Der König der Exoten

Hubertus von Hohenlohe über seine ewige Karriere und die "Clowns" im Ski-Zirkus

Keine Ski-Weltmeisterschaft ohne Hubertus von Hohenlohe. Die WM in Schladming ist schon die 15. für den Star unter den Ski-Exoten. Mit NEWS.AT hat er im "Sport 2000 Rankl" gegenüber der Planai über seine ewige Karriere, seine Motivation, Träume und die Zukunft der Exoten philosophiert. Dabei hat er auch erklärt, warum der Skisport die "Clowns" braucht, die Fans sie wollen und welche Knüppel die FIS ihnen trotzdem zwischen die Beine wirft.

von Hubertus von Hohenlohe und Resi Stiegler in Schladming © Bild: NEWS.AT/Fischer

Es ist deine 15. Weltmeisterschaft, du warst fünf Mal bei Olympia – du bist der König der Exoten. War die Rekordkarriere geplant?
Hubertus von Hohenlohe: "Nein, das hat sich so entwickelt. Ich habe den Traum gehabt Kitzbühel und die erste WM 1982 in Schladming zu fahren. Dann hat sich das immer weiter hinaufgeschaukelt. Dadurch, dass ich nie wirklich viel gefahren bin, habe ich immer wieder Spaß gehabt. Der zweite Zufallsfaktor war, dass die Kinder meiner Freundin die Neffen und Nichten von Alberto Tomba sind und die wollten auch Skirennen fahren. Meine Freundin wollte sie in der Früh nicht immer zum Skiclub bringen, also habe ich das gemacht. Dann bin ich um acht in der Früh im Gasthaus gesessen und habe mich gefragt, was ich hier eigentlich mache und einfach auch mittrainiert. Was ich dann gemerkt habe war, dass je länger ich gefahren bin, desto mehr konnte ich es genießen. Ich habe immer gespürt, dass man, wenn man jung ist, die Sachen nicht so genießt und erfasst, wie wenn man länger gelebt hat. So ist die Karriere dann entstanden."

Man nimmt die Exoten ja nicht ganz ernst. Aber das ist doch nicht so einfach, diese Pisten in vollem Tempo herunterzufahren.
Es ist klar, dass eine Ernsthaftigkeit dabei ist. Sonst kannst du da nicht runterkommen. Unser Quali-Rennen ist völlig verrückt. Der Hang ist schwieriger, als die Planai. Da muss dann der Jamaikaner runter, der aus Haiti und der aus Zypern – das ist verrückt.

Nimmt euch die FIS nicht ernst oder hat sie kein Interesse an euch?
"Sie haben uns langsam aus dem ganzen Zirkus rausgeschmissen. Ich habe auch mit Ivica Kostelic geredet und er hat gesagt, es ist ganz wichtig, dass wir dabei sind. Weil dann ist es ein globaler Sport. Und so wie die Österreicher, Schweizer, Italiener und so weiter wollen, ist es ein sehr, sehr kleiner Sport, der nur ein paar Nationen interessiert. Aber es müsste ein Sport sein, der in der Türkei übertragen wird und in Brasilien. Nur wir stehen nicht am Start, wir stehen auf der Nebenbühne. Deswegen ist die Entwicklung falsch gewesen. Früher gab es keine großen Probleme. Wenn du dich getraut hast, bist du gefahren. Und es ist ja hinten nie wirklich was passiert. Es waren ja eigentlich immer die Spitzenfahrer, die wirklich gecrasht sind. Wir sind zwar auch gestürzt, aber wir riskieren auch ein bisschen weniger. Es ist schade, dass wir nicht mehr dabei sind."

Ist das überhaupt ein Problem, dass der Sport immer stärker kommerzialisiert wird und die Farbkleckse verloren gehen?
"Wenn die Kreativität und die Kultur irgendwann den Sport verlassen, dann läuft es zu sehr auf einen Endzweck und auf ein Geldmachen hinaus. Ich glaube, der olympische Gedanke hat immer gewonnen, weil man so viele Nationen zugelassen und es sich vermischt hat. Damit hat das so eine Kraft bekommen, dass es immer global geblieben ist. Aber wir sind nicht global. Wir sind sehr, sehr klein und begrenzt. Wenn ich hier durch die Straßen gehe, sehe ich den Erfolg den wir haben. Die Leute wollen die Ersten und die Letzten sehen, dazwischen interessiert es sie nicht."

»Der Zirkus braucht Clowns«

Damit wäre klar, wo die FIS steht. Aber wie sieht’s mit der Anerkennung der Athleten aus?
"Kostelic hat zu mir gesagt: "Du kannst immer, wenn du möchtest, mit mir trainieren. Es ist eine Ehre für uns, dich dabei zu haben. Weil du dem Zirkus eine eigene Farbe gibst. Ein Zirkus ist nur dann lustig, wenn es verschiedene Nummern gibt. Wenn wir alle nur Trapezartisten sind und keinen Clown haben, der die Leute unterhält, dann funktioniert der Zirkus nicht." Damit hat er ganz recht. Wir haben ein paar Ideen geboren, die toll wären für den Skisport. Er hat mir gesagt, wenn wir das durchsetzen, wäre der Sport ein besserer Sport."

Du machst ja scheinbar, worauf du Lust hast. Woher kommt die Motivation?
"Ich habe Glück, dass ich in verschiedenen Sachen ein Talent bin. Ich bin immer neugierig, immer lebendig geblieben und habe mir eine gewisse Spontaneität und Naivität beibehalten. Normalerweise ist das Leben so, dass du sehr enthusiastisch bist und dann kriegst du deine Prügel auf den Kopf. Irgendwann ist es dir dann langweilig, du wirst zynisch und machst nichts mehr. Ich habe das Glück gehabt, dass ich immer wieder weitergemacht habe mit meinen Träumen und habe immer wieder verschiedene Leben gelebt."

»Flucht vor dem Altern«

Du hast ja selbst auf „ServusTV“ gesagt, dass das auch eine Flucht vor dem Altern ist.
"Das Skifahren ist die größte Flucht vor dem Altern. Die philosophischen Gedanken und der künstlerische Erguss sind ja in jedem Alter gut. Aber wenn du nicht mehr genug für deinen Sport machst, kannst du nicht mehr mithalten. Dann wirst du alt, rostest und hast keinen Ehrgeiz mehr. Wenn ich hier nicht runterfahren würde, würde ich weniger trainieren und nicht um sechs Uhr Früh aufstehen und auf die Piste gehen. Ziele sind immer sehr, sehr wichtig, um am Leben ganz nah teilzuhaben. Wenn du keine Ziele hast, schwimmst du wie in einem Fluss ohne Richtung. Wenn du weißt, du willst in diesem großen Meer landen, dann bist du entschlossener und hast mehr Spaß."

Möchtest du damit auch Vorbild sein?
"Man muss dazu sagen, dass ich in gutem Haus geboren wurde und eine tolle Kindheit hatte. Obwohl sich meine Eltern dann sehr zerstritten haben. Ich hätte alles gehabt. Aber was ich dann gemacht habe, habe ich alles aus meinem eigenen Antrieb gemacht. Es hat mich niemand zum Skiclub gebracht, es hat mich niemand zur Fotografie gebracht, es hat mich niemand zum Singen gebracht. Ich habe das gespürt und wollte es machen. Keiner hat mir wirklich geholfen. Darauf bin ich eigentlich stolz. Dass ich mir selbst meine Lebensträume erfüllt habe. Viele werden sagen: „Du hast eine Sicherheit gehabt und deshalb hast du es schaffen können.“ Aber jeder, der das Gefühl hat, dass er etwas probieren möchte und es schaffen kann, der kann das auch."

»Habe viele Erinnerungen«

Kannst du eine bestimmte Erinnerung aus deiner Sportlaufbahn herausnehmen?
"Ich habe natürlich viele Erinnerungen. Die lustigste war eigentlich, als ein Typ zu mir gekommen ist, der kein Geld hatte. Er hat gesagt: "Ich habe ein Geldproblem. Weil nächste Woche ist der Europacup in Arosa und den müsste ich selbst bezahlen. Aber ich weiß nicht, ob es so gut ist." Ich habe ihn dann gefragt, was seine Optionen sind. Er hat gesagt: "Meine Option wäre nach Kitzbühel zum Weltcup-Rennen zu fahren. Da wäre alles bezahlt, aber ich weiß nicht, ob das ein guter Deal ist." Ich habe ihn gefragt warum und er hat gesagt: "Ich weiß ich nicht, was billiger ist. Das Hotel in Arosa oder das Spital in Kitzbühel."

Hast du irgendwann überlegt die Ski-Karriere ernsthafter zu verfolgen? Du warst ja gleich zu Beginn 1981 mehrfach in den Top-10.
"Es stand im Raum. Aber ich habe mir nie zugetraut, dass ich die letzten drei, vier Sekunden auch noch schaffe. Es war, glaube ich, richtig. Ich habe ganz wenige gesehen, die es geschafft haben. Die meisten Exoten schaffen es nicht, so gut und konsequent zu arbeiten, dass sie ganz vorne dabei wären. Vielleicht hätte ich es geschafft, wenn ich es wirklich probiert hätte. Aber man hätte noch mehr Risiko nehmen müssen und wer weiß, was dann passiert wäre."

Wie lange wird deine Karriere noch weitergehen?
"Mein Plan ist es, auf jeden Fall in Sotschi zu fahren. Vail (Anm.: Ski-WM 2015) ist eine mexikanische Kolonie und ich wurde schon gefragt. Aber wenn die andere Leute haben, dann bin ich lieber Teamchef und schaue mir ein Denver-Nuggets-Spiel an, als wieder zu schauen, dass ich die richtigen Schuhe von Head bekomme und den richtigen Helm von Carrera."

»Ich feiere mit«

Ist Schladming für dich eigentlich eine Heim-WM? Du bist ja unter anderem auch Österreicher?
"Ich bin ganz in der Nähe in Frohnleiten aufgewachsen und bin immer zum Skifahren hergekommen. Das war der Berg, wo ich in Österreich am meisten gefahren bin. Ich war als kleiner Bub auch da, als Klammer 1973 auf der Planai gewonnen hat (Anm.: sein erster Weltcup-Sieg).Wenn die WM nicht in Schladming gewesen wäre weiß ich nicht, ob ich sie mitgemacht hätte. Die Österreicher wissen, wie man solche Feste feiert und ich feiere mit."

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Meine Hachachtung ! Hubertus.

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