Nach all dem fahndet man an der Wiener Staatsoper bei der Premiere von „Ariodante“ vergeblich. Regisseur David McVicar verzichtete auf jegliche Interpretation und beschränkte die Geschichte des Ritters, der an den Hof des schottischen Königs kommt, sich mit dessen Tochter verlobt und Opfer einer Intrige wird, die beiden das Leben zu rauben droht, auf eine aufwendige Mantel- und Degen-Story mit (allzu) vielen Ballett-Szenen, die nicht über mehr als behübschendes Gehopse hinausgingen. Über den Titelhelden verriet McVicar nichts. Das Motto dieser Aufführung könnte „nur nicht auffallen“ heißen. Dem unterwarf sich auch die Titeldarstellerin Sarah Connolly. Ihre Ausstrahlung blieb hinter den Barock- (warum Barock?)Kostümen verborgen. Ihre Koloraturen gerieten klar, an der Phrasierung war nichts auszusetzen, aber die Stimmkraft hatte bald ihre Grenzen erreicht.
Hit-Arien wie „Scherza infida“ oder „Doppe notte“ verschwammen im gemütlichen Begleitsound, den William Christie mit seinem Originalklang-Ensemble „Les Arts Florissants“ lieferte. Seine musikalische Nicht-Interpretation konnte keine Erklärung dafür abgeben, warum jede Wiederholung ausgespielt werden musste, außer wenn es um den Bösewicht Pollinesso ging. Christophe Dumaux, der bereits in Salzburg in dieser Partie brilliert hatte, trat aus dem Ensemble mit seinem ingeniös geführten Countertenor hervor. An seiner Seite setzte sich auch Hila Fahima als Dalinda mit ihrem hellen Sopran und darstellerisch stärker als die anderen durch. Chen Reiss bewegte sich sicher in den Höhen und rang um eine plausible Zeichnung einer Prinzessin, die durch falsche Zeugenaussage ins Elend und fast in den Wahn getrieben wird. Wilhelm Schwinghammer überzeugte als solider Schottenkönig, Rainer Trost als ordentlicher Luciano. Benedikt Kobel fügte sich als Odoardo in den ordentlichen Ablauf. Bei Händel aber ist mehr, viel mehr drin.