Burgtheater: Kušejs
"Nackter Wahnsinn"

Immerhin ein Schenkelpracker

Die Unfreundlichkeiten, die Martin Kušejs Münchner Abschiedsinszenierung seitens der Kritik zugedacht wurden, kann man anlässlich der Übernahme ans Burgtheater nur bedingt nachvollziehen: Gewiss wurde der Kärntner nicht in der Witzkiste geboren und fühlt sich im Erdnahen eher zu Hause als im Räderwerk einer durchdrehenden Burleske. Aber für einen effektvollen Schenkelpracker reicht ihm Michael Frayns Groteske „Der nackte Wahnsinn" jedenfalls. Ein Premierenbericht vom 31. Dezember, zehn vor zwölf.

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Theaterkritik - Burgtheater: Kušejs
"Nackter Wahnsinn"

Die Besatzung einer Tourneeschmiere gerät während der Schlussproben zum Schwank „Nackte Tatsachen" ins Gravitationsfeld einer Endlosschleife. Als würde „Der Raub der Sabinerinnen" mit dem Erkenntnissstand Sartres und des absurden Theaters in die Achtzigerjahre gehoben, feiert Frayns Geniewerk die unausmessbaren Abgründe schlechten Theaters. Dämonischer, destruktiver Witz, wie ihn einst Michael Schottenberg am Volkstheater zu erzeugen vermochte, fällt zwar nicht in Kušejs Portfolio. Auch dass der Regisseur Lloyd hier „Martin K." heißt, erheitert nur begrenzt: Eventuell überschätzt der Direktor das atemlose Vergnügen des Publikums an der Wiedererkennung Kušej’scher Ungezogenheiten. Aber in die sichere Distanz der Entstehungszeit in den Achtzigerjahren gerückt und mit den Virtuosinnen Geniya Rykova und Deleia Piasko, mit Sophie von Kessel, Thomas Loibl, Till Firit, Paul Wolff-Plotegg, Norman Hacker, Katharina Pichler und Arthur Klemt ansprechend besetzt, tut die Aufführung insbesondere im zweiten Teil, der das Geschehen aus der Perspektive der Hinterbühne reproduziert, umwerfende Wirkung. Der erste ist etwas zu flach an einer konventionellen Boulevardkomödie gearbeitet, der dritte, in Wahnsinn und Auflösung entgleisende, könnte eine andere Dimension des Absurden vertragen. Dass man sich etwa mit Michael Maertens, Nicholas Ofczarek oder Fabian Krüger noch die eine oder andere Steigerung hätte vorstellen können, soll nicht verschwiegen werden.

Nun ist vordringlich zu hoffen dass die amüsante Vorstellung über einen längeren Zeitraum vom Publikum angenommen wird. Denn bei weitem nicht alles, was die neue Direktion im Angebot führt, hat die ersten Reprisen überlebt.

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