Scheidung: "Viele Frauen wissen
gar nicht was ihr Mann verdient"

88 Prozent der Scheidungen in Österreich sind laut Statistik Austria einvernehmlich. Warum es am Ende immer nur ums Geld geht, was Frauen zusteht und wie sie sich am besten auf die Scheidung vorbereiten, erklärt Scheidungsanwältin Susanna Perl-Böck im Interview.

von Vermögensaufteilung - Scheidung: "Viele Frauen wissen
gar nicht was ihr Mann verdient" © Bild: mofles

News.at: Sie sind Rechtsanwältin, haben aber auch eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht – wie wichtig ist diese Kompetenz in ihrem Beruf?
Susanna Perl-Böck:In der Verhandlungsführung ist es sehr wichtig, um einvernehmliche Lösungen zu erarbeiten. Oder schon im Vorfeld ganz strittige Scheidungsverfahren zu verhindern.

Mit welchen Emotionen betreten die Klienten Ihre Kanzlei?
Das ist total unterschiedlich. Manche fühlen sich total überrollt, dass ihr Partner sich scheiden lassen will. Andere haben selbst die Entscheidung getroffen und sich schon mit emotional dem Thema auseinander gesetzt, da ist es leichter. Ich muss die Klienten da abholen, wo sie gerade sind.

Was überrascht Sie bei Erstgesprächen immer wieder?
Dass viele Frauen gar nicht wissen was ihr Mann verdient oder wie hoch die Stromrechnung ist. Gerade Frauen um die 50, die lang verheiratet waren, sind manchmal komplett überfordert. Was kostet mein Leben? Was verdient mein Mann? Was brauche ich nach einer Scheidung? All diese Fragen, haben sich viele dieser Frauen noch nie gestellt.

»Für viele ist es schwer zu verstehen, dass ihr Leben mit Haus, Garten und Pool vorbei ist«

Wie wirkt sich die Scheidung finanziell auf Mann und Frau aus?
Ganz kurz zusammengefasst. Für beide ist nachher weniger übrig. Mit diesen finanziellen Einschränkungen umzugehen, ist für viele sehr schwierig. Mandanten in der Beratung klar zu machen, dass ihr Leben mit Haus, Garten und Pool vorbei ist, ist eine echte Herausforderung. Oft herrscht die klassische Rollenverteilung: Männer verdienen mehr, die Frau kümmert sich um Kinder und Haushaltsführung. Ich sage immer: „Leben und leben lassen.“

Wer steigt generell schlechter aus?
Frauen, die nicht so viel verdienen. Einen Unterhaltsanspruch für eine Ehefrau zu erstreiten ist in Österreich sehr schwierig. Dazu muss die Schuldfrage geklärt werden. Die Gerichte tendieren aber immer mehr in Richtung gleichteiliges Verschulden, selbst bei einem Ehebruch.

Was belastet Frauen noch?
Die neue Besuchsregelung für Väter sorgt für Zündstoff. Kindesunterhalt muss der Elternteil bezahlen, der nicht im Haushalt mit den Kindern lebt. Will zum Beispiel ein Vater mehr als das übliche Besuchsrecht von 14 Tagen in Anspruch nehmen, muss er entsprechend weniger zahlen. Für die Mutter aber fehlt das Geld, die Wohnung muss ja zum Beispiel trotzdem groß genug für die Kinder sein.

Könnten Frauen in der gewonnen Zeit nicht einfach mehr arbeiten?
Ja, aber in der Realität ist das nicht so einfach. Viele Frauen stecken in Teilzeitbeschäftigungen. Nicht alle Unternehmen lassen es zu, einfach die Stunden zu erhöhen. Und: Frauen verdienen grundsätzlich schlechter. Hausfrauen, die lange vom Arbeitsmarkt weg waren sind oft unvermittelbar. Da geht es dann wirklich um Existenzsicherung.

»Kinder werden leider sehr häufig als Druckmittel verwendet«

Welche Rolle spielen die gemeinsamen Kinder in den Scheidungsverhandlungen?
Kinder werden leider sehr häufig als Druckmittel verwendet. Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren werden immer heftiger, ganz furchtbar. Wenn Eltern streiten, werden die Kinder immer mehr in die Verfahren hineingezogen. Und diese Verfahren werden wirklich intensiver geführt. Sozialarbeiter und Psychologen sagen bei Gericht aus. Sie machen Hausbesuche, gehen in die Schule der Kinder und fragen dort nach. Das ist keine gute Entwicklung.

Kommt es vor, dass Frauen auf ihr Recht verzichten wollen?
Ja. Es gibt auch Frauen, die wollen die Scheidung schnell über die Bühne bringen. Dann sind ihnen Ausgleichszahlungen oder monatliche Summen egal. „Das Haus erben eh einmal die Kinder“ höre ich dann oft. Aber was, wenn ihr Mann noch einmal heiratet oder das Haus dem Tierschutzverein überschreibt. Frauen müssen sich wirklich um ihre Zukunft Gedanken machen.

Mit welcher Einstellung betreten die Frauen ihre Kanzlei?
Die meisten kommen und sagen: „Ich will ihn nicht ausnehmen – ich will nur das was mir zusteht.“ Manche kommen unter den Motto „Er hat die Familie zerstört, ich will, dass er blutet“. Sie sehen den nachehelichen Unterhalt, als Strafe dafür an, was in der Ehe schiefgelaufen ist. Doch der Unterhalt ist kein Schmerzensgeld. Und es gibt keinen Rechtsanspruch darauf.

Wie bekommt eine Frau, was ihr zusteht?
Das sind relativ einfache und sachliche Berechnungen. Man schaut sich an welche ehelichen Errungenschaften da sind (zb. ein gemeinsames Haus), was der Mann verdient, wie viele Kinder da sind und bei dem sie bleiben. Welche Erlöse sind noch da, die aufgeteilt werden müssen? Daraus errechnen sich die finanziellen Ansprüche, die man stellen kann.

Lohnt sich ein Ehevertrag?
Ein Ehevertrag lohnt sich dann, wenn ich unterschiedliche Vermögensverhältnisse habe. Auch was den nachehelichen Unterhalt betrifft macht es in diesem Fall Sinn.

Über welche Dinge streiten die Scheidungswilligen letztendlich?
Am Ende geht es immer ums Geld.

Gibt es eine Scheidung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja. (schweigt)

»Den Eheleuten war nichts zu peinlich«

Wollen Sie mir darüber erzählen?
Es war ein strittiges Scheidungsverfahren. Es hat mich erschüttert, wie die Untiefen des Ehe- und Intimlebens vor Gericht ausgebreitet wurden. Den Eheleuten war nichts zu peinlich. Sie haben den Partner vor Gericht in den Dreck gezogen, obwohl sie gemeinsame Kinder hatten - ohne Rücksicht auf Verluste.

Viele Paare nehmen sich eine friedliche Scheidung vor und dann klappt es doch nicht. Warum?
Die meisten wollen eine einvernehmliche Scheidung – und das klappt auch. Es beginnt vielleicht strittig indem man eine Scheidungsklage einbringt, aber dann einigt man sich doch irgendwie. Die wirklichen strittigen Fälle sind die Ausnahme.

Was haben Sie in ihrem Beruf über Beziehungen gelernt?
Es ist total wichtig, dass man mit seinen Partner die gleichen Interessen und Ansichten teilt. Sexualität ist total wichtig. Wenn Intimität in der Beziehung fehlt, brechen viele aus.

»Unrealistische Vorstellungen bringen nichts«

Sie sind verheiratet und bereits einmal geschieden, welchen Ratschlag würden Sie Frauen mitgeben, die kurz vor der Scheidung stehen?
Es ist wichtig sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Ein Informationsvorsprung hilft immer. Wenn ich weiß, was mein Mann verdient, was ich im Monat brauche, wo ich wohnen werde und wie ich mir die Regelung mit den Kindern vorstelle, ist es leichter eine Bedarfsrechnung zu erstellen. Man sollte nie mit völlig überzogenen Forderungen in die Verhandlung gehen. Unrealistische Vorstellungen bringen nichts. Die goldene und (ernüchternde) Regel lautet: Am Ende wird es meistens nicht mehr.

© Presse Susanna Perl_Boeck_c_Gaerner Perl_diema communications _Walter J Sieberer

Zur Person
Mag. Susanna Perl-Böckist seit 10 Jahren eingetragene Rechtsanwältin und auf Ehe- und Familienrecht spezialisiert. Die 42-Jährige Fachbuchautorin zum Thema Unterhalts- und Ehegüterrecht wurde im „Trend- Anwaltsranking“ bereits zwei Mal unter die Top 10 der besten Familien- und Erbrechtsrechtsexperten Österreichs gewählt. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Clemens Gärner betreibt sie eine Kanzlei in Wien.

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