Aus dem Leben
eines Seitenspringers

Muss man Hermann Bahrs Komödie „Das Konzert“ über einen notorischen Fremdgänger und Starpianisten namens Gustav Heink heute überhaupt noch zeigen? In Zeiten von #Metoo könnte diese Komödie höchstens heutige Sittenwächter aufregen.

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Theaterkritik - Aus dem Leben
eines Seitenspringers © Bild: Theater in der Josefstadt/Schell

Denn Gustav Heink ist ein armes Ungustl. Er kann, nein er „muss“, wie er selbst sagt, seine Klavierschülerinnen mit seiner Gunst belohnen, denn „das gehört zum Beruf“. Eine abgeschiedene Berghütte dient ihm als Rückzugsort für „Privatkonzerte“. Auch für eines mit der um Jahre jüngeren Delfine Jura. Deren Mann und Heinks Frau werden von einer eifersüchtigen Schülerin informiert. Zu viert verhandelt man den Sinn der Ehe.

Janusz Kica verlegt das Geschehen in die Gegenwart. Goldene Schallplatten zieren die Wände der Künstlerwohnung. Die Berghütte ist ein schlichter Holzbau. Das Problem dabei aber ist, dass man auch versucht hat, den Text für heutige Verhältnisse zu entschärfen. Etwa wenn Marie, die Frau des Pianisten ihrer vermeintlichen Nachfolgerin Lehren erteilt, was der Meister in der Ehe erwartet und diese meint, das würden Frauen heute nicht mehr so machen. Warum aber werden eilige Nachrichten noch immer per Telegramm verschickt? Egal, denn gespielt wird famos und das unterhält – über weite Passagen sogar sehr!

„Josefstadt“-Prinzipal Herbert Föttinger und seine Frau Sandra Cervik sind die Heinks, ein ideal auf einander eingespieltes Team. Cervik ist die Künstlergattin, die über allem steht und doch verletzlich ist. Föttinger zeigt den Altersflüchtling, den Künstler mit einer wohltuenden Dosis an Distanz und Selbstironie. Präzises Schauspiel ist das. Martin Vischers Dr. Jura steht ganz in der Gegenwart, changiert zwischen Menschenfreund und Sonderling, ob er was sein Auftreten betrifft, für manche Szenen Anleihen beim Virologen Christian Drosten genommen hat, tut nichts zur Sache. Er unterhält glänzend. Alma Hasun karikiert als Delfine eine verwöhnte Tochter aus gutem Hause. Susanna Wiegand und Siegfried Walther setzen auf Komödie wie aus längst vergangenen Zeiten. Was bleibt, sind mehr als zwei Stunden Entertainment, und das kann man in diesen Zeiten nicht hoch genug schätzen.