieder im Trend sind, kann die mittlerweile 72-jährige Dame nicht verstehen. Man müsse doch schließlich daran denken, dass das Kleinkind irgendwann erwachsen wird.

Der falsche Name

"Ein falscher Name - das ist der Anfang vom Ende" schrieb William Shakespeare im Prolog zu seinem Sommernachtstraum. Diese Aussage gilt bis heute. Oft haften Vornamen gewisse Vorurteile an. Sie erzeugen Bilder in unseren Köpfen und wecken unbewusst Erwartungen an Charakter, Attraktivität und Alter des jeweiligen Gegenüber. Wie negativ sich der falsche Name eines Schülers auf die Beurteilung durch die Lehrer auswirken kann, hat eine Studie aus dem Jahr 2009 gezeigt. Forscher der Universität Oldenburg hatten deutschen Volksschullehrern eine fiktive Klassenliste mit häufigen Vornamen vorgelegt. Während hinter Marie, Sophie, Alexander und Maximilian fleißige und brave Kinder vermutet wurden, sahen die Lehrer bei Kevin, Justin, Jacqueline und Chantal verhaltensauffällige Kinder aus bildungsfernem Milieu vor sich. Auch wenn dieses Phänomen mittlerweile unter dem Stichwort "Kevinismus" bekannt ist, bekamen im Jahr 2015 immerhin noch 58 Österreicher den Namen Kevin. Auch Jacqueline, Chantal, Dylan und Justin finden sich noch immer auf heimischen Namenslisten.


Diese Namen stehen im Verruf, Quelle News 28/2014
© News/Meridee Stein Diese Namen stehen im Verruf, "Unterschichtennamen" zu sein. das kann Folgen bis hin zur Kreditwürdigkeit haben

"Den Namen Pius verbindet man immer mit besonders frommen Menschen", weiß der Medienmanager und ehemalige Grünen-Politiker Pius Strobl, der 1956 und damit zu Lebzeiten von Papst Pius XII geboren wurde. Übersetzt heißt sein Name "brav, gottesfürchtig". Nicht nur Gleichaltrige, auch Kindergärtnerinnen und Lehrer zogen ihn, den ganz und gar nicht Frommen, permanent mit seinem Namen auf, erzählt er heute. Seinen Namen verdankt er seinem Vater, der mit dem Kind allerdings nichts zu tun haben wollte. Strobls sehr junge Mutter gab ihrem Sohn den Namen des Vaters, eines reichen burgenlandkroatischen Bauernsohns, in der Hoffnung, er würde das Kind anerkennen. Genutzt hat es nichts. Pius Strobl ist heute 60 Jahre alt. Mit seinem Namen hat er sich nicht nur arrangiert -er ist zu seinem Markenzeichen geworden. Und er hat ihn an seine Kinder, zumindest als dritten Namen, weitergegeben. Das halten Experten übrigens für die beste Variante: Kindern mehrere Namen zu geben und ihnen somit später einmal die Wahl zu lassen, welchen sie tatsächlich einmal gebrauchen.

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