So tickt Salzburg-Trainer
Marco Rose

Red Bull Salzburg: Dortmund rausgekickt! Euro-League-Viertelfinale! So tickt der Salzburger Erfolgstrainer Marco Rose.

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Red Bull Salzburg - So tickt Salzburg-Trainer
Marco Rose

Zurückhaltendes Wesen, blumiger Name: Trainer Marco Rose gilt in der Fußballwelt des Didi Mateschitz als neuer Wundermacher. Er führte Red Bull Salzburg als ersten österreichischen Verein ins Viertelfinale der Euro League.

Sein Gang ist leicht wippend, seine Stimme ruhig und sonor, das Gesamtbild erinnert an Comedian Dirk Stermann vor gut zehn Jahren. Doch dieser Mann ist kein Schmähbruder, ganz im Gegenteil: „Wir arbeiten immer intensiv gegen den Ball, stehen hoch und attackieren früh.“

Wenn Marco Rose über Fußball redet, gewinnt man den Eindruck, es handle sich um eine Wissenschaft, in der nichts dem Zufall überlassen wird: Klar, Fußball ist zu einem großen Teil auch Emotion, zumindest im selben Maße aber heiliger Ernst.

Marco Rose ist 41, Fußballtrainer und stammt aus Leipzig. Sportlich wurde er als Juniorenkicker in der ehemaligen DDR sozialisiert, doch als die Mauer fiel, machte der Abwehrspieler rasch im Westen Karriere, kickte bei Hannover 96 und Mainz 05. Danach absolvierte er die Ausbildung zum Coach, trainierte den ostdeutschen Kult-Regionalligisten Lok Leipzig - und heuerte vor knapp vier Jahren als Nachwuchstrainer im Fußballimperium von Red Bull an. Im Sommer des Vorjahres übernahm er dann die Kampfmannschaft.

Marco Rose, nie gehört? Bis Donnerstag nacht war der baumlange Sachse im internationalen Trainergeschäft eine weitgehend unbekannte Größe. Eine Größe aber ist er allemal: Er gewann als erster Trainer mit einem österreichischen Verein die Champions League. Genauer gesagt: die Youth League der Uefa, den Bewerb der Unter-19-Teams von Europas besten Klubs, den die Salzburger im Frühsommer des Vorjahres für sich entscheiden konnten. Und nun steht er mit den „Großen“ im Viertelfinale der Euro League.

Ein Erfolg im Namen des Rose – und der Dose!

Dietrich Mateschitz, Salzburg, Red Bull und der Fußball, das sei ein Sieg des schnöden Mammons, des brutalen Kommerzes über Österreichs alte Vereinstraditionen, wetterten die Experten im Osten des Landes seit Jahren. Doch plötzlich sind „wir“ im Viertelfinale, haben auf dem Weg dorthin mit Borussia Dortmund immerhin ein deutsches Kaliber rausgekickt, sogar die unverrottbaren Erinnerungen an Cordoba werden 40 Jahre danach wieder hellwach! Und all die weit verzweigten, höchst eigenbrötlerischen Fan- und Funktionärsgrüppchen aus Rest-Österreich sind mit einem Mal Salzburger im Herzen.

Dabei sind die neuen Helden des Westens kein Haufen verwegener Glücksritter, keine Truppe befreit aufspielender Underdogs, die eigentlich gar nicht so recht wussten, wie ihnen geschah - und nur gewannen, weil sie im Grunde genommen nichts zu verlieren hatten. Ganz im Gegenteil: Sie sind Produkt eines ausgeklügelten Systems, das am nördlichen Stadtrand von Salzburg - hart an der Grenze zu Deutschland, unscheinbar eingebettet zwischen dichtem Mischwald und dem Flusslauf der Saalach - vor knapp vier Jahren um kolportierte 40 Millionen Euro aus dem Boden gestampft wurde.

"Red Bull Akademie“ nennt sich der 100.000 Quadratmeter umfassende, futuristisch anmutende Komplex aus Holz, Beton, Stahl und Glas, der auf den ersten Blick an ein überdimensionales Sporthotel auf Vier-Sterne-Level erinnert und aus dem ein erklecklicher Teil der nunmehrigen Salzburger Profis stammt. Es ist ein hermetisch abgeschlossenes Reich, in das kein Außenstehender ohne Begleitung Zutritt hat. Eine Kaderschmiede, in der Ex-Nachwuchstrainer Marco Rose den heutigen Erfolg minutiös vorbereiten konnte. „Was hier passiert, ist Hochleistungssport“, sagt er. „Gleichzeitig versuchen wir aber auch, unsere Jungs zu guten Menschen zu machen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln.“

Sparta an der Saalach

Die Salzburger Nachwuchsakademie, das ist ein luxuriös aufgemachtes Großlabor mit sechs Außentrainingsplätzen, deren Rasen- oder Kunstrasenflächen allesamt beheizbar sind. Ein Großlabor mit Bildungsauftrag: Wer hier mit 14 Jahren das Fußballspielen – das Fußballspielen für Fortgeschrittene – zu erlernen beginnt, absolviert parallel dazu in den Partnerinstituten der Akademie auch seine schulische Ausbildung. Trainiert wird, wie bei den Profis, dennoch sechsmal pro Woche.

Zuviel Offensive für sensible Teenager? Sparta an den Gestaden der Saalach? Eigene Resilienz-Trainer sorgen für die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und lehren die Novizen des Rasenballsports die neuesten Techniken, mit Druck umzugehen. Wie jetzt, als man Dortmund souverän beherrschte. Zudem werden sogenannte "Talentprognosen“ erstellt und laufend aktualisiert.
„Ja, unsere Spieler werden durchleuchtet, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer werden permanent kontrolliert“, erklärt Rose. Dennoch habe das Nachwuchszentrum nichts, aber auch gar nichts mit den Kaderschmieden seiner Kindheit im deutschen Osten zu tun. „Damals wurde Verschleiß ganz bewusst in Kauf genommen, doch wir arbeiten hier mit ganz gezielter Belastungssteuerung.“

Sportmedizinische Checks und Lactattests stehen an der Tagesordnung, und ein Rekreationsbereich mit Saunen und Whirlpools, der den Vergleich mit einem modernen Spa nicht zu scheuen braucht, lockert nach den Trainingseinheiten die im Aufbau befindliche Muskulatur. Selbst wenn der eine oder andere Knöchel leicht beleidigt ist, kann dennoch sanft getrimmt werden: auf einem Hightech-Laufband, das unnötigen Druck ganz einfach absaugt.

Herzstück dieser Wunderwelt ist ein Indoor-Fußballplatz, der mit jeder Menge Sensoren und Lichtschranken ausgestattet ist: Sämtliche Laufgeschwindigkeiten, Laufdistanzen und Laufwege können hier aufgezeichnet, protokolliert und schließlich im Sinne des mannschaftlichen Zusammenspiels optimiert werden. Der Salzburger Sieg in der Youth-Champions-League im Vorjahr und der nunmehrige Aufstieg der Kampfmannschaft in ein europäisches Viertelfinale, das sind auch Siege des gläsernen Fußballers über die Romantik des genialischen, aber hoffnungslos eigensinnigen Kickstars herkömmlicher österreichischer Prägung. „Systemwechsel“ nennt das Marco Rose bescheiden.

Doch eigentlich, meint er, sei er keiner dieser ausgewiesenen Laptop-Trainer, die jeden einzelnen Schritt analysieren. Auf das Große und Ganze komme es an. Und das sei im Fußball noch immer – der Ball!

Vor Jahren, als ein Training auf einem Platz außerhalb der Akademie angesetzt war und keiner der Kicker auf die glorreiche Idee kam, dass man dafür wohl auch einen Ball mitnehmen müsse, ließ Rose seine Truppe ein Testmatch ohne Spielgerät absolvieren: Die hitzige Rennerei war echt, doch die Spielzüge waren nur imaginiert.

Das Spiel auf der grünen Wiese, es endete erwartungsgemäß torlos. Vier Jahre später gewannen Marco Roses Salzburger das Duell gegen Dortmund mit einem Gesamtscore von zwei zu eins. Sie hatten einfach mehr Ballbesitz.

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