Mark Seibert: "Das Stück
macht eine neue Schublade auf"

Uraufführung des neuen VBW-Musicals "Schikaneder" am Freitag im Raimund Theater

Mark Seibert ist Emanuel "Schikaneder". Am Freitag feiert das neue Musical aus dem Haus der Vereinigten Bühnen Wien seine Uraufführung im Raimund Theater. Eine Liebesgeschichte - und die Entstehungsgeschichte der "Zauberflöte". Mit der APA sprach der deutsche Musicalstar über Gestaltungsfreiheit, anspruchsvolles Streiten und das Öffnen neuer Schubladen an der Schnittstelle von Oper und Musical.

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Neues Musical - Mark Seibert: "Das Stück
macht eine neue Schublade auf"

Ist der Druck für Sie bei einer Uraufführung größer als im Repertoirebetrieb oder hat man größere Freiheiten?
Sowohl als auch. Zum Einen gibt es natürlich keine Vergleichsmöglichkeit mit Vorgängern in der Rolle. Das ist ein Vorteil. Aber man ist als Darsteller ganz anders gefordert, da man als Erster die Ideen von den Autoren und dem Kreativteam umsetzen muss. Es gibt keinen "Fahrplan", der sich über Jahre bewährt hat. Man ist als Darsteller somit direkt an der Gestaltung eines Musicals beteiligt. Eine tolle Sache, aber eben auch sehr fordernd. Man muss sich und seine Darstellung ständig hinterfragen und anpassen. Zudem wird an dem Stück, den Liedern und den Texten bis zum letzten Tag geschrieben. Das heißt, man hört nie auf, Texte und Szenen neu zu lernen und nach und nach umzusetzen. Aber am Ende ist man dann doppelt stolz auf sich und seine Arbeit.

Wie eng ist die Zusammenarbeit in der Erarbeitung der Rolle mit Autor Christian Struppeck, der ja zugleich Hausherr ist?
Sehr eng. Es ist sein Baby! Er hatte die Idee zu dem Musical vor über fünf Jahren und jetzt stehen wir kurz vor der Premiere. Natürlich war er über den gesamten Entstehungsprozess direkt involviert. Daher lege ich auch auf seine Meinung sehr viel wert, denn er hat die Figuren erschaffen, die wir auf der Bühne verkörpern dürfen und kennt sie schon wesentlich länger, als wir Schauspieler. Ich schätze ihn sehr und mag seine Art, zu Schreiben.

Ist "Schikaneder" eher ein Kunst-Musical, das die Genese der "Zauberflöte" nachzeichnet, oder steht die Liebesgeschichte zwischen Emanuel und Eleonore im Mittelpunkt?
"Schikaneder" ist so viel! Im Zentrum steht ganz klar die Beziehung von Emanuel und Eleonore. Aber nicht weniger wichtig ist die Entstehungsgeschichte der Zauberflöte. Mit viel Witz und auch einer Portion Fiktion, ganz klar. Ich finde, dass das Stück vor allem eine neue Schublade aufmacht. Bisher kannten wir eher die lustigen Shows mit eher wenig Tiefgang und poppiger Musik. Oder eben die dramatischen Stücke mit etwas anspruchsvollerer Musik, aber ohne Komik. "Schikaneder" erzählt eine Beziehungsgeschichte mit viel Witz und Charme, aber auch Szenen, die sehr ans Herz gehen. Für mich die perfekte Reise durch alle Emotionen. Und das gepaart mit sehr anspruchsvoller Musik, fernab poppiger Musicalhits.

Wie stark sind die musikalischen Mozart-Zitate im Stück?
Sehr stark! Komponist Stephen Schwartz hat sich sehr nah an den Mozart-Kompositionen orientiert. Das macht die Show eher zu einer Mischung aus Oper, Operette und Musical. Ich finde, sehr passend zur Geschichte. Poppige Nummern, die schnell ins Ohr gehen, könnten eine Art Stilbruch sein. Und mit unserem 32 köpfigen Orchester unter der Leitung von Koen Schoots sind wir natürlich in der Lage, die Mozartklänge sehr originalgetreu zu imitieren.

Sie sind nicht zuletzt mit ambivalenten Figuren wie Graf Krolock, dem Tod oder Colloredo bekannt geworden. Wo würden Sie Emanuel Schikaneder hier einordnen?
Ich habe das große Glück gehabt, immer wieder ganz verschiedene Charaktere spielen zu dürfen. Sowohl stimmlich als charakterlich. Das versuche ich bewusst zu steuern, um immer wieder als Schauspieler und Sänger zu Wachsen und meine persönlichen Grenzen weiter hinaus zu drängen. Gerade meine letzte Rolle, den Graf von Krolock aus Tanz der Vampire kann man so gar nicht mit Emanuel vergleichen. Aber ich bin mir sicher, dass das Publikum trotzdem in jeder Rolle auch ein wenig "Mark" entdeckt.

Wie anspruchsvoll ist die Partie stimmlich im Vergleich zu Ihren bisherigen Paraderollen?
Der Gesang steht etwas weniger im Vordergrund als in anderen Rollen. Aber gerade die Sprech- und Streitszenen sind stimmlich irrsinnig fordernd. Das wird die Herausforderung für mich sein, zumal wir weit über 20 Vorstellungen im Monat zu absolvieren haben. Und als Emanuel gibt es in der Show extrem wenig Zeit zum Durchatmen. Aber so bringt jede Rolle eine neue Herausforderung mit sich, die es zu bewältigen gilt.

Hat "Schikaneder" in Ihren Augen das Potenzial, ähnlich breitenwirksam wie "Elisabeth" zu werden?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich wünsche es natürlich allen Beteiligten, da ich sehe, wie viel Herzblut in so einem Stück steckt. Aber wie gesagt, es öffnet eine neue Schublade und man wird sehen, ob das Publikum, diesem Weg mitgeht. Ich würde es mir für das Stück wünschen. Das bisherige Feedback war sehr positiv und lässt hoffen. Aber ein Vergleich mit Elisabeth - DEM deutschsprachigen Musicalerfolg - ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Warten wir es ab!

Sie gelten als einer der prononciertesten Musicalsänger, der sich nicht zuletzt als Darsteller auf der Bühne profiliert. Eine "reine" Schauspielrolle wäre nichts für Sie?
Ich genieße es sehr, dass die Rolle von Emanuel mich vor allem schauspielerisch sehr fordert und eine reine Schauspielrolle - mal ganz ohne Musik - würde mich schon sehr reizen. Leider ist das "Schubladen-Denken" im deutschsprachigen Raum noch sehr verbreitet. Daher gibt es wenige Darsteller, die sowohl Musical als auch reines Schauspiel machen und in beidem top etabliert sind. Im englischsprachigen Raum ist das ganz anders. Unser Regisseur Trevor Nunn war beispielsweise lange für die Royal Shakespeare Company in England tätig und ist gleichzeitig einer der gefragtesten Musical Regisseure. Mal sehen, was die Zukunft so bringt. Aber es müsste schon ein sehr reizvolles Angebot sein, dass ich das Singen mal kurzzeitig "beiseite" lege.

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