Salzburg, der
ungeliebte Serienmeister

Seit dem 1. Titel haben die Bullen fast die Hälfte ihrer Zuschauer verloren. Warum?

Also wieder Salzburg: Der neue österreichische Fußballmeister heißt zum vierten Mal in Folge Red Bull Salzburg. Das Meisterstück gelingt der Mannschaft von Trainer Oscar Garcia drei Runden vor Schluss ausgerechnet gegen den heuer schwer gebeutelten SK Rapid Wien. Und am Donnerstag, 1. Juni, können die Salzburger im Cup-Finale in Klagenfurt österreichische Fußballgeschichte schreiben, wiederum gegen Rapid: Noch nie hat ein Klub vier Mal hintereinander das Double geholt, also Meistertitel und Cupsieg innerhalb einer Saison.

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Fussball in Österreich - Salzburg, der
ungeliebte Serienmeister

Die Dominanz der Roten Bullen in der heimischen Bundesliga ist das Ergebnis eines (fast) perfekten Zusammenspiels von Strategie und Geld. Wie auf dem Reißbrett hat Red Bull seit 2005 unter dem Einsatz von mehreren hundert Millionen Euro eine schöne neue Fußballwelt erschaffen. Bestes Beispiel: die Red Bull Fußballakademie in Liefering (siehe auch die Reportage in der nächsten Ausgabe von News am 19. Mai).

Bereits drei Jahre nach der Akademie-Eröffnung haben sich die Investitionen in die Talenteschmiede bezahlt gemacht: Das Salzburger Juniorenteam holte Ende April den prestigeträchtigen Pokal der Uefa Youth League, der Champions League für U19-Teams. Dabei setzten sich die „Jungbullen” gegen das komplette Who’s who des europäischen Klubfußballs durch, von Real Madrid über Manchester City bis zu Paris St. Germain oder Benfica Lissabon. Und lösten den FC Chelsea und den FC Barcelona als bisherige Youth League-Sieger ab. Ein Erfolg von historischer Dimension: Es ist nämlich der erste Titel eines österreichischen Klubs in einem offiziellen Uefa-Bewerb.

Chronischer Zuschauerschwund

Mit acht Meister- und vier Vizemeistertiteln in den letzten zwölf Jahren ist Salzburg heute zweifelsfrei Österreichs Fußballhauptstadt. Wirklich?

Strömten in der ersten Meistersaison 2006/07 im Schnitt noch über 15.000 Zuschauer zu den Heimspielen in die Red Bull-Arena nach Wals-Siezenheim, waren es heuer knapp 7.000 – ein Rückgang um mehr als die Hälfte. Sportliche Erfolge in Serie hin oder her, Fußballbegeisterung schaut anders aus. Dabei hat Red Bull von allem Anfang an das Stadionerlebnis bewusst familienfreundlich angelegt, notorische Rowdies konsequent ausgesperrt. Und trotzdem will der Funke nicht und nicht überspringen.

Mit fehlender Tradition allein lässt sich das nicht erklären. Vielleicht hat es ein wenig damit zu tun, dass Salzburg bis jetzt nie den Sprung in die Gruppenphase der Champions League schaffte. Möglicherweise aber war den Fans bald klar, dass die große Fußballwelt in Salzburg nur ihre Probe hält, dass der Klub in Wahrheit nur ein Versuchslabor für höhere Ambitionen des Red Bull-Konzerns ist und war. Denn die Musik spielt heute in Leipzig in der Deutschen Bundesliga und dort ab Herbst auch in der Champions League.

Versuchslabor für Leipzig

Nach den bisherigen Erfahrungen werden die besten Salzburger Spieler und die größten Talente aus der Lieferinger Akademie auch in den nächsten Jahren nach Leipzig transferiert. Was an fußballerischer Qualität übrig bleibt, reicht in Österreich wahrscheinlich immer noch für den Titelgewinn, aber echte Begeisterung kommt so nur schwer auf.

Die größte Herausforderung steht den beiden Red Bull-Klubs in Salzburg und Leipzig aber erst Ende Juni bevor, wenn die Regel- und Ethikwächter der Uefa letztgültig über die Zulassung beider Vereine zur Champions League entscheiden. Steht es in der europäischen Lizenzfrage Spitz auf Knopf, dann wird sich Red Bull mit Sicherheit für den Standort Deutschland entscheiden. Der Vorteil für Österreich: das Rennen um den Meistertitel wird dann wenigstens wieder spannender.