"In der ÖVP ist
jeder auf dem Kreuzweg"

Sie waren das ständig mahnende Gewissen im ORF. Jetzt arbeitet die Gruppe Wir Staatskünstler die Schrecknisse der österreichischen Innenpolitik vorwiegend im Rabenhof-Theater auf. Im News-Gespräch dominiert der neue Messias Kurz

von Kabarett - "In der ÖVP ist
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Es gab Zeiten, da kommentierten die Kabarettisten Thomas Maurer, bald 50, Robert Palfrader, 49, und Florian Scheuba, 52, noch wöchentlich via ORF die Lage. Jetzt ist das öffentlich-rechtliche Aufkommen stark eingeschränkt. Dafür treten die "Staatskünstler" ab Samstag wieder im Wiener Rabenhof auf. Das hoch brisante Programm kreist um den Eurofighter-Ausschuss.

Sind Sie sicher, dass beim obwaltenden Kurzzeitgedächtnis überhaupt noch jemand weiß, was der Eurofighter-Ausschuss ist?
Scheuba: Genau deswegen machen wir das. Es ist derart viel los, dass auch Journalisten nicht nachkommen. Die Eurofighter-Sache ist ein sehr gutes Beispiel: Sie droht unterzugehen, aber sie ist politisch extrem wichtig, weil Rot, Schwarz und Blau gemeinsam drinstecken, also die neue Ganz Große Koalition, die sich gerade vorbereitet. Ähnlicher werden sie einander ohnehin jeden Tag, und in der Eurofighter-Sache haben sie auch noch ein gemeinsames Interesse, dass nicht allzu viel ans Tageslicht gelangt.

Die Neuwahl wurde doch nicht etwa angesetzt, um den Ausschuss abzudrehen?
Maurer: Ich glaube, das wäre ein Überschätzen der Protagonisten.
Palfrader: Das ist eine Verschwörungstheorie. Davon gibt es auch ohne uns schon genug.

Kurz kann man doch gar nicht überschätzen! Die "Welt" hat ihn gerade zum Retter Europas ernannt!
Scheuba: Da gab es einen Song von Waterloo und Robinson: "Das ist meine kleine Welt, frei und ohne Sorgen". Aus der Ecke wird das kommen.

Wobei alle Wortspiele mit dem Namen Kurz schon gemacht sind. Können wir uns darauf für dieses Gespräch einigen?
Palfrader: Twitter sei Dank ist alles bereits abgefrühstückt. Das befreit uns von dieser Arbeit, wofür ich dankbar bin.
Maurer: Das sind so lernende grammatikalische Programme, die alle Kurz-Wortspiele durchrechnen, ausspeien und auf Facebook veröffentlichen.
Scheuba: Ich hab mir unlängst schon ein Wortspiel im Gespräch mit Chefredakteur Nowak von der "Presse" erlaubt: Ich hab gesagt, dass man seine Zeitung und den "Kurier" mittlerweile als Kurz-Nachrichtendienst bezeichnen kann.

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Auch Gerhard Haderer nennt Kurz ein Gottesgeschenk. Er schätzt vor allem die erregt glühenden Prachtohren.
Palfrader: Ich habe grundsätzlich ein Problem, über Gottesgeschenke zu reden, weil ich Atheist bin.
Maurer: Zumindest in Teilen der ÖVP gibt es die Legende, dass er in einem Weidenkörbchen angespült wurde, in St. Pölten ans Regierungsviertel. Es ist auch sehr viel Verzweiflung dabei. So wie sich der Werner Gruber gegen Fettleibigkeit einen Magen-Bypass hat machen lassen, hat sich die ÖVP auch einen verpasst.

Aber was den Messias betrifft, ist doch schon das Original am Kreuz gelandet.
Maurer: Rein vom Alter hätte er da gar nicht mehr weit.
Scheuba: In der ÖVP ist jeder auf dem Kreuzweg - vom austrofaschistischen Kruckenkreuz zum Giebelkreuz.
Palfrader: Aber immer brechen sie unter der Last des Kreuzes zusammen.
Maurer: Was der Kurz will und denkt, weiß ohnehin niemand, vielleicht auch er nicht, außer, dass er nach oben will. Aber der Satz, der fast immer vorkommt, der ist faszinierend: "Er hat noch fast keinen Fehler gemacht." Wenn das die Sensation ist, vor der der Marktplatz zusammenrennt, dann sagt das etwas über unsere Erwartungshaltung an Politiker aus. Auch die Tatsache, dass er unfallfrei frei sprechen kann, wird gewürdigt, als könne er Wasser in Wein verwandeln.
Scheuba: Es ist interessant, wie sich da die Strategien annähern: Wer was sagt, liegt falsch. Strache wurde in der Sauna mit Herrn Kickl beobachtet, der auf ihn eingeredet hat, dass er sich um Gottes Willen nur ja nicht zu Wort melden soll. Das macht nur angreifbar ...
Maurer: ... jetzt, wo eh alle über seine Brille reden, ein überflüssiges Risiko.
Palfrader: Ich freu mich schon so auf die TV-Konfrontationen! Ich reib mir dermaßen die Hände, dass ich ein Lagerfeuer damit entzünden könnte.
Maurer: Das ist das Prinzip in der Welt der Comics: Man kann sich umso leichter mit einer Figur identifizieren, je weniger eigene Züge sie hat. Donald Duck besteht im Wesentlichen aus Augen und Schnabel. Das Phänomen Kurz ist damit zumindest am Rand mitgestreift.
Scheuba: Dem Kurz sein Entenschnabel sind die Ohren. Die müsste man noch animieren, dann könnten über sie Stimmungslagen transportiert werden, ohne dass er was sagt.

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Geht es nun der FPÖ etwas schlechter als vorher?
Scheuba: Das ist noch nicht gesagt. Wir streben einem Dreierpersönlichkeitswahlkampf entgegen: Liste Kurz gegen Liste Kern gegen Liste Putin.
Maurer: Wobei, der Putin spricht Deutsch und ist nicht deppert. Wenn der ein paar Wahlkampfeinsätze macht, könnte sich im Prozentbereich noch etwas verschieben.
Scheuba: Nackter Oberkörper, wrestlen mit dem Basti und dem Kern - die packt er beide.

Sollten da die Damen von den Grünen nicht mitringen?
Scheuba: Das wäre gendermäßig sicher in Ordnung, aber sie werden sich nicht einigen. Selbst wenn die Grünen Chancen hätten, müssten sie erst mit Einstimmigkeitsbeschluss bei der Basis absegnen lassen, ob sie Chancen haben dürfen, womit die Chancen möglicherweise schon im Keim erstickt werden. Überhaupt haben wir zur Ganz Großen Koalition umgekehrt die Ganz Kleine Opposition. Die Grünen sind mit Selbstzerstörung beschäftigt, die Neos mit Selbstauflösung, und dem Team Stronach widmen wir in unserer Sendung noch einen letzten Gruß.
Palfrader: Interessant ist, was nach der Wahl passieren wird - wer mit wem warum und vor allem wie lang. Wenn ich die Antworten wüsste, könnte ich sehr viel Geld verdienen, aber ich bin leider ein Trottel.
Scheuba: Man ist in den letzten eineinhalb Jahren davon ausgegangen, dass die FPÖ den ersten Platz macht. Das ist nicht mehr so sicher. Bei Rot und Schwarz hatten sich Fraktionen gebildet, die sich sogar als Juniorpartner vor Kanzler Strache demütigen würden. Die haben jetzt womöglich Unterströmung.

Ihrer These zufolge wäre ein Kanzler Strache nicht schlimmer als ein Kanzler Kern - wenn alle gleich sind?
Scheuba: Na ja, es gibt schon noch ein gewisses handwerkliches Können. Eine gewisse Grundintelligenz sollte vorhanden sein. Ganz wurscht ist es nicht.
Palfrader: Sollte die FPÖ in eine Regierung kommen wie zuletzt bei Schwarz-Blau, ist die Frage, ob das Ganze nicht über kurz oder lang implodiert wie beim letzten Mal. Die Forderungen, die sie aufstellen, sind ja nicht besonders realistisch, insofern wird die Basis unzufrieden werden. Das Beste, was der FPÖ passieren kann, ist: Dritter zu werden und gar nicht gefragt zu werden, im Parlament die bösen Buben zu spielen und davon zu träumen, das Land zu retten.
Maurer: Andererseits würden uns die Blauen nicht wie 2000 den Gefallen tun, lauter lustige Golems zu schicken, die dann im Rekordtempo zurücktreten müssen. Das machen jetzt ein paar scharfe Hunde aus den schlagenden Verbindungen. Nicht die Art Expertenregierung, die ich mir wünsche.

Und wie geht es migrationspolitisch weiter? Die Standpunkte gleichen einander zum Verwechseln.
Maurer: Es gehört zu den großen Mysterien der Innenpolitik, dass seit 1986 das Rezept der Schwarzen und der Roten lautet: Wir machen FPÖ-Politik und schimpfen gleichzeitig auf die FPÖ. Man könnte das ja sogar zynisch-machiavellistisch gutheißen, wenn es etwas brächte. Aber sowohl SPÖ als auch ÖVP haben es geschafft, in dieser Zeit ein Drittel ihrer Wähler zu verlieren. Trotzdem ist das einzige Konzept more of the same.

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More of the shame. Und schuld sind immer die Medien, wenn ein Politiker abtritt. Vor allem Armin Wolf ist schuld.
Scheuba: Das kommt im Programm besonders vor: die Journalismusdebatte, ausgelöst durch Wolfs Pröll-Interview. Was hat es mit dieser Stiftung auf sich, wenn er so auszuckt? Wir sind verstört darüber, dass Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich sind. Eine Aufgabe vom Wolf ist, kritisch nachzufragen. Wenn das im öffentlich-rechtlichen TV ein Problem sein soll, stimmt etwas entscheidend nicht mehr.
Maurer: So ist die Debatte zum Django-Plakat hinübergerutscht, für die sich der Wolf lang und schlüssig entschuldigt hat. Offenbar ist Wolf nur der Aufhänger, um sicherzustellen, dass es im ORF Journalismus im engeren Sinn künftig nicht mehr geben soll.
Scheuba: Und bei Mitterlehner ist es ein Teil des Spins. Es ist ein Teil der Strategie, dass er zurückgetreten ist, weil der Wolf so gemein war ...
Maurer: ... und nicht, weil ihn ein undisziplinierter Haufen intriganter Arschgesichter hinausgemobbt hat.
Palfrader: Wenn man den Mitterlehner'schen Kränkungsgrad zwischen Sobotka und Wolf grafisch darstellt, ist die Kurve bestimmt eindrucksvoll.

Auch der Reputationsverlust von Idi Amin, mit dem Kurz vom Kanzlersohn verglichen wurde, schmerzt. Was ist denn da passiert?
Scheuba: Das Gerücht, dass er seine politischen Gegner nicht nur hat umbringen lassen, sondern sie auch aufgegessen hat. Das hat das Image ein bissel beschädigt.

Wieso entledigen sich die Parteien in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich eigentlich der letzten Mehrheitsbringer?
Maurer: Die Klitschkos haben auch ein Jahrzehnt das Schwergewicht dominiert. Irgendwann geht es halt nimmer.
Palfrader: Selbst Muhammad Ali hat biologische Verfallserscheinungen gezeitigt.

Aber Häupl scheint in Wien eher noch der Fitteste.
Maurer: Sie haben momentan niemanden im Talon, mit dem sie besser punkten würden. Vielleicht macht man ja so etwas wie damals den Häupl, der als Umweltstadtrat auch nicht übermäßig bekannt war. Ich sag immer, der Kollege Palfrader schaut so was wie ein Wiener Bürgermeister aus ... aber sie fragen ihn nicht.
Palfrader: Nein. Ich finde mein Leben so angenehmer. Aber gut, ich mache den Bürgermeister, wenn der Scheuba Wohnbaustadtrat wird und der Maurer die Kultur übernimmt.
Maurer: Kultur? Das ist aber enttäuschend!
Palfrader: Wieso? Der Lange (Mailath-Pokorny, Anm.) ist auf jedem Fest, das tät zu dir passen! Mir haben nach dem Erfolg von "Wir sind Kaiser" drei politische Parteien angeboten, dass ich für sie arbeite.
Scheuba: Wien wurde immer von einer Großen Koalition aus SPÖ und Boulevardmedien beherrscht. Und das größte Inseratenbudget hat der Wohnbaustadtrat. Was passiert, wenn Ludwig Bürgermeister wird, und ein Wahnsinniger kappt die Wohnbauinserate?
Maurer: Das würde für die Wiener Mikro-Ökonomie ähnliche Umwälzungen bedeuten wie die Industrielle Revolution. Man stelle sich vor, der eine oder andere müsste vom Journalismus leben!

Ganz Große Koalition

Die bevorstehende Ganz Große Koalition ist auch das Thema des neuen "Staatskünstler"-Programms im Wiener Rabenhof-Theater. SPÖ, ÖVP und FPÖ rücken zusammen, und alle drei eint das Desinteresse am Gedeihen des Eurofighter- Ausschusses, der allen dreien Ungemach bereiten könnte. Maurer, Palfrader und Scheuba thematisieren das und anderes auf der Bühne. Per Video-Zuspielung wird auch ein Klassiker wiederaufgelegt: Nicholas Ofczarek und Claudia Kottal gewähren Einblicke in die zerrüttete Ehewelt von Michi & Mary in der Wiener Stadtregierung.

Eine kurze Video-Conference der Staatskünstler

© Video: News.at/Matt Observe