"Ohne einander
wären wir glücklicher"

Dirk Stermann und Christoph Grissemann bringen mit "Gags, Gags, Gags!" ein neues Programm. Nach 26 Jahren variieren sie stets denselben Witz, beruhigen sie im Interview, und philosophieren über Populisten, Orgasmen, Biowein und ihre Beziehung

von Kabarett - "Ohne einander
wären wir glücklicher" © Bild: News/Sebastian Reich

Mit den tollen Parodien von Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer hatten Sie viel Erfolg. Auch mit dem Trump-Video "Austria Second". Wird Ihre ORF-Sendung "Willkommen Österreich" schärfer, politischer?
Grissemann: Ich glaube nicht. Das Trump-Video haben wir nicht selbst gemacht, das war ein Redaktionsmitglied. Und die Hofer-Parodie hatte keinen großen politischen Gehalt. Da ging es mehr um das Ausleuchten persönlicher Eigenschaften eines Menschen. Eigentlich ist es egal, ob ich Norbert Hofer parodiere oder Dieter Bohlen.
Stermann: Wir sind keine politischen Kabarettisten. Was uns jedoch manchmal reizt, ist, dass Populisten es fürchten, parodiert zu werden. Man weiß, dass man sie damit ärgern kann.
Grissemann: Wer lässt sich schon gerne parodieren?
Stermann: Heinz Fischer war das wurscht. Als Demokrat hältst du es offenbar eher aus, als wenn du Rechtspopulist bist.

Freut man sich, wenn HC Strache sich über die Sendung ärgert?
Stermann: Ich fand es interessant, dass er sich so über das Trump-Video aufgeregt hat. Beim Erdoğan-Video von Jan Böhmermann hat er noch für die Freiheit der Kunst plädiert. Man hat wieder mal gesehen, dass ihm die Pinocchio-Nase nicht ganz fremd ist.
Grissemann: Auf der anderen Seite hat er jedes Recht der Welt, unsere Sendung als niveaulosen Mist zu bezeichnen. Wie jeder andere Mensch auch.
Stermann: Der Vorwurf stimmt ja auch. Wir wissen selber, dass wir oft niveaulosen Mist produzieren.

Was ist Ihre Idealvorstellung von Unterhaltung?
Grissemann: Dass die Leute lachen und beim Rausgehen schon wieder vergessen haben, worüber sie gelacht haben. Wir machen Wegwerfkomik auf mittlerem Niveau.
Stermann: Vielleicht ist das die ehrlichste Form der Unterhaltung, weil sie nicht didaktisch ist.

»Wir wissen selber, dass wir oft niveaulosen Mist produzieren«

Ihr neues Programm heißt "Gags, Gags, Gags!". Haben Sie nicht das Gefühl, jeden Witz bereits erzählt zu haben?
Grissemann: Ja. Überspitzt formuliert, sind wir 1994 mit einem Witz angetreten, den wir seit fast 25 Jahren variieren und neue Szenerien dafür schaffen. Das Gute ist, dass die Leute trotzdem dranbleiben. Warum, weiß ich auch nicht. Es reicht für den Lebensunterhalt.

Das klingt sehr pragmatisch.
Grissemann: Man wird ja manchmal gefragt, was einen noch antreibt. Ich finde das ein bisschen grotesk. Einen Müsliproduzenten fragt man auch nicht, wieso er immer noch Müsli macht. Es ist halt der Beruf. Unserer ist, auf die Bühne zu gehen oder im Fernsehen lustige Sachen zu sagen. Ich kann nichts anderes.

Jürgen Marschal, der für "Willkommen Österreich" Gags schreibt, hat eine Pointe mal mit einem Orgasmus verglichen.
Stermann: Das ist etwas übertrieben. Natürlich macht es Spaß, wenn ein Witz aufgeht. Aber Orgasmus? Ich finde ja schon den Orgasmus selbst oft fad.
Grissemann: Eigentlich unfassbar traurig, was du da sagst.
Stermann: Man spricht doch vom kleinen Tod. Die Pointe wäre demnach der kleine Tod der Komik. Ich finde sie überbewertet. Eine gute Pointe hat schnell jemand auf Lager. Beeindruckender ist, wenn Leute 30 Jahre in dem Bereich arbeiten und immer noch imstande sind, etwas herzustellen.

© News/Sebastian Reich Privat gehen sie getrennte Wege. Ihre Beziehung habe die Endphase erreicht, sagen Grissemann & Stermann

Schreiben Sie Ihre Bühnenprogramme denn selber?
Stermann: Ja. Oft hoffen wir, dass wir was Lustiges lesen und klauen können. Im schlimmsten Fall müssen wir uns aber selber was ausdenken.
Grissemann: Das ist enervierende Arbeit. Manchmal gehen wir nach drei Stunden wieder auseinander, ohne einen einzigen funktionierenden Witz geschrieben zu haben. Der Kopf funktioniert nicht mehr so schnell wie früher. Als wir noch im Radio gearbeitet haben, war die Produktionsmaschine mehr am Laufen.

Worum geht es in "Gags, Gags, Gags!"?
Stermann: Die Idee ist, die letzte Fernsehsendung zu machen. Der ORF ist ausgestiegen. Und die Gäste kommen nicht. Das heißt, man ist befreit und kann sich wieder mit sich selbst beschäftigen.

Die Rahmenhandlung war im Grunde aber nie Ihre Stärke.
Grissemann: Stimmt. Es gibt bei uns keine zusammenhängenden Geschichten. Mich langweilt im Kabarett oft, dass eine Geschichte erzählt wird. Weil sie mich nicht interessiert. Für mich geht es darum, wie jemand etwas rüberbringt. Helge Schneider braucht auch keine Geschichte, um auf der Bühne zu glänzen.
Stermann: Das liegt auch daran, dass wir vom Radio kommen. Wir haben früher Texte gemacht, die man zwischen zwei Platten bringen konnte und die dementsprechend überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Das Sprunghafte liegt uns.

Wozu dann ein neues Programm? Sie könnten es vermutlich wie Josef Hader machen, die Säle wären immer noch voll.
Grissemann: Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich könnte ein Leben lang mit einem funktionierenden Programm auftreten. Leider habe ich nicht die Macht eines Josef Hader. Die Agentur hat uns gezwungen, was Neues zu machen.
Stermann: Ich bin über 50, ich brauche ab und zu Abwechslung. 8.000 Mal dasselbe Programm abzuspulen, würde ich psychisch nicht aushalten.

»Diese leichte Sado-Maso-Beziehung war von Anfang an da«

Apropos "50 plus": Teilt man sich nach dem 50. Lebensjahr die Energie besser ein? Wie sieht es mit Abstürzen nach den Auftritten aus?
Grissemann: Selten. Leider tun sie viel mehr weh. Ein sehr trauriges Thema. Die Frequenz meiner Vollräusche hat sich extrem minimiert. Wenn ich mehr als einen Liter Wein getrunken habe, brauche ich mittlerweile drei Tage, um mich zu erholen.
Stermann: In den ersten Jahren sind wir vor allem deshalb aufgetreten, um danach einen lustigen Abend zu haben. Heute trete ich auf, um aufzutreten. Danach geht es möglichst schnell ins Hotel.

War die Aufgaben- und Kräfteverteilung in Ihrer Beziehung immer schon gleich?
Grissemann: Diese leichte Sado-Maso-Beziehung war von Anfang an da. Es ist auch wichtig, dass man sich unterscheidet. Ich bin der Louis-de-Funès-Typ, der schnell ausrastet und dem auch mal was Peinliches rausrutscht, während Stermann der stabile Ruhepol ist. Da können sich viele Leute, die in Beziehungen leben, gut reinfühlen.
Stermann: Auch in die Sexlosigkeit unserer Beziehung können sich viele Paare reinfühlen.

In welcher Phase ist Ihre Beziehung jetzt?
Grissemann: In der Endphase.

»Ohne einander wären wir glücklicher, aber wir wären nie erfolgreich geworden«

Privat geht man sich also aus dem Weg?
Grissemann: Sowieso. Es wird kein Gedanke daran verschwendet, mit Herrn Stermann auf ein Bier zu gehen.
Stermann: Ich trinke auch gar kein Bier.
Grissemann: Sehen Sie, so gut kennen wir uns. Nein, man hat andere Freunde.

Wissen Sie, was Sie aneinander haben?
Stermann: Ehrlich gesagt, nicht. Aber etwas muss es sein. Es wäre ein völlig misslungenes Leben, wenn man jetzt draufkäme, mit dem falschen Typen einen Großteil davon verbracht zu haben. Sagen wir so: Ohne einander wären wir glücklicher, aber wir wären nie erfolgreich geworden.
Grissemann: Wahrscheinlich wäre ich Müsliproduzent.

Warum sind Sie als Werbegesichter so gefragt?
Grissemann: Frage ich mich auch.
Stermann: Wir stehen offenbar für irgendwas und lösen bei den Leuten etwas aus. Aber man sollte über Werbung nicht zu viel nachdenken. Man muss sie einfach machen.
Grissemann: Genau. Man wird verkleidet, kriegt ein Textblatt in die Hand und hofft, dass der Tag möglichst schnell vorübergeht. Und wenn die Abrechnung kommt, freut man sich natürlich.

»Wenn wir noch länger medial präsent sind, werden wir irgendwann sicher News-Chefredakteure«

Gibt es Grenzen?
Grissemann: Ich würde alles machen, außer FPÖ, "Kronen Zeitung" und Waffen. Obwohl man über Waffen diskutieren könnte.
Stermann: Ein einziges Mal haben wir was abgelehnt. Das sollte eine Eiswerbung werden, die nur bei besonderer Hitze gesendet worden wäre. Wir wären als Wasserdruckkessel verkleidet gewesen.
Grissemann: Haben wir damals abgelehnt, würden wir jetzt machen.
Stermann: Damals haben wir uns noch ernster genommen. Ich verstehe ja nicht, warum keine Winzer anfragen. Bei uns in der Sendung wird doch viel Wein getrunken.

Vermutlich nicht mehr lang, wenn es mit dem Regulierungswahn so weiter geht.
Grissemann: Noch ist uns nur das Rauchen verboten.
Stermann: Man hat uns inzwischen aber schon fast so weit, dass wir gar nichts mehr trinken wollen. Neulich wurden wir auf Biowein umgestellt. Der schmeckt wirklich abscheulich.

Was ist Ihre Perspektive? So lange auftreten wie Otto Schenk?
Stermann: Wenn wir noch länger medial präsent sind, werden wir irgendwann sicher News-Chefredakteure.
Grissemann: Ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder Herzinfarkt auf der Bühne ...
Stermann: ... oder Ministerposten im Kabinett Düringer.
Grissemann: Nein, oder man hört auf in vier, fünf Jahren.
Stermann: Wir hatten nie eine Karriereplanung. Das werden wir jetzt nicht mehr ändern.

Christoph Grissemann

kam als Sohn von Radio- und Fernsehmoderator Ernst Grissemann in Tirol zur Welt. Seit 1988 ist er im ORF als Moderator aktiv. Der 50-Jährige ist ledig und kinderlos.

Dirk Stermann

ist ein deutscher Moderator, Kabarettist und Autor. Er kam zum Studieren nach Wien und arbeitet seit 1988 erfolgreich für den ORF. Der 51-Jährige ist Vater einer Tochter.

Stermann & Grissemann

sind seit 26 Jahren gemeinsam aktiv. Am Anfang stand die Radiosendung "Salon Helga". Es folgten Kabarettprogramme, Bücher, Filme, Fernsehformate. Ihr neues Programm, "Gags, Gags, Gags!", hat am 23. März im Globe Wien Premiere.