Zwischen Blut und Blüte

Schauspielerin Ruth Brauer-Kvam betrat Neuland: Die 46-Jährige führt nun auch Regie und vertraut sich, selbst wenn sie einmal in einer Sackgasse steckt

von Neuland - Zwischen Blut und Blüte © Bild: Eva Mayer

Das 160 cm große Energiebündel mit Faible für Streifen, heute am Shirt, morgen am Rock, gestikuliert wild: Ruth Brauer-Kvam erklärt, warum sie die Johann-Strauss-Operette "Wiener Blut" in die optisch überdrehten Achtzigerjahre transferiert hat. "Wenn man sich Wiener Blut anschaut, geht's nur um Intrigen, Betrügen, Lügen und da war ich halt ganz schnell bei der Soap Opera, bei der schmähbefreiten TV-Serie 'Dynasty' - und so bin ich in den 80ern gelandet", lacht die Neo-Regisseurin. Brauers Ehemann, Musiker Kyrre Kvam, und der musizierende Schauspieler Dave Moskin sind die musikalischen Köpfe des Risikoprojekts, das von Kritikern gelobt und vom Publikum bejubelt wird. Auch privat hat sich das Abenteuer dieser Inszenierung gelohnt.

Die gemeinsame Arbeit ließ die Liebe zwischen Brauer und Kvam weiter wachsen. "Wir können wahnsinnig gut miteinander arbeiten", ist die Schauspielerin ("Tatort","Altes Geld","Braunschlag") erleichtert. "Er ist der Kritischere und geht viel mehr in die Tiefe. Dafür bin ich die Furchtlose. So ergänzen wir einander ganz gut." Die Liebe zum Beruf und zur Musik, auch "das viele Reden" verbinden. Trotzdem: Kyrre mag Fußball, Sport, am Abend mit den Kumpels auf ein Bier gehen. Ruth liebt Yoga, früh schlafen gehen und in der Infrarotkabine sitzen. Sonnenschein Brauer-Kvam interpretiert die unterschiedliche Freizeitgestaltung positiv: "Ich finde das sehr super, weil wir uns dann viel zu erzählen haben. Das ist wichtig für uns, dass das so weiterblüht!"

© WOMAN/Matt Observe Ruth Brauer-Kvam ist seit 13 Jahren mit dem norwegischen Komponisten Kyrre Kvam verheiratet. Die gemeinsamen Töchter, Naomi und Alina, sind vier und 13 Jahre alt

Bedeutsame Begegnung

Vor 14 Jahren sind der norwegische Komponist und die Tochter des Malers Arik Brauer auf der Bühne aufeinander getroffen. Ihr erster Gedanke: Fesch! "Dann hat sich ein bissel was entwickelt, und irgendwann - wir waren noch gar nicht so richtig zusammen, aber es war sehr flirty -hat er im Schauspielhaus die Tür zur S-Bar aufgemacht, hat mich angeschaut und gefragt: 'Wie viele Kinder willst du?' Ich hab g'sagt: 'Zwei.' Er darauf: 'Ok!'" Pure Glückseligkeit flirrt in dieser Erzählung. Brauer gluckst vor Freude wie ein aufgeregter US-Teenie vor der Prom Night. "Ich werde das nie vergessen! In diesem Moment ist die Zeit kurz stehengeblieben. Vom Gefühl her war das wie in einem Film mit Meg Ryan und Tom Hanks." Was damals beschlossen wurde, hat sich bewahrheitet: Die gemeinsamen Töchter, Alina und Naomi, sind 13 und vier Jahre alt.

»Als Mensch muss man manchmal das Gefühl haben, das geht sich nicht aus, gleich geh ich unter«

Frauenpower im Hause Brauer also. Dazu kommen Ruths Schwestern, Timna und Talja, und "wahnsinnige viele Nichten". Die natürliche Konsequenz: Es wird viel geredet. Stundenlang. "Mein Vater ist urglücklich darüber. Es freut ihn, der Hahn im Korb zu sein", erklärt die Mimin, die in der ORF-Serie "Erbschaftsangelegenheiten" als nervige Notarin zu sehen sein wird. "Meine Mutter hat sich ganz bewusst dazu entschieden, meinen Vater in seiner Begabung zu unterstützen: die klassische Muse hinter dem Künstler, die bei den Kindern blieb und das Haus bravourös in der Hand hat." Trotzdem habe ihr die Mutter vermittelt, Ruth könne alles erreichen. Mitunter auch, sich über Grenzen hinwegzusetzen. Bei der Arbeit an "Wiener Blut" habe sie das auch getan. Eine Herausforderung, weil Brauer und das Ensemble das Stück in nur dreieinhalb Wochen auf die Beine gestellt haben. "Diese Grenzerfahrung ist aufgegangen! Ich glaube ja, als Mensch muss man manchmal das Gefühl haben, das geht sich nicht aus, gleich geh ich unter." Wer trotzdem weitermacht, im Vertrauen bleibt, auch wenn man sich kurz in einer Sackgasse befindet, werde belohnt, so Brauers Überzeugung. "David Bowie hat das einmal so schön gesagt: Wenn man im tiefen Wasser nicht mehr mit den Zehen den Grund spüren kann, ist man genau da, wo man sein sollte. Ohne festen Boden wird es spannend, da wird es aufregend. Das kann dann mächtig in die Hose gehen oder total aufgehen!"

Fokus führt zu Flow

Der Erfolg gibt ihr Recht -Papas Weisheiten sei Dank! Vater Arik hat oft den Fokus gepredigt. "Wenn man etwas schaffen oder erschaffen will, muss man fokussiert sein. Nicht konzentriert, das wäre mit Krampf." Wer sich mit Aufmerksamkeit und Offenheit Dingen widmet, kommt in kreativen Prozessen auch nach mühsamen Momenten in den Genuss. Was dabei helfe?"Wir hatten gestern einen Spieleabend und lagen um zwei Uhr Früh nüchtern und vor Lachen auf dem Boden", schmunzelt Ruth. "Es war kein Raum für eine andere Emotion, weil das Lachen so überwältigend war. In so einem Moment gibt es keine Angst."

Wiener Blut
Von der Strauss-Operette zur Soap Opera mit Achtzigerjahre-Charme. Ruth Brauer-Kvam führt erstmals Regie, bis 13. Mai ist der emotionale Wahnsinn im Theater Bronski &Grünberg in Wien-Alsergrund zu sehen. www.bronski-gruenberg.at

Dieser Artikel ist der Printausgabe von News Nr. 16/2018 erschienen.